23.09.2025 von SWYRL/Friederike Hilz
Ein Model, eine Spitzensportlerin, eine Tanztherapeutin - die drei Frauen verbindet eine Begegnung mit dem Tod. In einer ARD-Doku erzählen sie, wie es ist, in das helle Licht zu blicken und doch wieder umzukehren. Wie findet man ins Leben zurück, wenn man es fast verlassen hat?
Lea Winzenried (29) schwebt - zumindest kommt es ihr so vor. Sie blickt auf ihren eigenen Körper herab, auf ihre Familie, auf ihre beste Freundin. Sie alle stehen um das Krankenhausbett, in dem die junge Frau liegt, denn sie ist fast tot. Da sei ein Licht gewesen und ein Tunnel, auf den sie immer wieder zusteuerte, erzählt Winzenried in der WDR-Doku "Mein Nahtod, mein Neuanfang", die in der ARD-Mediathek abrufbar ist.
Friedlich und ruhig sei es gewesen, und doch habe sie immer wieder Todesangst verspürt, erinnert sich die 29-Jährige: "Wie komme ich zurück? Ich will nicht sterben!"
Wie ist es, an der Schwelle zum Tod zu stehen und wieder umzudrehen? Polizistin und Spitzensportlerin Laethisia Schimek (32) und Ex-"Germany's Next Topmodel"-Kandidatin Chanel Silberberg (24) haben, wie Winzenried, genau das erlebt.
Alle drei Frauen hat die Berührung mit dem Tod grundlegend verändert. Für den WDR erzählen sie ihre Geschichten: vor, während und nach dem Tod. Schimek sagt heute: "Meine Nahtoderfahrung hat mein Leben überhaupt erst zu einem glücklichen Leben gemacht."
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Nach dem Nahtod kommen Panik und Angst: "Ich hatte einfach das Gefühl, ich drehe durch"
Winzenried lebte vor ihrer Nahtoderfahrung in Zürich und arbeitete im Marketing. "Ich empfand mich als Mensch irgendwie langweilig", gibt sie zu. Auf einer Geburtstagsfeier vor vier Jahren wird ihr ein Kuchen mit Cannabis angeboten. Im Nachhinein vermutet Winzenried jedoch ein "Gemisch an Drogen". Die junge Frau greift zu, will "nicht so langweilig sein". Doch statt weiterzufeiern, wird sie immer wieder bewusstlos und fängt an zu zittern, wie eines der Videos, das eine Freundin auf ihren Wunsch damals macht, zeigt.
Man sieht der blonden Frau im gelben T-Shirt auf den Aufnahmen nicht an, was sie in diesen Stunden erlebt, wie sie noch einmal ihr ganzes Leben sieht. Immer mehr habe es sie zu diesem hellen Licht gezogen, erzählt die heute 29-Jährige. Doch sie kehrt in ihren Körper zurück - und hat sofort eine Panikattacke.
Winzenried überlebt, aber die nächsten Monate werden für sie zu einem weiteren Albtraum aus Panik und Angst: "Ich hatte einfach das Gefühl, ich drehe durch."
"Ich habe da meinen nackten, toten Körper gesehen, wie er da auf der Liege liegt"
Speedskaterin Laethisia Schimek war Europa- und Weltmeisterin und dennoch sei sie nicht zufrieden, sondern verbissen gewesen, erzählt die heute 32-Jährige. Vor einigen Jahren wird sie nach einem Fahrradunfall operiert, doch etwa vier Wochen später kollabiert sie plötzlich: Einer der Drähte, der eigentlich das gebrochene Schlüsselbein halten sollte, hat sich in die Aorta gebohrt. Ihr Herz läuft voll mit Blut, bis es aufhört zu schlagen.
