Lebenslinien: Ich wollte Gangster werden - Mo. 21.07. - BR: 22.00 Uhr

Das Kino mit dem Leben getauscht

18.07.2025 von SWYRL/Wilfried Geldner

Am 4. August 1971 überfiel er mit seinem Komplizen eine Filiale der Deutschen Bank in der Münchner Prinzregentenstraße und nahm 17 Geiseln. "Der Plan war richtiggehend absurd", sagt der heute 78-jährige Dimitri Todorov aus der Tiefe der Erinnerung.

Bankraub mit Geiselnahme - so etwas hatte es in diesem Ausmaß seit dem Ende des Krieges nicht gegeben. Am 4. August 1971 überfiel der 1947 in Graz geborene Dimitri Todorov zusammen mit seinem Komplizen Rammelmayr die damalige Filiale der Deutschen Bank in der Münchner Prinzregentenstraße. Beide nahmen dabei anfänglich nicht weniger als 17 Geiseln, drohten mit Erschießungen und damit, die Bank in die Luft zu sprengen. Sie hatten gehofft, so Todorov heute, dass die Polizei erst gar nicht eingreifen würde, doch die Aktion endete im Kugelhagel der Polizei. Es gab zwei Tote: Todorovs Komplizen und eine 19-jährige Angestellte der Bank.

Acht Stunden dauerte das Ganze, von 16.00 Uhr bis Mitternacht. Für die Polizei war der Einsatz eine zuvor nicht gekannte Herausforderung. Rettende Scharfschützen fehlten und mussten erst mühsam herbeigeholt werden. Auch der Lösegeldforderung von zwei Millionen Mark nachzukommen, war nicht leicht. "Ich wollte Gangster werden" ist der Film von Carla Röthig aus der BR-"Lebenslinien"-Reihe überschrieben. Darin erinnert sich Dimitri Todorov an die Umstände von damals, an die vielen tausend Schaulustigen, die dem letztlich tödlichen Spektakel von der gegenüberliegenden Straßenseite zusahen wie in einem Kinofilm, und an die Kommunikation mit der Polizei, die er damals übernahm.

Nicht nur die Zuschauer, unter anderem von den Balkonen eines gegenüber liegenden Feinschmeckerlokals, fühlten sich wie im Kino. Auch die Geiselnehmer selbst hatten Kinobilder im Kopf. Vorbilder wie etwa Belmondo in "Außer Atem" oder Alain Delon in "Der eiskalte Engel". Der Film setzt Todorov in einen rot samtenen Sessel des "Astor"-Kinos, wo er damals die Gangsterfilme der 60er-Jahre gesehen hatte, und trifft damit einen Kern.

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Den Tod kann man nicht entschuldigen

Immer wieder schweift der Film zwischen Gegenwart und verschiedenen Vergangenheitsebenen hin und her. Todorov berichtet von seiner halbwegs zerrütteten Familie. Der Vater, Architekt, ging nach Amerika, die Mutter führte zwei Animierlokale. Er wuchs bei den Großeltern auf, kam ins Kinderheim am Chiemsee. Zurück in München, fühlte er sich besonders an der Isar wohl, sammelte Kriegsmunition mit anderen Jugendlichen und erzählt davon, wie es "dem Horsti" dabei die Hand zerriss.

Schon mit 16 plante er, das Hofbräuhaus zu überfallen und bekam eine 14-tägige Jugendstrafe dafür. Auslöser für die Geiselnahme in der Bank aber sei letztlich der Bericht über einen Überfall in Toulouse gewesen, der "erfolgreich" endete. Todorov ging in seine Kneipe und sagte: "Das machen wir auch!"

Der Rest ist Geschichte: Zwei Tote, eine überforderte Polizei, die auch beim Olympia-Attentat ein Jahr später noch nicht wirklich vorbereitet war und "in Panik" handelte, wie ein Einsatzleiter freimütig erzählt. Aber auch ein Geiselnehmer, der nicht schlechthin bereuen kann. Über 21 Jahre hat er im Gefängnis abgesessen, viel gelesen und eine zehnjährige Einzelhaft zur Abschottung für sich durchgesetzt. Das Revolutionäre in ihm, die Vorbehalte gegen Justiz und Obrigkeit, spürt man auch 30 Jahre nach seiner Entlassung noch. Er besucht Haftanstalten, hilft bei der Münchner Tafel, lebt von schmaler Rente und den Jobs bei der Filmrequisite.

"Ein guter Gangster war ich nicht", sagt er heute. Und jenseits aller Justizkritik, die anlässlich seiner rekordverdächtigen Strafe laut wurde, sagt er auch noch: "Den Tod kann man nicht entschuldigen. Das bleibt."

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