06.06.2025 von SWYRL/Maximilian Haase
Sie ist die wohl bekannteste Richterin des Landes: Barbara Salesch prägte mit ihrer TV-Gerichtsshow schon vor 20 Jahren unser Bild von Recht und Justiz. Nun verhandelt die 75-Jährige, die 2022 nach langer Pause ein Comeback feierte, erstmals in der Primetime. Im Interview blickt sie zurück - und auf das, was heute anders ist.
Wer in den Nullerjahren das Fernsehen verfolgte, kam an ihr kaum vorbei: Barbara Salesch erreichte mit ihrer legendären Gerichtsshow ein riesiges Publikum und veränderte damit auch ein wenig die allgemeinen Vorstellungen von Recht, Gerechtigkeit und Richteramt. Mit ihren roten Haaren, dem streng-amüsierten Blick über die Brille und der harten wie herzlichen Art wurde die heute 75-Jährige zur bekanntesten Richterin Deutschlands. Und das ist sie bis heute, trotz einer zehnjährigen TV-Auszeit, aus der sie vor drei Jahren mit ihrem RTL-Format "Barbara Salesch - Das Strafgericht" zurückkehrte. Nach zahllosen Sendungen im Nachmittagsprogramm verhandelt sie nun in der 90-minütigen Sonderausgabe "Barbara Salesch - Der größte Prozess ihres Lebens: Die Tote im Rhein" auch zur Primetime (Dienstag, 10. Juni, 20.15 Uhr, bei RTL und RTL+).
teleschau: Frau Salesch, Sie sind kürzlich 75 geworden - hatten Sie Zeit, darüber nachzudenken?
Barbara Salesch: Für mich selbst war es erstmal nur ein weiteres Jahr. Aber man wird schon ein bisschen nachdenklich: Jetzt bist du 75, so lange bleibt auch nicht mehr.
teleschau: Umso mehr Grund, ausgiebig zu feiern, oder?
Salesch: Wir haben schon mal gut in Kleingruppen gefeiert, auch mit der Firma, und im Sommer gibt es noch eine große Sommerparty bei mir im Garten. Dann bin ich aber durch.
teleschau: Gab es auch eine große Gartenparty bei Ihrem 25-Jahre-Fernsehjubiläum im vergangenen Jahr?
Salesch: Nein. Von den 25 Jahren hab' ich ja zehn Jahre lang gar nix gemacht, war schön brav daheim und habe meinen Hof saniert. Aber filmpool, meine Produzentin, hat damals mein "Zehnjähriges" wunderbar gefeiert.
teleschau: Weshalb haben Sie damals, 2012, eigentlich aufgehört und eine zehnjährige Pause eingelegt?
Salesch: Nach über zwölf Jahren und fast zweieinhalbtausend Sendungen hatte es mir gereicht. Irgendwann wiederholt sich alles. Und wenn sich bei mir zu viel wiederholt, werde ich unfroh. Also habe ich mir in Petershagen einen Hof gekauft, mit Ateliers, Werkstätten, Galerie, und den saniert, mein Kunststudium fortgesetzt und insgesamt ein gemütlicheres Leben angefangen. Da war ich ja schon Anfang 60. Hab zwei neue Knie bekommen und einen Hund. Piri ist ein Irisches Wolfshundmädchen und seit acht Jahren mein Personal Trainer. Sie ist die Einzige, die mich nach draußen bekommt.
Abonniere unseren Newsletter und wir versprechen, deine Mailadresse nur dafür zu verwenden.
"Ich spiele mich selbst, und fertig"
teleschau: Bis sie vor drei Jahren plötzlich wieder im TV loslegten. Wie kam es denn zu diesem Rückzug vom Rückzug?
Salesch: Meine alte Produktionsgesellschaft hat angefragt, ob ich mir das vorstellen könnte. Meine erste Antwort war ein glasklares "Nein". Das war so laut, dass sie das auch ohne Telefon in Köln gehört haben dürften.
teleschau: Weshalb erst diese klare Absage?
Salesch: Ich wusste ja, was mich erwartet: Wenn man sich auf eine tägliche Sendung einlässt und sich dann noch wie ich grundsätzlich in die Drehbücher einmischt, kommt man aus der Arbeit nicht mehr raus.
teleschau: Und dann sagten Sie trotzdem zu. Hatten Sie nicht Angst, die falsche Entscheidung zu treffen?
