20.09.2025 von SWYRL/Hans Czerny
Dazu gehören oder nicht dazu gehören - das ist die Frage, wenn es um Mode geht. Darf man Wohlstand heute noch zeigen, wenn es vielen Menschen inzwischen schlechter geht? Inzwischen läuft alles auf eine gewisse Uniformität hinaus, behauptet diese ARTE-Reportage von Radio Bremen.
"Mode ist ein Statement" und: "Wer sich gegen Uniformen wehrt, trägt oft eine eigene". - Auf dieses leider etwas dünne Fazit läuft die unbeschwert-anarchisch daherkommende Modebetrachtung der MDR-Autoren Katja Runge und Henning van Lil hinaus. Dazu gehören oder nicht dazu gehören, das ist über Epochen hinweg die Frage, wenn es um Mode geht. Aber machen Kleider wirklich Leute, wie schon Gottfried Keller in seiner Novelle vom armen Schneiderlein 1874 vermittelte?
Wohl doch eher nicht. Da mögen Steve Jobs und andere Hightech-Influencer noch so leger daherkommen in ihren T-Shirts und Jeans. Drinnen steckt eben doch ein Erfolgsmensch, das Outfit ist nur seine Haut. Millionenfach nachgeahmt, mal mit verstecktem, mal auch mit zur Schau getragenem Label, sagt Understatement wenig aus, wie der farbenfreudige Pariser Influencer Momo Bonvivant im Beitrag "Uniform, Macht, Mode - Uniform des Lebens" erklärt. Auch die in diesem Film als Host wirkende Londoner Modeexpertin und Psychologin Carolyn Mair weiß das natürlich, betont aber eilfertig, dass hier die schlichte Klamottenwahl getroffen sei, um sich auf anderes, eben Wesentlicheres zu konzentrieren. Der Vergleich der Kombination aus Jeans, T-Shirt und Sneakers mit den wiederkehrenden Algorithmen, wie sie in der IT-Branche gebräuchlich sind, ist zu schön um wahr zu sein und scheint dann doch recht kühn.
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Da sieht der Banker alt aus
Normcore, das modische Gemisch aus normal und Hardcore, einst von einer amerikanischen Marketingagentur erfunden, bestimmt nach wie vor den Geschmack zumindest der jüngeren Massen. Da sieht der Londoner Banker mit seinem Schlips inzwischen alt aus. Zumal inzwischen die Informatiker lägst im Bankgewerbe Einzug hielten mit T-Shirts, Sneakers und Jeans.
Gut, dass es daneben noch die Oldschool-Typen gibt, die dem "Old Money Style" folgend, elegant wie ihre Mütter und Väter höherer Abkunft sein wollen und somit auf edle Stoffe und gedeckte Farben setzen. Auch das hat inzwischen weitere Kreise gezogen, wie eine Hamburger Journalistin bemerkt. Sie wundert sich über Jugendliche, die auf Titelseiten wie ihre Eltern aussehen und von diesen kaum noch zu unterscheiden sind.
Gelobt seien die nach wie vor existierenden Punks mit ihren Ketten und Nasenringen, die sich nach der Devise: "Je essenzieller, mutiger, leidenschaftlicher, desto besser" kleiden. Dass die Reportage bei diesem Thema allerdings gleich ins 80er-Jahre-Archiv zurückgreift, um Punks und ihre feindlichen Gegenspieler, die Popper, miteinander zu konfrontieren, wirkt etwas befremdlich. So einleuchtend wie damals war die Konfrontation der Stile zugegebenermaßen allerdings selten.
Ein Vintage-Ausflug beschäftigt sich mit Uniformen im Wandel und hier wiederum mit der Farbe Rot. Bis in den Ersten Weltkrieg hinein sollte die Farbe der Mützen und Hosen französischen Soldaten zur Abschreckung des Feindes dienen. Ein sträfliches Fehlurteil, wie die Enkelin eines Gefallenen wohl zutreffend bemerkt. Rot sollte demnach tragen, wer auffallen will. Das vor allem aber im Frieden.
Den Uniformen, ihrem Sinn und Zweck und der Frage, wer sie wozu trägt, gehört der zweite Film des Abends ("Faszination Uniform") vom selben Autorenteam. Er wird direkt im Anschluss an den ersten Teil gezeigt.