04.07.2025 von SWYRL/Maximilian Haase
Rechtsextreme Gruppen gewinnen weltweit an Einfluss. Die dreiteilige Doku-Serie "World White Hate" beleuchtet bei ARTE nun ihre globalen Netzwerke, die hasserfüllte Ideologie und ihren brutalen Terror. Zu Wort kommen auch die Opfer - und jene, die gegen Rechts aktiv sind.
Sie verbreiten Hass, propagieren Gewalt und üben Terror aus: Weltweit scheinen Rechtsextreme auf dem Vormarsch, sei es in den Parlamenten, auf der Straße oder im Internet. Wie sie sich über Kontinente hinweg vernetzen und ihre menschenverachtende Ideologie verbreiten, beleuchtet nun ausführlich die Dokumentation "World White Hate". Der Dreiteiler, den ARTE im Rahmen des Themenabends "Die rechte Gefahr" zeigt, deckt auf, wie Extremisten weltweit an Einfluss gewinnen - und wie gefährlich ihr Hass für Gesellschaft und Demokratie geworden ist. Ausgehend von den brutalen Taten junger Männer in Hanau, Buffalo, Halle und Christchurch blickt die Reihe auf eine Bewegung, die im Netz ebenso gut organisiert ist wie innerhalb des Militärs. Zu Wort kommen aber auch die Opfer, Angehörige und diejenigen, die gegen die rechtsradikalen Auswüchse kämpfen.
Schon lange ist Rechtsextremismus kein Randphänomen einzelner Splittergruppen mehr, wie der Film von Dirk Laabs aufzeigt. In drei je knapp einstündigen Folgen entschlüsselt "World White Hate" anhand von Archivbildern, Analysen und Interviews mit Experten und Betroffenen, wie die Rechte ein internationales Geflecht aus Ideologie und Terror erschafft. Der Film entschlüsselt, wie digitale Netzwerke und Kommunikationskanäle zur Drehscheibe der Radikalisierung wurden - und wie Jugendliche auf YouTube, Telegram oder Discord mit rassistischen Verschwörungstheorien und Gewaltpropaganda konfrontiert und häufig auch rekrutiert werden. "Obwohl sie oft allein töten, sind sie Teil einer globalen Bewegung", bringt es die sehenswerte Doku auf den Punkt.
Eine Besonderheit der SWR-Produktion liegt in ihrer Perspektive: Zwar werden Motivation und Radikalisierung der Täter ausführlich beleuchtet, zwar liefert etwa auch Kelvin Pierce Einblicke in das Denken seines Vaters Wiliam Pierce, der zu den rechtsextremen Vordenkern zählt ("Diese Leute sehnen sich danach, Teil den großen Krieges zu sein"), doch findet die Sicht der Betroffenen hier nicht minder prominent statt. Ihre Stimmen machen die Dimension rechter Gewalt jenseits nüchterner Statistiken greifbar. Zu Wort kommen unter anderem Überlebende von Christchurch und Angehörige der Opfer von Hanau und Buffalo. "Amerika hat ein Problem mit weißem Nationalismus - und keiner kümmert sich", ordnet etwa die Mutter eines der Opfers des rechten Anschlags in der US-Stadt 2022 ein.
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"Sie haben eine Bewegung geschaffen"
Die Auftaktepisode, in der "Das Netzwerk des rechtsextremen Terrors" im Fokus steht, zeigt auf, wie sich die Attentäter online radikalisieren und gegenseitig inspirieren - oft ohne direkten persönlichen Kontakt: Die Täter von Halle, Hanau oder Buffalo bezogen sich in ihren Manifesten explizit auf Vorbilder wie Brenton Tarrant oder Anders Breivik, deren Verbrechen zur Blaupause für weitere Anschläge wurden. "White Supremacy ist ein Krebsgeschwür, das sich ausbreitet", bekräftigt ein Angehöriger im Film - "Sie haben eine Bewegung geschaffen". Sicherheitsbehörden schätzen rechtsextremen Terror mittlerweile als größere Bedrohung ein als den islamistischen Extremismus, heißt es im Film.
Besonders eindrucksvoll berichtet Ex-FBI-Agent Scott Payne, der undercover in rechtsextremen Online-Netzwerken ermittelte. Seine Erkenntnis: Nur wer den digitalen Raum versteht, kann diese Gefahr effektiv bekämpfen. Und, mit Blick auf unscheinbare junge Täter: "Ich unterschätze niemanden".
Die zweite Folge "Söldner, Soldaten und Veteranen" (ab 21.10 Uhr) dringt in ein Milieu vor, in dem rechtsextreme Einstellungen mithin fast ungestört gedeihen: das Militär. Aktive und Ex-Soldaten spielen in der rechtsextremen Szene eine Schlüsselrolle. Sie verfügen über Kampferfahrung, strategisches Wissen - und oft über ungehinderten Zugang zu Waffen. Die Doku deckt auf, wie rechtsextreme Gruppen diese Männer gezielt ansprechen und instrumentalisieren. Wie real die Gefahr ist, zeigt eindrücklich etwa die vereitelte Planung eines Umsturzes in Deutschland 2024, bei der ehemalige Militärs und ein früheres Bundestagsmitglied festgenommen wurden.
Ungekannte Einblicke liefern auch Aussteiger wie Kris Goldsmith, ein US-Veteran, der selbst einst in die rechte Szene abdriftete und sich heute gegen den Hass engagiert. Interviewt wurde auch Emily Oneschuk, deren Bruder sich im rechten Milieu radikalisierte, in der Ukraine kämpfen wollte und schließlich bei einem Mordanschlag starb.
Widerstand der Betroffenen
Die abschließende dritte Folge "Widerstand" (ab 22.05 Uhr) widmet sich dem oft aus persönlicher Betroffenheit erwachsenen Kampf gegen die globale Rechte. So gründete Serpil Unvar, die Mutter eines der Opfer von Hanau, eine Bildungsinitiative, die sich für Aufklärung und Toleranz einsetzt - insbesondere für die junge Generation, die wir "wegen Rassismus und Diskriminierung verlieren", wie sie sagt. Auch in Sachsen sowie in den USA und Norwegen werden neue Formen der Prävention entwickelt.
Die Doku-Serie verzichtet auf reißerische Effekte, analysiert kühl, dokumentiert präzise und konfrontiert das Publikum mit der schmerzhaften Realität: rechtsextremer Terror ist kein Einzelfall und keine nationale Angelegenheit, sondern hat international System. Der Dreiteiler zeigt aber auch: Es gibt Menschen, die sich mit Mut und Haltung dagegenstellen.
Im Anschluss zeigt ARTE ab 23 Uhr die Doku ʺWhite Man Walkingʺ: Sie beleuchtet das soziale Experiment eines weißen Journalisten, der mit einem Black-Lives-Matter-Shirt bekleidet und von der Kamera begleitet quer durch die USA lief. Der Film dokumentiert, wie ihm auf seiner Reise Solidarität, aber auch Rassismus begegneten.