16.08.2025 von SWYRL/Paula Oferath
In "Mels Block" kehrt eine gefeierte Selfmade-Millionärin an den Ort ihrer Kindheit zurück: in einen grauen Plattenbau. Der Film erzählt auf zwei Zeitebenen, wie soziale Herkunft, Erinnerung und Identität miteinander verwoben sind und wie schwer es ist, der eigenen Vergangenheit wirklich zu entkommen.
"Damals war sie die jüngste Selfmade-Millionärin Deutschland", tönt es aus dem Radio. Die Rede ist von Mel (Caro Cult, bekannt unter anderem aus der Serie "Babylon Berlin"), einer "Gaming Legende", die das Leben wortwörtlich durchgespielt haben muss. Doch wie heißt es so treffend: Es ist nicht alles Gold, was glänzt. In der Tragikomödie "Mels Block" entfaltet sich das Porträt einer Frau, die sich von ganz unten hocharbeitete - und nun in ihre Vergangenheit zurückkehrt, um den Ort ihrer Kindheit zu kaufen.
Der Film spielt in Rostock-Groß Klein, ein Ortsteil im Nordwesten der Hanse- und Universitätsstadt. Auch Regisseur Mark Sternkiker, der bisher nur Kurzfilme gedreht hat, wuchs in der norddeutschen Metropole auf. Drehbuchautorin des Films ist Seraina Nyikos. "Mels Block" ist die abschließende Produktion der ZDF-Reihe "Shooting Stars - Junges Kino im Zweiten".
"Rostocks Kylie Jenner", wie Mel im Radio genannt wird, rauscht in einem knallgelben Lamborghini durch die Straßen. Doch ihr Ziel ist keine protzige Villa, sondern ein grauer Plattenbau. "Na, mein hässliches Stück Scheiße", sagt Mel, während sie den Betonklotz mit ironischer Zärtlichkeit begrüßt. Doch was bewegt eine Millionärin dazu, dorthin zurückzukehren, wo für sie alles begann?
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Kann man wirklich mit der Vergangenheit abschließen?
Zunächst wirkt es, als habe Mel ihre Jugend im Block gar nicht so schlecht in Erinnerung - trotz schmaler Geldbeutel und abwesender Mutter. Immerhin gab es Freunde, Lachen, Abenteuer. Doch "Mels Block" kratzt nicht nur an der Oberfläche. Die Geschichte zeigt, wie grausam die Realität für ein junges Mädchen sein kann. Mels Erinnerungen an Groß Klein sind in Wahrheit von Schmerz durchzogen.
Zwei Zeitebenen verweben die Story von Melanie - als Jugendliche (Maja Enger) und als Frau. Deutlich wird dabei: Manche Wunden verheilen nie. Der Film führt vor Augen, wie eng Armut, soziale Ausgrenzung und seelische Verletzungen miteinander verknüpft sind. Für Melanie war der Plattenbau nicht nur Heimat, sondern auch Schauplatz von Demütigung und Ohnmacht. Diese Erfahrungen hallen bis in ihre Gegenwart nach.
Doch kann man wirklich mit der Vergangenheit abschließen? Und wie wurde aus einem einst lebendigen Mädchen jene erfolgreiche Frau, die sich dem Block nicht mehr zugehörig fühlt?
"Wir wollten keine Opfergeschichte erzählen"
Die Zeitreise gelingt dem Film auf eindrucksvolle Weise. Der liebevoll gestaltete Einrichtungsstil, die schlichten Outfits der jungen Melanie und ihre Nachmittage mit Freunden wirken durchweg authentisch. Wer besitzt heute noch einen klobigen Röhrenfernseher? Wer ruft in einem Kinderzimmer, das bis zur Decke mit Postern tapeziert ist, nach Geistern? Das Flair des Plattenbaus überträgt sich unmittelbar auf den Bildschirm - der heute deutlich mehr Pixel zeigt als jener flimmernde Monitor, an dem Mel einst mit ihrer Nachbarin Renate (Barbara Schnitzler) ihre erste Mailadresse einrichtete.
"Mel kehrt mit der Mission nach Rostock-Groß Klein zurück, den Block und damit ihre Vergangenheit endlich hinter sich lassen zu können. Das Besondere an dieser Geschichte ist, dass sie über zwei Zeitebenen erzählt wird", erklärt der Regisseur Mark Sternkiker. Die Gegenwart trifft hier auf die Vergangenheit - nicht nur erzählerisch, sondern auch emotional. Während die erwachsene Mel versucht, Kontrolle über ihre Geschichte zu gewinnen, entfalten sich parallel die prägenden Erlebnisse ihrer Kindheit. Die beiden Ebenen spiegeln sich, verstärken sich, widersprechen einander. "Wir wollten keine Opfergeschichte erzählen, sondern aus der Position der Stärke heraus eine kraftvolle Figur schaffen, die denkt, ihre Vergangenheit kontrollieren zu können und schließlich scheitert, ja scheitern muss."
Story mit Tiefgang
Mels Block erzählt eindringlich, dass man das Mädchen zwar aus dem Block holen kann, aber den Block nicht aus dem Mädchen. Die Prägungen der Kindheit, die Stimmen der Vergangenheit, die Narben von damals - sie sind tief verankert. Der Film stellt die schmerzhafte Frage, ob man je ganz frei wird von dem Ort, der einen einst formte.
Es geht hier also nicht darum, wie eine Millionärin sich ihren alten Block zurückkauft, sondern darum, warum sie es tut. Und was es ihr, am Ende, wirklich bringt.
Bei den 58. Hofer Filmtagen wurde das eindrucksvolle Kostümbild von Sophie Peters mit dem Bild-Kunst-Förderpreis ausgezeichnet. Es gab verdienten Applaus für ein Werk, das Vergangenheit nicht nur erzählt, sondern fühlbar macht.