26.05.2025 von SWYRL/Marko Schlichting
Über die vermeintlich mangelnde Bereitschaft der Deutschen zu arbeiten, wollte Caren Miosga mit ihren Gästen sprechen. Nachdem sich Carsten Linnemann (CDU) dazu hat überreden lassen, über das eigentliche Thema der Sendung zu reden, benennt er klar, welche Bevölkerungsgruppe zu wenig arbeiten würde: Die Rentner.
Carsten Linnemann wünscht sich eine Bundespräsidentin. In der Politik, meint der CDU-Generalsekretär, seien zu wenig Frauen aktiv, und das könne man auch am Koalitionsausschuss von CDU, CSU und SPD sehen. Dort wird über die Arbeit der schwarz-roten Koalition entschieden, und in dem Gremium sind fast nur Männer. Das einzige weibliche Mitglied sei die SPD-Co-Vorsitzende, im Moment noch Saskia Esken, demnächst vermutlich Bärbel Bas.
Zwar werde der Bundestag von einer Präsidentin geleitet und im Bundeskabinett gebe es auch einige Ministerinnen, sagt Linnemann am Sonntagabend bei "Caren Miosga" im Ersten. Doch jetzt wäre die Zeit für eine Bundespräsidentin gekommen. Die Moderatorin will natürlich sofort wissen, wen sich Linnemann für dieses Amt vorstellen kann. Der bleibt die Antwort schuldig, nimmt stattdessen sein Glas und trinkt einen Schluck Wasser.
Eigentlich geht es in der Sendung um etwas ganz anderes. Die Deutschen arbeiten zu wenig, zumindest laut Bundeskanzler Friedrich Merz - und laut Carsten Linnemann: Es gebe natürlich Millionen fleißige Menschen in Deutschland, "aber wenn die dann sehen, dass es Zehntausende gibt in Deutschland, die das Sozialsystem ausnutzen, dann haben die das Gefühl, dass es nicht gerecht zugeht". Linnemann möchte gerne über das Bürgergeld reden, Miosga aber nicht. Sie vertröstet den Politiker auf eine andere Sendung. Stattdessen möchte sie lieber über die ablehnende Haltung von Bundeskanzler Merz zur Vier-Tage-Woche bei vollem Lohnausgleich sprechen, also über etwas, das immer mehr Bürgerinnen und Bürger fordern. "Aber keine Gewerkschaft", berichtigt die IG-Metall-Vorsitzende Christine Benner.
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Akivrente soll Rentner zur Arbeit motivieren
Dennoch gibt es ein Problem in Deutschland, rechnet der Präsident des Kiel Instituts für Weltwirtschaft, Moritz Schularik, vor. Nehme man die Gesamtzahl der Erwerbstätigen, dann würden zum Beispiel die Menschen in Polen 30 Prozent mehr arbeiten als ihre deutschen Kollegen, sagt er. Aber Christine Benner rechnet vor: "Wir haben im Moment in Deutschland über eine Milliarde Überstunden, und davon die Hälfte unbezahlt. Daher ist es ein Hohn, zu unterstellen, dass die Menschen nicht bereit sind, mehr zu arbeiten." Im Moment gebe es wirtschaftliche Schwierigkeiten in den Unternehmen und deswegen vereinbare man gerade zwischen Arbeitgebern und Betriebsräten eine Senkung der Arbeitszeit. Anders könnten viele Unternehmen nicht überleben, da sie Auftragseinbrüche zu verzeichnen hätten.
"Wer arbeitet denn jetzt zu wenig?" will Miosga nach einer Weile konkret von Carsten Linnemann wissen. "Die Rentner zum Beispiel", entgegnet der. Darum wolle die Bundesregierung jetzt eine Aktivrente einführen und allen Rentnern möglichst ab dem 1. Januar 2026 die ersten 2.000 Euro im Monat steuerfrei stellen, wenn sie arbeiten würden. "Es muss niemand arbeiten", sagt Linnemann, "aber wir setzen diesen Anreiz. Ob die dann 40 Stunden arbeiten oder 20, das weiß ich nicht. Aber meine Prognose ist, dass Zehntausende, vielleicht sogar eine sechsstellige Zahl, in den nächsten vier Jahren länger arbeiten. Das ist unser Ziel."
"Wir lösen damit das Problem nicht", sagt IG-Metall-Chefin Benner. Viele Menschen, die körperlich arbeiten, würden dies schon vor dem Renteneintrittsalter nicht mehr schaffen. Aber: "Wir haben eine Menge Frauen, die in Teilzeit sind. Die würden gerne mehr arbeiten. Da hat die Bundesregierung an der falschen Stelle angesetzt."
Teilzeitarbeit: Starke Unterschiede zwischen Männern und Frauen
"Wir können ja beides machen", lenkt Linnemann sofort ein. Denn er weiß: Ganz Unrecht hat Christine Benner nicht. Tatsächlich arbeitet fast die Hälfte der erwerbstätigen Frauen in einem Teilzeitjob, bei den Männern sind es 11,7 Prozent. Noch dramatischer ist der Vergleich zwischen Müttern und Vätern: 68,4 Prozent der Mütter arbeiten Teilzeit, aber nur 8,4 Prozent der Väter.
Schularik erklärt: Andere Länder hätten eine bessere frühkindliche Betreuung als Deutschland, deswegen arbeiteten dort viele Frauen schon sechs Monate nach der Geburt eines Kindes wieder. Gleichzeitig sorge das nur in Deutschland existierende Ehegattensplitting dafür, dass schlechter verdienende Ehepartner oft so hohe Steuern bezahlten, dass sich für sie Arbeit gar nicht mehr lohnen würde. Das Ehegattensplitting, 1958 eingeführt, könnte man verändern. Die SPD wäre dafür. Linnemann spricht sich für ein "Familiensplitting" aus. So könnte man den Grundfreibetrag für Kinder und Erwachsene gleichstellen. "Ich möchte in einem Land leben, das Kinder unterstützt. Das machen wir viel zu wenig."
Darüber könne man in der Koalition nachdenken. Erst müsse aber der Koalitionsvertrag abgearbeitet werden. Linnemann: "Deswegen wollen wir eine Wochenarbeitszeit einführen, und wir wollen Flexibilität ohne Ausweitung der Arbeitszeit. Wir wollen Überstundenzuschläge steuerfrei stellen. Und wir wollen den Steuerfreibetrag für alle, die das gesetzliche Rentenalter erreicht haben. Das machen wir nicht, um Menschen zu bestrafen, nicht um sie zu diskreditieren, sondern damit sich Leistung in Deutschland wieder lohnt."