Salesch: Nein. Ich musste nur länger nachdenken. Und ich habe das Comeback nicht eine Sekunde bereut. Wir sind jetzt schon wieder fast drei Jahre auf Sendung und haben über 500 Fälle gedreht. Es ist wie früher, nur viel frischer. Heutzutage wird alles irgendwo fotografiert, gefilmt und gespeichert. Und es wird gechattet, dass es ein Vergnügen ist. Wunderbare Beweismittel. Ich finde die Sendungen deshalb auch besser als damals. Und ich freue mich, wieder mit jungen Leuten zu arbeiten. Außerdem: Ich bin alt genug, um zu wissen, was ich will und kann - und was nicht. Es macht einfach wieder Laune.
teleschau: Normalerweise läuft Ihre Sendung im Nachmittagsprogramm, nun bald in der Primetime. Wie sehr unterscheidet sich die Produktion dafür?
Salesch: Wie Tag und Nacht. Wir haben einen Film gedreht. Das ist eine ganz andere Hausnummer.
teleschau: Das müssen Sie ausführen!
Salesch: Normalerweise drehen wir an einem Tag drei unserer täglichen Verhandlungen. Jetzt haben wir einen einzigen Film gedreht und eine Menge Drehtage dafür gebraucht. Er ist super geworden. Eigenlob stinkt, aber es ist wirklich so. Ein Mix aus Gerichtsverhandlung und Krimi. Ein normaler Krimi wird aus der Sicht der Ermittlungsbeamten gezeigt, und am Ende klicken die Handschellen. Wir zeigen den Fall aus der Sicht einer echten Vorsitzenden Richterin. Da werden ganz andere Aspekte beleuchtet.
teleschau: Ist die Abendsendung dadurch auch realistischer?
Salesch: Wir sind so nah dran, wie irgend möglich. In der Abendsendung haben wir 90 Minuten Zeit, um eine sechstägige Hauptverhandlung zu zeigen. Die Tat ist grausam, verletzte Egos, unterdrückte Wahrheiten, toxische Beziehungen. All das kommt zutage. Ich hatte einfach mehr Zeit, interessante Bezüge und mehr Facetten zu zeigen. Es gab auch eine sensationelle Zusammenarbeit mit den Schauspielern.
teleschau: In welcher Hinsicht unterscheiden Sie sich von den Darstellern?
Salesch: Für mich ist es nie ein Problem, die Richterin zu spielen - ich bin eine. Ich spiele mich selbst, und fertig. Aber es ist etwas anderes, wenn man eine fremde Person verkörpern soll und die einem hinterher so gelingt, als ob man das wirklich selbst sei. Großer Respekt. So etwas kann ich noch nicht einmal im Ansatz. Auch die Technik hat mich fasziniert: Da kommt plötzlich ein Kran auf dich zugefahren, und ich hab nur noch gedacht, hoffentlich hat der eine Bremse. Das Licht war völlig anders als sonst, überall Kameras in Bewegung, und dann muss ich mindestens fünfmal das Gleiche sagen. Für jede Einstellung. Alltag für Schauspieler. Für mich echt schwer.
teleschau: Haben Sie in Ihren bald 3.000 Sendungen nicht manchmal Rollen anderer Richter-Typen ausprobiert?
Salesch: Warum sollte ich? Was anderes kann ich doch gar nicht. Dann wäre ich Schauspielerin. Bin ich aber nicht.
"So unfreundlich und von oben herab bin ich nicht"
teleschau: Schreiben Sie noch an den Drehbüchern mit?
Salesch: Mein Problem ist: Ich bin Deutschlands bestbeobachtete Richterin. Das heißt: Alles, was ich mache, muss juristisch korrekt sein. Dazu arbeite ich unter meinem Namen, und will ich mich nicht blamieren. Also überarbeite ich jedes Drehbuch. Das Buch für die Primetime war sehr aufwendig. Da stecken nicht nur meine Weihnachtsferien drin.
teleschau: Sie sind Fernsehprofi durch und durch. Was hat sich in der Art, Fernsehen zu machen im Vergleich zu früher aus Ihrer Sicht verändert?
Salesch: Es ist alles ein bisschen enger geworden. Die finanziellen Probleme beim Fernsehen sind einfach da. Die Privatsender bekommen nicht einen Euro von den Gebühren. Das muss man akzeptieren. Wir haben jetzt ganz andere Medien als zusätzliche Konkurrenz, das Streaming und das ganze soziale Tikeltokel. Es ist eine andere, vielseitigere mediale Welt geworden. Das macht den Fernsehschaffenden Probleme. Mir jetzt glücklicherweise noch nicht. Ich mache meine Sendung und fertig.
teleschau: Wie fanden Sie es eigentlich, dass auf Ihre Sendung damals vor 25 Jahren zahlreiche ähnliche Konkurrenzformate folgten?
