11.05.2025 von SWYRL/Eric Leimann
Im "Polizeiruf 110: Ein feiner Tag für den Bananenfisch" müssen Cris Blohm (Johanna Wokalek) und Dennis Eden (Stephan Zinner) den Mord an einem Münchner Passanten aufklären. Augenzeugen sind drei Dragqueens - die jedoch Angst vor einer Aussage haben. Können Blohm und Eden ihr Vertrauen gewinnen?
"Sagen wir jetzt er oder sie?", will jemand im Münchner "Polizeiruf 110: Ein feiner Tag für den Bananenfisch" wissen. Die Frage ist berechtigt, denn die einzigen Zeuginnen eines brutalen Mordes auf offener nächtlicher Straße sind drei Dragqueens. Nachdem sie spät in der Nacht ihren Revue-Club im Münchner Bahnhofsviertel abgeschlossen haben, treffen Peekabou (Meik van Severen), Tulip (Patrice Grießmeier) und Menora (Boži Kocevski) auf zwei junge Männer, die einen Älteren durch mehrere Schüsse töten. Danach legen sie dem Toten, wohl als Mahnung für andere, ein Fischernetz über den Leib. Die Ermittler Cris Blohm (Johanna Wokalek) und Dennis Eden (Stephan Zinner) haben schnell Clan-Kriminelle im Verdacht. Zwei dringend Tatverdächtige können bald identifiziert werden. Um sie zu verurteilen, benötigen die Ermittler jedoch eine Aussage der Augenzeuginnen.
Die Dragqueens zieren sich und haben Angst. Schließlich hat eine von ihnen direkt nach der Tat Besuch von den Gangstern bekommen. In ihrem Club, dem "Rainbow", treten die Dragqueens vor einem begeisterten Publikum auf. Draußen vor der Tür treffen die Außenseiterinnen der Gesellschaft jedoch auf viel Hass und Vorurteile ihrem Lebensmodell gegenüber.
Doch zurück zur Eingangsfrage: Mann oder Frau? - "Hah, Männer!", shoutet der eher konservativ denkende Ermittler Dennis Eden und fügt sloganhaft hinzu: "Wahrheit vor Woke!" Mit dem Drehbuch von Veteran Günter Schütter, der viel mit Regielegende Dominik Graf zusammenarbeitete, wird jedoch nicht nur Dennis Eden seine Klischeevorstellungen über "tuntiges Getue" und Dragqueens überdenken. Auch das TV-Publikum kann in diesem "Gesellschaftskrimi" seine Meinungen auf den Prüfstand stellen.
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Heterosexuelle Polizisten vs. Drag-Künstlerinnen
Während Blohm und Eden ihre Zeuginnen in einem ländlichen Safe House in Sicherheit bringen wollen, geht der Film mit diesem Quintett auf eine Entdeckungsreise. Nicht so sehr die Frage, wer und warum jemand das Opfer niederstreckte, steht über 90 Minuten im Mittelpunkt, sondern: Was sind Dragqueens hinter ihrem Bühnenfummel? Welche Biografien und Lebensdramen bringen sie mit? Welche Vor- und Fehlurteile schlagen ihnen aus der Gesellschaft entgegen.
Dabei muss man die ersten etwas lauen 35 Minuten des Sonntagsabend-Krimis von Regisseur Dror Zahavi ("Ein Hauch von Amerika") so ein bisschen aushalten. Da gibt es erst mal viel Klischee zu sehen, weil die Zeuginnen erst mal ihre Drag-Rollen spielen und man sich fast die Frage stellen mag: Schießt der Film seiner Mission, die Drag-Szene oder auch schwulen Glamour in deren Bedeutungskultur zu erklären, vielleicht selbst ins Knie?
Doch Vorsicht! Der Film ist cleverer und vor allem anrührender, als man anfangs denkt. Beim Trip aufs Land in ein Safe House kommen sich Ermittler und Zeuginnen näher. Sogar eine ausgelassene Party feiert man aus der Langeweile des Wartens heraus gemeinsam. Über klug geschriebene und berührend gespielte Begegnungen zwischen dem heterosexuellen Single-Polizisten und den Drag-Künstlerinnen wird der "Polizeiruf" richtig stark.
Womit man leben muss: Autor Günter Schütter ("Tatort: Frau Bu lacht") legt seinen Protagonistinnen Mono- und Dialoge in den Mund, über die man nachdenken muss. In denen viel Lebensreflexion steckt und manchmal auch so viel davon, dass man sich eher auf einer shakespeareschen Theaterbühne wähnt als in einem fernsehrealistischen deutschen Krimi. Auf der anderen Seite: Geht es hier nicht um Dragqueens, die sich eine dramatische Bühnenpersönlichkeit zulegen, um eben aus dieser Position heraus etwas übers Leben zu erzählen?
Johanna Wokalek auf der Drag-Bühne
Auch die wie immer blasse Hemden tragenden Zopf-Ermittlerin Cris Blohm, nach drei "Polizeiruf"-Folgen in ihrer spröden Erscheinung noch etwas rätselhaft, bekommt in einem Safe House-Dialog deutlich mehr Struktur. Hier kann Johanna Wokalek zeigen, was für eine herausragende Schauspielerin die mittlerweile 50-Jährige ist. Dass beim Münchner "Polizeiruf" nach der ersten Folge "Little Boxes" rund um Wokeness und Geschlechterkampf im universitären Betrieb schon wieder eine Folge ansteht, die komplexe Identitäts-Diskussionen anstößt, wird nicht jedem gefallen. Ein Meisterwerk ist "Polizeiruf 110: Ein feiner Tag für den Bananenfisch" auch beileibe nicht.
Gegenüber der sehr starken dritten Folge "Jenseits des Rechts" um einen toten Porno-Produzenten, übrigens unter der Regie von Dominik Graf entstanden, ist Fall vier von Blohm und Eden eindeutig schwächer. Trotzdem beweist der BR mal wieder den Mut, mit seinem "Polizeiruf" spannende Themen und Erzählwege zu beschreiten. In der letzten Szene darf sogar Cris Blohm auf die Bühne des "Rainbow" und im Fummel performen. So wird die Frau endlich mal ihre blassen Hemden los. Man scheint es fast in ihrem Gesicht abzulesen, wie sehr sie sich darüber freut.