Wendepunkt - Der Usedom-Krimi - Do. 23.10. - ARD: 20.15 Uhr

Katrin Sass ermittelt an ihrem Geburtstag: Ein dunkles Kapitel der Wendegeschichte

20.10.2025 von SWYRL/Maximilian Haase

Dramatischer Fall, dunkle Vergangenheit: Nach dem Mord an einer Schwangeren stehen die Ermittler im neuen "Usedom-Krimi" vor großen Rätseln. Eine Spur führt in die düsteren Geheimnisse einer Familie und die aufreibende Geschichte der Wendezeit. Katrin Sass hilft trotz "Rücken" wieder fleißig mit.

Oft wirft die Vergangenheit ihre Schatten bis in die Gegenwart. Diesen Umstand machen sich angesichts der deutschen Geschichte auch viele Krimis mit Ost-West-Thematik gern zunutze. Der "Usedom-Krimi" ist so eine Reihe - und Katrin Sass als gebürtige DDR-Bürgerin mit gesamtdeutscher Karriere eine auch dahingehend herausragende Hauptdarstellerin.

In ihrem 25. Fall, den das Erste just an ihrem 69. Geburtstag zeigt, taucht die kürzlich mit der "Goldenen Henne" für ihr Lebenswerk geehrte Schauspielerin als Ex-Staatsanwältin Karin Lossow wieder tief in eine Vergangenheit ein, über die viel geschwiegen wurde. Der Mord an einer Schwangeren führt sie und die Ermittler zu düsteren Familiengeheimnissen und zurück in die Wendezeit 1989: Während damals über den Mauerfall gejubelt wurde, taten manche ihren Kindern Grausames an.

Zunächst aber dreht sich der Film unter Regie von Maris Pfeiffer um eine Stalkerin, deren Motiv unklar ist: Mandy (herausragend: Anne Haug) verfolgt ihren Kollegen Martin Rabe (Lasse Myhr) und dessen Familie. Gerade noch hatten er und seine frisch Verlobte Antonia (Anna Baranowska) den Eltern erzählt, dass sie ein Kind erwarten - schon wird die Schwangere tot aufgefunden. Die Ermittler um Kommissar Rainer Witt (Till Firit) forschen in Antonias Unternehmen nach, einem Start-up zur Wasserentsalzung. "Das kann den Mangel an Süßwasser beheben, weltweit", erklärt Co-Chef Kai Berger (David Ruland), der aufgrund eines millionenschweren Deals ebenso in den Fokus rückt wie Lena Nowak (Katerina Medvedeva), die polnische Halbschwester der Toten.

Wer profitiert von Antonias Tod? Was verbergen ihre Schwiegereltern (Julia Jäger und Thomas Bading), die ein eigenartiges Verhältnis zum Opfer pflegten und auch sonst - für die Zuschauer vielleicht etwas zu - verdächtig agieren? Und dann wäre da ja noch die Stalkerin ...

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Verlassene Kinder

Zum Glück ist Karin Lossow zur Stelle. Dass sie trotz Schmerzen ("Isch habe Rücken") und Massageterminen (zufällig in der Praxis des Witwers) mal wieder mit ermittelt, mag unrealistisch sein, macht aber den Charme der Reihe aus. Auch dieser Fall wird zur persönlichen Mission: Zufällig lernt sie die frisch geschiedene Mandy kennen und versucht als mütterliche Kümmererin das Trauma ihrer toten Tochter erträglich zu machen. Noch so ein wiederkehrendes Motiv im Usedom-Krimi.

Schließlich entdeckt die Ruheständlerin eine Verbindung zwischen der ermordeten Antonia und Mandys Vergangenheit. Langsam entfaltet sich eine sprachlos machende Geschichte, die auf bis heute kaum bekannten wahren Begebenheiten basiert: Kleine Kinder, die in der DDR geboren wurden und von ihren den Westen geflohenen Familien zurückgelassen wurden, vor allem kurz nach dem Mauerfall 1989. Tausende Fälle habe es damals gegeben, kaum jemand wurde zur Rechenschaft gezogen. "Völlig irre", kommentiert Dorfpolizist Holm Brendel (Rainer Sellien). Viel geht es in diesem bedrückenden Film um Schweigen, Scham und das Nachwirken der Geschichte.

Drehbuch (Dinah Marte Golch, Isabell Serauky) und Regie gelingt es hervorragend, das schwere Thema vor kühler Ostsee-Kulisse in die Handlung einzubetten. Sie erzählen, wie Geschichte im Persönlichen nachwirkt - in Familien, in Biografien, in den kleinen Gesten des Alltags. Es ist vielleicht eine der größten Stärken der Reihe, ohne viel Pathos zu zeigen, wie Vergangenheit uns prägt.

"Ein gesamtdeutscher Star"

Daneben wartet der Krimi mit den gewohnten Zutaten auf: Der Ermittler mit Eheproblemen, die sich zuspitzen. Die Dorfpolizisten mit norddeutsch-trockenem Humor ("Die Schwiegermutter ist ja ein Traum"). Das charmant-provinzielle Usedom-Flair, irgendwo zwischen Nordic-Noir und Kleinstadtserie. Ja, manches wiederholt sich, ja, die zufälligen Begegnungen häufen sich auf der Insel - aber das gehört zum Universum der Krimireihe wie der feine weiße Sand zum Ostseestrand.

Und was wäre diese Reihe ohne Katrin Sass? Das Geburtstagskind spielt die Paraderolle mit jener Mischung aus ruppiger Neugier und emotionaler Hartnäckigkeit, die sie zur moralischen Instanz der Reihe gemacht hat. Den "Henne"-Ehrenpreis erhielt sie auch für diese Karin Lossow, längst eine der markantesten Frauenfiguren in der deutschen Krimilandschaft. "Ein gesamtdeutscher Star", hieß es in der Würdigung - passend auch zur Handlung dieses Krimis und zu dessen Ausstrahlung kurz nach dem 35. Jahrestag der Wiedervereinigung.

"Wusstest du davon?" - "Nee."

"Wendepunkt", einer von drei neuen Usedom-Krimis, ist einer der stärksten Filme der Reihe. Nicht weil der eher standardisierte Kriminalfall so herausragend wäre, sondern weil er sich als Beitrag zur kollektiven Erinnerung klug mit der deutsch-deutschen Geschichte auseinandersetzt. "Es ging alles drunter und drüber. Es gab Gewinner und Verlierer", lässt Sass ihre Figur über die Wirren der Wendezeit sagen. Wie schmerzvoll es damals zuging, wie viel verdrängt wurde - davon zu erzählen, ist dringend nötig. "Wusstest du davon?" - "Nee." - So wie in diesem Krimi-Dialog wird es wohl auch vielen Zuschauerinnen und Zuschauern gehen.

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