19.09.2025 von SWYRL/Paula Oferath
Die "37°"-Reportage begleitet das Theaterprojekt "Papillons". Hier stehen Demenzkranke gemeinsam mit Kindern und Jugendlichen auf der Bühne. Sie folgen keinem Skript, sondern ihren Gefühlen und Erinnerungen. So entstehen Nähe, Würde und gemeinsame Momente, die trotz Krankheit und Vergessen Kraft schenken.
Plötzlich erkennst du deine eigenen Kinder nicht mehr. Du bist auf fremde Hilfe angewiesen - ohne es zu bemerken. Rund 1,8 Millionen Menschen in Deutschland leben mit der Diagnose Demenz. In der "37°"-Reportage "Gegen das Vergessen: Mit Demenz auf der Bühne" von Janina Heckmann und Thomas Rosenberg stellen sich Betroffene der Krankheit auf eine außergewöhnliche Weise: auf der Theaterbühne.
Wie soll ein Demenzkranker einem Skript folgen? Gar nicht. Denn das Ziel liegt nicht im Text, sondern im Gefühl. Erinnerungen, Emotionen, Wohlbefinden - darum geht es. Das Theaterprojekt im Berliner Pflegewohnheim "Am Kreuzberg" trägt den poetischen Namen "Papillons" und wird von der erfahrenen Regisseurin Christine Vogt geleitet. Das Einzigartige: Ältere Menschen stehen gemeinsam mit Jugendlichen und Kindern auf der Bühne. Vogt baut Brücken zwischen Generationen, zwischen Welten, die im Alltag getrennt bleiben. Alte lernen von Jungen, Junge von Alten. Entsteht Verbindung, entsteht Nähe - ganz ohne Textvorgabe.
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"Mit den 'Papillons' spürt er ein Interesse an seiner Person"
Die Reportage begleitet unter anderem Elvira Werthmüller. Die 87-jährige Hessin, einst talentierte Schneiderin, fühlt sich auf der Bühne lebendig. Ihre Töchter brachten die schwerkranke Mutter nach Berlin. Für Tochter Tanja bedeuten die Auftritte kostbare letzte Momente, getränkt von Erinnerungen und Nähe. Sie weiß: Diese Auftritte werden vermutlich die letzten sein. "Sie verschwindet immer mehr", sagt Tanja mit trauriger Stimme in der ZDF-Reportage.
Auch Ekkehard Walkenhorst steht auf der Bühne. Sein Sohn Oliver erlebte zuvor jahrelang Distanz, Kälte, Sprachlosigkeit. Nun spürt er Nähe, Zuwendung, Hoffnung. Das Theater schenkt Vater und Sohn eine zweite Chance. "Mit den 'Papillons' spürt er ein Interesse an seiner Person, was ihm sonst nicht mehr oft zuteil wird, weil die Leute glauben, er könne nicht mehr viel", erzählt Oliver. "Das ist eine Entwertung als Person, die demente Menschen immer wieder erfahren. Und das Theater bietet ein Gegenstück dazu." Oliver entdeckt durch das Theaterspiel ganz neue Seiten an seinem Vater.
"Unsere Mutter scheint wieder wacher und lebendiger"
Auch die Kinder von Beate kämpfen um den Frieden ihrer Mutter. Markus und Annette bringen sie ins Pflegeheim, weil sie möchten, dass sie ein letztes Mal aufblüht und im Rampenlicht stehen kann. Schon damals stand Beate gerne im Mittelpunkt. Die Beziehung zu ihrer Mutter gestaltete sich schon immer schwierig, doch auf der Bühne wirkt die Mutter zufriedener. "Unsere Mutter scheint wieder wacher und lebendiger, seit sie zur Gruppe gestoßen ist", erzählen die beiden. Mit der Demenzdiagnose eröffnet sich für die Geschwister in gewisser Weise eine neue Möglichkeit, der Mutter näherzukommen.
Der Film zeigt eindrucksvoll: Wo Alt und Jung gemeinsam spielen, entstehen intensive Begegnungen und schmerzliche Abschiede. Kinder erfahren früh die Realität von Tod und Vergänglichkeit. Die Reportage begleitet auch den achtjährigen Maris, der früh begreift: Der Tod gehört zum Leben. Fraglos ein "37°"-Beitrag, der unter die Haut geht und lange nachwirkt.