29.04.2025 von SWYRL/Eric Leimann
Auf einer Bundesstraße bei Magdeburg wurde eine Unbekannte überfahren. Wer ist die Frau, deren Geschichte im "Polizeiruf 110: Widerfahrnis" mit Claudia Michelsen in Rückblenden nach und nach aufgedeckt wird? Das großartige Krimidrama war der letzte Film des unerwartet verstorbenen Pablo Grant.
Beim Magdeburger "Polizeiruf 110" mit Claudia Michelsen als Kommissarin Doreen Brasch weiß man nie so genau, was man bekommt. Unterdurchschnittliche Primetime-Krimis wechselten sich beim im Oktober 2013 gestarteten Format mit Grimme-Preis-Kandidaten wie "Der Verurteilte" ab. Claudia Michelsens mittlerweile 20. Fall gehört eindeutig zur bärenstarken Kategorie: "Polizeiruf 110: Widerfahrnis" erzählt in ungewöhnlichen Rückblenden das Leben einer Frau, die im Dunkeln auf einer Bundesstraße im Wald nahe Magdeburg von einem Wagen erfasst wurde. Kommissarin Brasch und ihr Mitarbeiter Marquez (der am 6. Februar 2024 verstorbene Pablo Grant in seiner letzten Rolle) kennen die Identität der im Koma liegenden Frau nicht. Sie trug keinerlei Dinge bei sich, die eine Identifikation möglich machen. Handelt es sich um ein Verkehrsdelikt mit Fahrerflucht? Oder um einen Suizidversuch?
Während Braschs Chef Uwe Lemp (Felix Vörtler) den Aufwand der Ermittlungen begrenzen möchte, setzt die angefasste Kommissarin alles daran, die Geschichte des Opfers zu erfahren. Fahrzeugspuren, Kameraauswertungen - die hartnäckige Ermittlerin packt das ganz große Besteck aus. Nach dem Motto: So traurig identitätslos und unaufgeklärt darf niemand enden.
Dann endlich ergeben sich Spuren zu einem echten Leben. Die zwischen Leben und Tod schwebende Frau scheint Sarah zu heißen. Die Kommissarin macht deren Mitbewohnerin Berna (Rona Özkan) und ihre kleine Tochter Aylin (Soraya Maria Efe) ausfindig. Zudem ergibt sich eine Verbindung zu einem Mann, dem Stararchitekten Rene Tamm (Stephan Kampwirth). Der lebt mit seiner Frau Lucy (Martina Ebm) und zwei Kindern in einem schicken Eigenheim bei Magdeburg.
Der Magdeburg-Krimi hätte eigentlich bereits am 2. Februar laufen sollen, wurde aber wegen des Anschlags auf den Magdeburger Weihnachtsmarkt vom 20. Dezember 2024 aus dem Programm genommen.
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Schauspieler Pablo Grant starb mit nur 26 Jahren
"Widerfahrnis" ist eine fein konstruierte, ungewöhnliche Geschichte (Drehbuch: Zora Holtfreter und Lucas Thiem), die zudem sehr clever erzählt wird. Durch die Augen der Ermittlerin erfahren die Zuschauer Stück für Stück über Rückblenden die Geschichte Sarahs, in der gleich mehrere Überraschungen lauern - die im Nachhinein aber alle plausibel und keineswegs nach dem Klischee des "wendungsreichen Krimis" gestrickt sind.
Gespielt wird die Episodenhauptrolle - großartig - von der 49-jährigen Erfurterin Mareike Sedl, die bisher vor allem am Theater Spuren hinterließ. So war die Frau mit dem ungewöhnlichen Gesicht und der besonderen Aura von 2001 bis 2010 festes Ensemble-Mitglied am Wiener Burgtheater. Hier schafft es Sedl unter der Regie von Umut Dağ ("Tatort: Das Monster von Kassel") über weite Strecken des Films ein menschliches Mahnmal zu verkörpern, ohne dass Sedls Figur dabei prätentiös oder unrealistisch wirken würde. Eine starke, wenn auch deutlich kleinere Rolle ist jene der Sex-Workerin Dorota (Iza Kala), die ihr Lovemobil in der Nähe des Tatorts am Straßenrand geparkt hatte und so etwas wie die einzige Zeugin des Unfalls war.
Offenbar kannte Dorata das Opfer ein bisschen und wusste um dessen Schwermut. "Was sollst du gegen Herz machen?", sagt sie in gebrochenem Deutsch aber mit viel Klugheit und Empathie über jene tragische Geschichte, die am Ende hinter diesem außergewöhnlich gut geschriebenen und stark gespielten "Polizeiruf" steckt.
Tragisch ist auch der Tod des erst 26 Jahre alten Pablo Grant, der in den letzten Folgen den Brasch-Assistenten Günther Márquez spielte. Am 6. Februar 2024 starb der Berliner Musiker und Schauspieler ("Herren") an den Folgen einer Thrombose. "Polizeiruf 110: Widerfahrnis" war Grants letzte Filmrolle.