05.08.2025 von SWYRL/Paula Oferath
Das Drama "Alle die du bist" erzählt die Geschichte einer Frau, deren Augen man nicht trauen kann. Nadine (Aenne Schwarz) nimmt ihren Partner regelmäßig in Form anderer Gestalten wahr. Doch in welche der Erscheinungen, hat sie sich eigentlich einst verliebt?
Ein Mensch hat viele Facetten - eine eigentlich banale Erkenntnis, die der Film "Alle die du bist" auf verblüffende Weise neu interpretiert. Das romantische Sozialdrama von Regisseur Michael Fetter Nathansky wirft die Frage auf, wie fluide Identität tatsächlich sein kann. Der Film stammt aus dem Jahr 2024 und wurde im selben Jahr für den Panorama Publikumspreis der Berlinale nominiert. Im Mittelpunkt steht Nadine (Aenne Schwarz), deren Partner Paul (Carlo Ljubek, der ab 2026 als neuer "Tatort"-Kommissar in München zu sehen sein wird) in ihrem Blick immer wieder andere Gestalten annimmt. Mal erscheint er als Kind (Sammy Schrein), mal als Teenager (Youness Aabbaz), mal als alte Frau (Jule Nebel-Linnenbaum). Zu Beginn sogar als Bulle.
Was zunächst absurd wirkt, entpuppt sich als ebenso faszinierend wie irritierend. Besonders eindrucksvoll bleibt die anfängliche Szene im Gedächtnis, in der Nadine einen in Panik geratenen Bullen beruhigt. Ein Symbol, das selbst am Ende des Films noch einmal aufgegriffen wird. Ohne viel Firlefanz um Ton und Musik erkundet der Film die feinen Grenzen zwischen Wirklichkeit und Wahrnehmung. Ein Thema, das unweigerlich an philosophische Fragen erinnert, wie sie etwa Descartes stellte: In welchem Verhältnis stehen Körper und Geist?
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Realismus weicht einer surrealen Dimension
Die dritte Produktion der Reihe "Shooting Stars 2025 - Junges Kino im Zweiten" taucht erneut tief in das Innenleben einer Frau ein. Doch diesmal weicht der psychologische Realismus einer surrealen Dimension. Produziert wurde der Film von Virginia Martin, Wolfgang Cimera, Lucas Schmidt, Lasse Scharpen und dem Regisseur selbst
Nadine steckt in einer existenziellen Krise. Sie arbeitet als Fabrikarbeiterin in der Kohleindustrie und ist sowohl auf der Arbeit als auch privat überlastet. Ihr Alltag ist von Anspannung und Unzufriedenheit geprägt. Die dunklen Bilder, mit denen der durchaus fordernde Film arbeitet, verstärken die Darstellung ihrer inneren Konflikte. Ihre Beziehung zu Paul scheint einst Halt geboten zu haben. Doch welcher Paul ist eigentlich gemeint? Der kindliche, der greise?
In welchen Paul hat sich Nadine verliebt?
Der Film gibt keine einfachen Antworten. Warum sieht Nadine Paul in so vielen verschiedenen Gestalten? Liegt es an ihrer emotionalen Verfassung? Oder an seiner? Ist Identität etwas Statisches? Oder verändern wir uns je nach Blickwinkel des anderen? In welchen Paul hat sich Nadine überhaupt verliebt?
"Alle die du bist" spielt mit diesen Fragen, ohne sie aufzulösen. Die 108 Minuten regen zum Nachdenken an. Es geht um Liebe, Wahrnehmung und die Zerbrechlichkeit unseres Selbstbilds. Vielleicht macht genau das einen guten Film aus: dass man ihn nicht vollständig "versteht", sondern ihn weiterdenkt.
"Es ist dieses zarte Aufeinanderprallen"
Regisseur Michael Fetter Nathansky ist besonders von seiner Hauptdarstellerin angetan: "Aenne Schwarz ist eine einzigartige Schauspielerin, die sich auf unnachahmliche Art und Weise in jede Zelle dieser Figur hineingelebt und gefühlt hat. So ist der Film auch ein Dokument ihrer ebenso körperlich wie emotional elektrisierenden Schauspielleistung." Auch für die fragwürdige Symbolik des Bullen scheint der gebürtige Kölner eine Antwort zu haben: "Genau mit dieser unaufhaltsamen Wucht aus Zweifeln trifft sie auf einen von Carlo Ljubek gespielten Paul, dessen Glaube an die Liebe so unverrückbar ist wie der Körper eines Bullen. Es ist dieses zarte Aufeinanderprallen, was den Ton und die Marschrichtung für den gesamten Film gesetzt hat."