"Im nächsten Moment war ich oben an der Decke mit meinem Bewusstsein, meiner Seele", erinnert sich Schimek. "Ich habe da meinen nackten, toten Körper gesehen, wie er da auf der Liege liegt." Hoffnung hat sie in diesem Moment keine, denkt nur: "Irgendwie schade, weil ich bin noch nicht fertig. Ich habe noch was zu tun." Sie hört nichts mehr, die Zeit scheint stehen geblieben zu sein und dennoch habe sie "alles gesehen, was passiert ist".
Doch plötzlich gelingt es dem Arzt, diese "Totenstille" zu durchbrechen. Schimeks Herz beginnt wieder zu schlagen. "Ich wusste sofort: Jetzt kämpfen!" Sie überlebt knapp. Körperlich sei es ihr danach "miserabel" gegangen, aber: "Ich habe angefangen zu weinen, weil ich dankbar war, weil ich verstanden habe, was es heißt, zu leben." Doch Angst und Panikattacken machen Schimek einen Neustart schwer.
Chanel Silberberg im Koma: "Ich bin durch so ein helles Licht gelaufen"
Chanel Silberberg hat schon als junges Kind eine chronische Darmentzündung. Eine unbeschwerte Kindheit sei nicht mehr möglich gewesen, erinnert sich ihre Mutter in der WDR-Doku. Doch Ärztinnen und Ärzte erkennen das Problem zu spät. Die Bakterien im Darm des Mädchens breiten sich aus, "fressen" Stellen in ihren Blutbahnen an. "Man kann sich das wirklich vorstellen, als wenn die Haut verfault ist", beschreibt das Model die Tortur.
Im Jahr 2012 verschlechtert sich der Zustand der damals Elfjährigen immer mehr, bis sie schließlich ins Krankenhaus eingeliefert wird. Noch heute kommen ihr die Tränen, wenn sie davon erzählt. In der Klinik fällt sie ins Koma und dann: "Ich bin durch so ein helles Licht gelaufen", erinnert sich die 24-Jährige. "Und ich hatte meinen Hund auf dem Arm". "Wie in einem Traum" sei sie ihrer verstorbenen Oma begegnet, der sie den Hund gegeben habe. Doch sie selbst habe gesagt: "Ich möchte nicht mit, ich würde zurückgehen." Silberberg überlebt das Koma, der Familienhund stirbt in derselben Nacht - ohne, dass sie davon etwas wusste.
Das Leben nach dem Nahtod: "Ich spüre ja jetzt, was mein Herz will"
Die drei Frauen kämpfen sich zurück ins Leben. Winzenried gibt ihren Job auf und findet ihre Berufung als Tanztherapeutin. "Ich spüre ja jetzt, was mein Herz will", erklärt sie. Wenn sie tanzt, "dann bin ich im Leben", sagt die 29-Jährige mit einem Lächeln.
Schimek geht in Therapie, ändert ihre Lebenseinstellung grundlegend und schafft es, zurück in den Sport. Das Kamerateam des WDR begleitet sie zu einer weiteren EM. Für eine Medaille reicht es dieses Mal nicht, doch die 32-Jährige nimmt es locker: "Mittlerweile weiß ich, dass ich eh schon glücklich bin, dass ich eh schon alles habe, was ich haben möchte." In einem eigenen Podcast verarbeitet Schimek ihre Erfahrungen öffentlich.
Silberberg nimmt 2021 bei "Germany's Next Topmodel" teil. Woher sie den Mut genommen habe, wisse sie bis heute nicht. "Es hat mir einfach super viel Selbstvertrauen gegeben", sagt sie rückblickend. Ihre Narben zu zeigen, fällt der 24-Jährigen, die weiter als Model arbeitet, heute nicht mehr so schwer. Gleichzeitig teilt sie auf Social Media ihr Leben mit chronischer Erkrankung und spricht über ihre Nahtoderfahrung.
Das gibt ihr Halt, auch in schwierigen Phasen. Egal ob beim Modeln, bei ihrem Pferd oder bei einer Party: "Ich würde schon behaupten, dass ich mein Leben lebe, als wäre es der letzte Tag." Angst vor dem Tod habe sie nicht mehr.