Salesch: Ich mag es nicht sonderlich, wenn ich kopiert werde. Aber so ist das Leben. Wenn etwas im Fernsehen erfolgreich ist, wirst du gnadenlos kopiert. Man kann sich die Formate nicht schützen lassen. Andererseits macht es das Ganze deutlich populärer. Glücklicherweise bin ich die Nummer eins geblieben und zufrieden. Wobei ich meine Kolleginnen und Kollegen immer geschätzt habe. Jede und jeder hat seine eigene Art. Ich weiß ja, was wir leisten. teleschau: Als Vorbild werden Sie jedenfalls öfter genannt - hatten Sie damals eigentlich selbst Vorbilder? Eine Vorlage Ihrer Show war immerhin das US-Format "Judge Judy" ...
Salesch: Die Produktion hat mir damals drei Sendungen von Judge Judy geschickt. Ich glaube, sie gibt es heute noch. Dieses Format sollte produziert werden: echtes Schiedsgericht. Echte Fälle. Echte Parteien. Echte Richterin. Mein Kommentar dazu war nur: "Wenn ihr eine Judge Judy sucht, dann bin ich die Falsche."
teleschau: Warum die Falsche?
Salesch: Judge Judy watscht die Leute ab. Das scheinen die Amerikaner zu mögen, und den Parteien scheint es egal zu sein. So unfreundlich und von oben herab bin ich nicht. Man kann freundlich sein und trotzdem seine Meinung sagen. Vorbilder hatte ich innerhalb meines Berufs, etwa einen Richter beim Oberlandesgericht, als ich Referendarin war. Und weil ich ihn so gut fand, bin ich Richterin geworden. Es ist der unabhängigste Beruf, den man haben kann. Das war mir wichtig. Und ich hatte immer gute Vorgesetzte, sofern ich sie überhaupt hatte.
"Der Alltag ist nicht sendefähig"
teleschau: Wie kam es nach Jahren als Richterin eigentlich dazu, dass Sie zum Fernsehen gingen?
Salesch: Ich fand das interessant. Ich war damals Vorsitzende Richterin, habe auf meine Art verhandelt, mich beworben und bin es geworden. Und an dieser Art habe ich bis heute nix geändert. Ist für andere nicht immer so einfach, aber das ist das Geheimnis des Erfolgs.
teleschau: Gab es von manchen Kolleginnen und Kollegen auch Distanzierung, als Sie Ihre eigene Sendung hatten?
Salesch: Die mich persönlich kannten, haben sich nicht distanziert. Die fanden das echt gut. Ich sei eh wie immer. Pro und Contra sind üblich. Manche Juristen wollen, dass man den Alltag abbildet. Aber der Alltag ist nicht sendefähig. Der kommt im Fernsehen an keiner Stelle vor. Das war immer der Hauptkritikpunkt. Nur: Fernsehen zeigt das Besondere; den Alltag hat man zu Hause. Der Präsident des Bundesgerichtshofs sagte damals über meine Sendung, dass es immer etwas bringt, wenn die Justiz mit Mitteln der Unterhaltung den Bürgern nähergebracht wird. Über Unterhaltung kann man eben eine ganze Menge transportieren.
teleschau: Haben Sie trotzdem manchmal Sorge, dass vielleicht ein falsches Bild vom Justiz-Alltag vermittelt wird?
Salesch: Die Zuschauer wissen schon, was Alltag und was Fernsehen ist. Und wenn irgendwer bei einer Verhandlung glaubt, das mit dem Dazwischenreden wäre so locker wie im Fernsehen - dann werden sie ganz schnell wieder auf den Boden der Tatsachen geholt. Bei den Jugendgerichten werden meine Sendungen gerne zum Angstabbau genutzt: Richterin Salesch, kennst du doch, und so läuft es bei uns auch.
teleschau: Schon vor 20 Jahren haben Sie vor allem auch die junge Generation angesprochen ...
Salesch: Ja, anstatt Schularbeiten zu machen, haben sie meine Sendung gesehen. Mit oder ohne Oma. Wenn ich an Universitäten Vorträge halte, höre ich immer von der einen oder dem anderen, dass sie meinetwegen Jura studieren oder studiert haben.
teleschau: Und kommen Sie bei den jungen Leuten heute noch genauso gut an?
Salesch: Ja sicher. Nur haben sie einen anderen Medienzugang. Sie kennen mich meistens über Social Media, obwohl ich daran aktiv nicht teilnehme. Brauch' ich auch nicht, sie erstellen schon selbst Memes aus meiner Sendung und was es nicht alles gibt. Ich komme weiter gut an, weil ich mich nicht verstelle. Da sind alle Zuschauer viel feinfühliger als man glaubt.
"Skurriles reizt mich immer"
teleschau: Heutzutage wird viel diskutiert über feministische Role Models. Sehen Sie sich als weibliche Fernsehrichterin in dieser Hinsicht eigentlich als Vorreiterin?
