Die besten Protestsongs
Popmusik wird nicht zuletzt dafür geliebt, dass sie auf persönliche Weise bewegen kann. Doch auch größere Themen und soziale Missstände sind seit jeher Teil ihres Repertoires, wie etwa im Fall der Anti-Kriegs-Hymne "Zombie" von den Cranberries. Anlässlich des neuen Unplugged-Albums der Band blickt die Galerie auf die großen Protestsongs der Popgeschichte.
© 2012 Getty ImagesU2 - "Sunday Bloody Sunday"
U2 waren nie scheu, Stellung zu beziehen, Frontmann Bono haftet bis heute der nicht immer schmeichelhafte Ruf an, sich als Weltenverbesserer zu verstehen. Mit "Sunday Bloody Sunday" (1983) schufen die Iren einen der großen Protestsongs der 80er. Der Titel verweist auf den Blutsonntag des 30. Januars 1972, als eine britische Spezialeinheit im nordirischen Derry 13 Demonstranten erschossen, die für die Bürgerrechte der katholischen Bevölkerung auf die Straße gegangen waren.
© Larry Ellis/Express Newspapers/Getty ImagesThe Cranberries - "Zombie"
Auch "Zombie" von den aus Irland stammenden Cranberries fand seine traurige Inspiration im Nordirlandkonflikt. Der Grunge-Sound war eher uncharakteristisch für die Band, aber in diesem Fall angemessen: Frontfrau Dolores O'Riordan schrieb "Zombie" über die Opfer eines Bombenangriffs der extremistischen Gruppierung IRA. Die Plattenfirma der Band hatte Bedenken, einen so düsteren Song zu veröffentlichen. Zu Unrecht: "Zombie" wurde zum Welthit.
© Carlos Alvarez/Getty ImagesBob Dylan - "Masters of War"
Wenn es etwas gibt, was Bob Dylan noch weniger leiden konnte, als unfreiwillig zur "Stimme einer Generation" erhoben zu werden, dann sind es Kriegstreiber. Hymnen der Bürgerrechtsbewegung der 1960er schrieb der damalige Star der New Yorker Folk-Szene viele, doch keine war so anklagend wie "Masters of War". In dem Song kommt Dylan erst dann zur Ruhe, als er an das Grab der Verantwortlichen für Krieg und Leid treten kann, "um sicherzustellen, dass sie auch wirklich tot sind", wie es im Text heißt.
© Evening Standard/Getty ImagesBlack Sabbath - "War Pigs"
Black Sabbath gingen 1970 in ihrem Anti-Kriegs-Metal-Brett "War Pigs" sogar noch einen Schritt weiter. Nie um etwas Horrorflair verlegen, enden die Kriegstreiber, nachdem ihr Stündlein geschlagen hat, nicht nur im Grab. Sie finden sich um Gnade bettelnd vor Satan höchstpersönlich wieder. Der dürfte mit ihnen noch weniger Geduld haben als die Metal-Ikonen um Frontmann Ozzy Osbourne (links) und Gitarrist Tony Iommi (rechts).
© SONY BMGBillie Holiday - "Strange Fruit"
1939, 24 Jahre, bevor Martin Luther King seinen Traum einer freien Gesellschaft in den USA bekundete, nahm die Jazz-Sängerin Billie Holiday "Strange Fruit" auf, eine Komposition des jüdischen Poeten und Songwriters Abel Meeropol. Der Song handelt von Lynchmorden an Schwarzen, die sich zu dieser Zeit im Süden der USA zutrugen. Die schonungslose Bildsprache des Songs lässt einen genau sowenig los wie Holidays gefühlvolle wie verzweifelte Interpretation des Textes.
© SWR / The William P. Gottlieb Collection/The Library of CongressNeil Young - "Southern Man"
Auch der Kanadier Neil Young nahm den im Süden der USA grassierenden Rassismus ins Visier. 1970 auf seinem Meisterwerk "After the Gold Rush" veröffentlicht, mahnt "Southern Man" die vermeintlichen Christen, die es mit der Nächstenliebe nicht so genau nahmen, auf die Lektionen der Bibel zu hören. Umrahmt wird der Appell von Bildern des Leids und Elends. Die Südstaaten-Rockband Lynyrd Skynyrd nahm Youngs Kritik persönlich und veröffentlichte als Antwort "Sweet Home Alabama".
© 2002 Getty Images/Justin SullivanNina Simone - "Mississippi Goddamn"
Nach einem rassistischen Bombenattentat des Ku-Klux-Klans, bei dem 1963 vier afroamerikanische Kinder ums Leben kamen, erwachte in Nina Simone die politische Songwriterin, die schon immer in ihr steckte. Auf "Mississippi Goddamn" schrieb sie sich die Wut vom Leib. Sie hätte "plötzlich realisiert, was es bedeutet, in Amerika schwarz zu sein", sagte sie später.
© 2003 Getty Images/Getty ImagesPublic Enemy - "Fight the Power"
Mit der Frage, was es bedeutet, in Amerika schwarz zu sein, setzten sich auch Chuck D (links) und Flavor Flav alias Public Enemy auseinander. "Fight the Power" wurde in der Titelsequenz von Spike Lees Meisterwerk "Do the Right Thing" (1989) zur Kampfansage an den weißen Status Quo in den USA, doch auch für sich allein stehend hat der Song eine unglaubliche Schlagkraft. Selbst Elvis und John Wayne bekommen in den Lyrics als Sinnbilder für die kulturelle Hegemonie Weißer ihr Fett weg.
