26.09.2025 von SWYRL/Hans Czerny
Am 03. Oktober 1990 wurde Deutschland wiedervereint. Doch 35 Jahre danach zeigen sich auf vielen Ebenen Unterschiede. Vor allem die Unzufriedenheit im Osten ist gewachsen. Eine Erkundungsreise von Birgit Wärnke will klären, woran das liegt.
Einst trennten Stacheldraht und Mauer Deutschland-Ost und -West. Bis sich mit dem Mauerfall alles änderte. 35 Jahre nach der Wiedervereinigung scheint es jedoch wieder, manche sagen: immer noch, eine, diesmal unsichtbare Grenze zu geben. Im Osten macht sich zunehmend Unzufriedenheit breit. Und noch immer ziehen viele in den Westen, weil der Wohlstand vielerorts ausgeblieben ist. Rechtsextremisten haben Zulauf. Ein Filmteam um die 1978 in Brandenburg geborene Regisseurin Birgit Wärnke will nun in der Reportage "Einigkeit, Verdruss und Freiheit - Wo stehen wir im Osten?" aufklären, warum das insbesondere bei jungen Leuten, welche die stalinistisch geprägte DDR gar nicht erlebten, so ist.
Wärnke spürt den Stimmungen im Osten nach - geht in die Regionen, in Gemeinden und Dörfer, wo zuletzt in besonders starker Zahl rechts gewählt wurde. Einmal mehr ist zu spüren: Die Ausländerfeindlichkeit scheint seit der Wende nicht geringer geworden zu sein, "Remigration" gilt manchen im Osten als Zauberwort und neben den Angriffen auf die Europäische Union als Lösung aller Probleme. Doch ein bisschen mehr in die Tiefe geht es in diesem Film dann doch. Erzählt wird auch davon, wie nach der Wende die plötzliche Loslösung von der Sowjetunion und der Abriss jeglicher technologischer Infrastruktur durch die Treuhand eine gewichtige Rolle gespielt hatte. Viele wurden arbeitslos, Führungskräfte wurden aus dem Westen einbestellt. Wirkt der Schock nach bis heute?
Klar wird hier auch einmal mehr, dass die Grünen bei jungen Menschen im Osten auf harte Gegenwehr treffen, viele halten nichts von teuren Umweltschutz-Bemühungen. In Zwickau oder Chemnitz treffen sie sich zu mehrtägigen Kultveranstaltungen, um ihre bis 1986 in Suhl hergestellten Simson-Kleinmotorräder und -Mopeds in gemeinsamen Touren und Wettbewerben nebst Live-Musikauftritten zu feiern. Es geht, das macht auch dieser Beitrag deutlich, immer wieder auch um Identität.
Ehemalige NVA-Offiziere treffen sich bis heute, um ihren Unmut über die Wiedervereinigung zu teilen. Unter anderem glauben sie, ihre Meinung nicht mehr frei äußern zu dürfen, was etwa Russland und dessen Verhältnis zur NATO angeht. In der Industrie haben es nur wenig Ostdeutsche zu Spitzenpositionen gebracht. Petra Peterhänsel, die ihre Ausbildung bei Wartburg in Eisenach gemacht hat und nun das BMW-Werk in Leipzig leitet, scheint da eine der wenigen Ausnahmen zu sein. Auch sie wird im Film vorgestellt.
Auf dem "Wasted in Jarmen"-Festival, das stets am ersten Septemberwochenende in Vorpommern stattfindet, trifft die Autorin Monchi Gorkow, den Leadsänger der Punkband Feine Sahne Fischfilet. Er hält nichts von der starren Grenze zwischen Ost und West. Mit seiner Band, die sich gegen Rechtsradikalismus einsetzt, schaut er lieber auf das Verbindende als auf das, was trennt. Die Schauspielerin Christiane Paul, der Politiker Gregor Gysi oder Filmregisseur Christian Schwochow halten das ebenso. Insgesamt ein nüchterner, mithin auch ernüchternder Blick auf "35 Jahre Deutsche Einheit".