Salesch: Zunächst wurde damals für die Richterrolle ganz geschlechtsneutral nach einem Mann gesucht. Als die Produzentin dann merkte, dass die wenigen Frauen, die auch gecastet wurden, für die Rolle besser waren, hat sie am Ende nur noch nach Frauen gesucht. Deshalb wurde auch meine Landgerichtspräsidentin gefragt, und sie hat mich vorgeschlagen. Sie und auch die Justizsenatorin, die mich immer unterstützt hat, waren da viel weiter als ich. Sie wollten die Gelegenheit nutzen, das Richterbild im Fernsehen dem Alltag anzupassen, der schon längst viel frischer und weiblicher war. Sie kannten mich beruflich und waren sich sicher, da läuft nichts schief. Bei der ersten Marktforschung hieß es, die Frau ist taff, aber das ist doch keine Richterin. Ein Richter ist männlich, grauhaarig, mit Bart und Amtssprache. Nach einem Jahr die nächste: Ein Richter ist eine Richterin, rothaarig, zugleich taff und empathisch und spricht verständlich. Wir hatten es geschafft. Und darauf bin ich stolz.
teleschau: Waren die alten Richter unrealistisch?
Salesch: Nicht unbedingt. Aber sie entsprachen einfach nicht mehr dem Alltag in der Justiz, so konservativ, wie sie geschrieben waren. Wir haben als Referendarinnen sehr über einen gewissen Altherrenstil gelacht.
teleschau: Den gab es lange Zeit auch im TV zu sehen. Verfolgen Sie persönlich die beliebten Justizdramen oder Krimis im Fernsehen?
Salesch: Es gibt einige klassische Justizdramen, die ich immer wieder gern schaue, zum Beispiel "Die 12 Geschworenen". Normalerweise aber eher weniger. Weil ich gar keine Zeit habe, abends fernzusehen. Ich bin meist anderweitig beschäftigt. Wenn, dann schaue ich mal bei den "Eberhofer"-Krimis vorbei. Die habe ich alle aufgenommen, weil sie so wunderbar skurril besetzt sind. Skurriles reizt mich immer.
"Meine Putzfrau findet das klasse, dass ich wieder voll arbeite"
teleschau: Was ist denn anstrengender: Das echte Richteramt oder das im Fernsehen?
Salesch: Das Fernsehen ist zeitlich einfach noch anstrengender. Aber es ist eine interessante Ergänzung. Ohne meine berufliche Erfahrung der 20 Jahre in Hamburg hätte ich dies nicht machen können.
teleschau: Wie gehen Sie mit 75 mit dem Stress um, den der Fernsehjob mit sich bringt?
Salesch: Also meine Putzfrau findet das klasse, dass ich wieder voll arbeite. Sie sagt, ich sei rosiger und frischer geworden. Ich muss eben schauen, dass ich mithalte. Geht alles, weil ich mich auf das Wesentliche konzentrieren kann.
teleschau: Haben Sie überhaupt noch Zeit für Ihre Kunst?
Salesch: Ich schaffe noch eine Ausstellung im Jahr. Im Grunde mache ich nur noch Fernsehen und Hund. Und etwas Kunst. Wer sich informieren will, kann über die Website meiner Galerie sehen, was ich mache und welche Termine es gibt.
teleschau: Denken Sie nicht manchmal daran, sich endgültig zur Ruhe zu setzen?
Salesch: Das kommt darauf an, wie man den Ruhestand beschreibt. Wenn man so will, bin ich schon mittendrin, aber man kann ja auch wieder beruflich aktiv werden. Heute spreche ich mit der Presse. Und wenn ich nach Hause fahre, weiß ich, dass ich viele Pflanzen gekauft habe und morgen den ganzen Tag im Garten verbringen werde, um die einzubuddeln. Und übermorgen arbeite ich wieder an Drehbüchern. Manche haben ihre Enkelkinder, mit denen sie gut beschäftigt sind. Und mein Enkelkind ist eben meine Gerichtssendung. Es passt, solange es mir Spaß macht und so lange der Zuschauer und ich uns einig sind. Wenn der Zuschauer oder ich nicht mehr will - dann bin ich weg.
teleschau: Haben Sie aus Ihrer Sicht eine Verantwortung für die Zuschauer?
Salesch: Ich übernehme die Verantwortung für meine Sendung. Was ich bieten kann, ist, dass man aus meinen Sendungen immer etwas mitnimmt. Sei es eine Info, sei es ein Gefühl oder - das wichtigste - die Aussage, dass nicht alles Schwarz-Weiß ist. Dass es Entwicklungen gibt, dass man nachfragen und abwägen muss. Nicht immer diese Schnellschlüsse von heute.