© 2025 Getty Images/Amy SussmanKendrick Lamar - "Alright"
Mit einer modernen Bürgerrechtshymne haben wir es hier zu tun: Auf Kendrick Lamars Opus Magnum "To Pimp a Butterfly" befand sich 2015 der Soundtrack für die erste Runde der "Black Lives Matter"-Proteste. Die von Pharrell Williams produzierte Nummer sprüht Optimismus angesichts von Ungerechtigkeit aus. Er habe etwas Positives schaffen wollen, das dennoch aggressiv war, gab der Rapper zu Protokoll. Bei den antirassistischen Protesten der mittleren 2010er-Jahre wurde sein Track zum Standard.
© 2019 Getty Images/Santiago BluguermannBob Marley & The Wailers - "Get Up, Stand Up"
Es müssen desaströse Zustände gewesen sein, die Bob Marley und dessen Bandkollegen Peter Tosh dazu veranlassten, "Get Up, Stand Up" zu komponieren. Schließlich dürfte Marleys eigenes Aufwachsen in den Armenvierteln Kingstons in Jamaika, verursacht durch Kolonialismus und festgefahrene Klassenstrukturen, hart genug gewesen sein, um eine Kampfansage wie die des Songs zu inspirieren.
© 2004 Getty Images/Express NewspapersDie Ärzte - "Schrei nach Liebe"
In den 80er-Jahren begriffen sich Die Ärzte noch als unpolitische Fun-Punkband. Umso überraschender war es, als sie ihr Comeback 1993 mit dem politischsten Song ihrer Karriere eröffneten: Die Single "Schrei nach Liebe" setzte nicht nur mit dem A-Wort im Refrain ein Ausrufezeichen gegen Rechts. Angesichts brennender Flüchtlingsheime habe man schlicht nicht mehr schweigen können, so die Berliner.
© Nela KönigAntilopen Gang - "Beate Zschäpe hört U2"
Sangen Die Ärzte in "Schrei nach Liebe" noch gegen radikale Neonazis an, gab die Antilopen Gang 2015 ein bedrückendes Update in Sachen Rassismus in Deutschland. Der war wieder salonfähig geworden, rechtes Gedankengut wurde auch in der vermeintlichen Mitte der Gesellschaft enttabuisiert. So erklärt sich auch der seltsam anmutende Titel von "Beate Zschäpe hört U2", der die NSU-Terroristin Beate Zschäpe mit den Stadionrockern U2 in Verbindung bringt.
© Danny KoetterSam Cooke - "A Change Is Gonna Come"
Zwei Erlebnisse brachten Soul-Sänger Sam Cooke dazu, mit seinem Image als Schmusesänger zu brechen und einen der wirkungsvollsten Protestsongs zu schreiben. Zum einen ist "A Change Is Gonna Come" von Bob Dylans "Blowin' in the Wind" inspiriert. Zum anderen verarbeitete Cooke hier seine demütigende Erfahrung, als ihm in Louisiana aufgrund seiner Hautfarbe ein Hotelzimmer verweigert wurde. Das Lied ist eine Anklage, die in Optimismus mündet - und so aktuell wie eh und je.
© 2004 Getty Images/Hulton ArchiveJohn Prine - "Sam Stone"
Der lange als Geheimtipp gehandelte Songwriter John Prine war selbst für Legenden wie Johnny Cash und Bob Dylan ein Ausnahmekünstler. 1971 veröffentlichte er auf seinem Debütalbum einen der traurigsten Anti-Kriegs-Songs, die je geschrieben wurden. "Sam Stone" handelt nicht vom Vietnamkrieg selbst, sondern von einem nach Hause gekehrten Veteranen, der jede Lebensfreude verloren hat und eine Morphinabhängigkeit entwickelt.
© 2019 Getty Images/Rich FuryRage Against the Machine - "Killing in the Name"
1992 war das Jahr der Aufstände von Los Angeles, die von der Freisprechung weißer Polizisten, die den Afroamerikaner Rodney King misshandelt hatten, ausgelöst wurden. Die brutale Reaktion der Polizei auf die Aufstände inspirierte Rage Against the Machine zu "Killing in the Name". Der Song sieht die Ordnungshüter als langen Arm staatlicher Unterdrückung - was Sänger Zack de la Rocha mit einer Sprache ausdrückt, die so wenig zimperlich ist wie die Gitarren-Riffs von Tom Morello.
© SonySex Pistols - "God Save the Queen"
Die Sex Pistols hatten vor allem ein Anliegen: ihre Finger genüsslich in die Wunden Großbritanniens zu liegen. Nie gelang ihnen das besser als auf "God Save the Queen". Schon die erste Zeile warf dem britischen Königshaus Faschismus vor. Die BBC boykottierte die Single, die es trotzdem auf Platz 2 der Charts schaffte. Anschuldigungen, die Charts seien manipuliert und den Pistols der erste Platz verwehrt worden, um das Ansehen der Queen zu wahren, halten sich hartnäckig.
© Peter Vernon / EMIGreen Day - "American Idiot"
2004 veröffentlichten Green Day mit "American Idiot" eine Punkrock-Oper, das das gesellschaftliche Klima in den USA nach 9/11 und dem Beginn des Irak-Kriegs thematisierte. Das ambitionierte Unterfangen läutete das Comeback der Pop-Punker um Sänger und Gitarrist Billie Joe Armstrong (links) ein. Der Titelsong rechnete mit dem neu aufgeflammten blinden Patriotismus ab, von dem die USA unter George W. Bush erfasst worden waren.
© 2005 Getty Images/Paul Hawthorne