17.07.2025 von SWYRL/Jasmin Herzog
Fachlich brillant, menschlich nachhilfebedürftig: Das ist "Dr. Nice" (Patrick Kalupa), der mittlerweile nicht mehr ganz Neue auf dem ZDF-Wohlfühl-Sendeplatz am Sonntagabend. Von Anfang an erwies sich die Serie als Quotenhit. Das ZDF wiederholt nun noch einmal die ersten beiden Filme.
Vielleicht sieht ein klassischer Herzensöffner aus wie Dr. Nice. Aber er benimmt sich nicht so. Er ist herablassend bis nahezu unerträglich arrogant, dazu hat er augenscheinlich einen im Minusbereich ausgeprägten Familiensinn. Und doch hat dieser Doktor in der erfolgreichen ZDF-Herzkino-Reihe "Dr. Nice" viel zu bieten, was allerdings erst mit dem zweiten Blick gesehen werden kann. Patrick Kalupa spielt den Starchirurgen von Welt, der an der deutsch-dänischen Grenze an der Flensburger Förde strandet und dort unfreiwillig in ein Leben schlittert, das ihm zunächst wie die Höchststrafe des Schicksals erscheint.
"Ich glaube, dass Dr. Nice ein sehr guter Freund von mir sein könnte", sagte Hauptdarsteller Kalupa ("Alarm für Cobra 11", "Die Rosenheim-Cops") vor dem Start der ersten Staffel im April 2023. "Mir gefällt, dass er Themen anspricht, bei denen andere ein bisschen mehr herumeiern."
Das Konzept erwies sich vom Start weg als Glücksgriff. Die aus nur zwei Filmen bestehende Auftaktstaffel sorgte für überraschend hohe Einschaltquoten. Beim Piloten "Hand aufs Herz", der nun am Sonntagabend erneut zu sehen ist, schalteten 5,28 Menschen ein, bei Film zwei, "Alte Wunden", 5,38 Millionen. Die Serie schien und scheint einen Nerv zu treffen. Denn auch Staffel zwei mit vier 90-Minütern lief erfolgreich (wenn auch nicht mehr über der Fünf-Millionen-Marke), ebenso die bis Ende Mai ausgestrahlten ersten drei Folgen der mittlerweile dritten Staffel. Die letzte Episode erreichte 4,28 Millionen Zuschauerinnen und Zuschauer, in der Primetime musste sich "Dr. Nice" nur dem Sonntagskrimi im Ersten geschlagen geben.
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Das geschah in Staffel eins bei "Dr. Nice"
"Dr. Nice" heißt eigentlich Dr. Moritz Neiss und ist ein Genie im Bereich der Wiederherstellungschirurgie. Ein Unfall setzt seinen ehrgeizigen Karriereplänen ein Ende: Er kann die rechte Hand nicht mehr bewegen. Auf dem Weg nach Australien, wo sich ein Spezialist der Hand annehmen will, macht Dr. Nice einen Abstecher in ein sehr norddeutsches Küstenstädtchen. Dort lebt seine 16-jährige Tochter Lea (Maj Borchardt), die er bisher weder gesehen noch vermisst hat, im Gegenteil: Bis vor Kurzem wusste er nicht einmal von ihrer Existenz. Eigentlich möchte er nur schnell die Adoptionspapiere unterschreiben, damit das Mädchen, das kürzlich seine Mutter verloren hat, bei deren Lebensgefährtin Charlie (Josefine Preuß) bleiben kann.
Natürlich wird der Doktor aufgehalten, und Vater und Tochter lernen sich kennen. Nachdem er es sich mit den meisten Ortsbewohnern verdorben hat, will Dr. Nice gar nicht mehr so eilig nach Australien. Denn auch wenn er es nie zugeben würde, gefallen ihm die kratzbürstige Tochter und der kleine Ort mit der leerstehenden Landarztpraxis zumindest ein kleines bisschen. Während der Arzt seine Abreise tageweise nach hinten verschiebt, gerät er von einem medizinischen oder privaten Abenteuer ins nächste.
Zu allem Übel gibt's in der Klinik der Stadt noch Dr. Florian Schmidtke (Maximilian Grill) - sein alter Lieblingsfeind aus Studienzeiten, mit dem sich Dr. Nice umgehend wieder in die Schlacht stürzt. Doch beim genauen Hinsehen wird klar, dass sich Dr. Nice für das Wohl seiner Patienten gegen jede Sturmflut stemmen würde. Und genau das macht ihn trotz dringend nötiger Generalüberholung seiner sozialen Kompetenzen irgendwie sympathisch.
Politisch unkorrekte Hauptfigur
Dennoch: Wenn er eine durch geschwollene Beine geplagte ältere Patientin mit den Worten "Ich hab keine Lust, Ihre Füße zu sehen" abbügelt, mag der Fernsehzuschauer staunen. Fernsehärzte sind doch sonst gern mit Brinkmann-Charme à la "Schwarzwaldklinik" ausgestattet. Den braucht Dr. Nice nicht, ebenso wenig wie political correctness. Ihm zuzusehen, macht auch so Spaß und ist erfrischend anders. Ex-Model Patrick Kalupa spielt den Mediziner überzeugend mit einer Mischung aus Arroganz und Hingabe, Ehrgeiz und Loyalität und lässt dabei immer wieder durchblicken, dass der Mann irgendwo gut versteckt doch so etwas wie ein Herz hat. Neben spannenden und tatsächlich noch innovativen medizinischen Fällen gibt es Geschichten aus dem Leben: Konkurrenz, Streit, familiäre Verantwortung und natürlich auch Liebe, all das vor traumhaft schöner Kulisse in Deutschlands hohem Norden.
"Am spannendsten finde ich Dr. Nices Entwicklungsprozess", sagte Patrick Kalupa zu Staffel eins, und ließ schon da erahnen, dass der Doktor die eine oder andere Wandlung erfahren wird. Genauso ist es gekommen. Aber natürlich hat er sich in den kommenden Staffeln nicht komplett verändert, denn ein Charakter wie der Starchirurg hat das Potenzial, mal eine wirklich neue Hauptfigur abzugeben. Und bei aller Selbstverliebtheit - der mitunter erstaunlich feinfühlige Doc von Welt ist da, wenn er gebraucht wird. Und auch bei den geschwollenen Füßen wird ihm schon was einfallen.
Die zweite Folge der ersten Staffel, "Alte Wunden", wird am kommenden Sonntagabend, 20. Juli, im ZDF wiederholt. Wann genau es mit den drei restlichen Filmen der aktuellen dritten Staffel weitergeht, ist nicht bekannt. Hauptdarsteller Patrick Kalupa und seine Kollegin Josefine Preuß kündigten sie auf den sozialen Medien aber für diesen Herbst an. Und das ist noch nicht alles: "Dr. Nice"-Fans müssen sich keine Sorgen um die Zukunft der Serie machen, denn Staffel vier befindet sich bereits in der Produktion.