Polizeiruf 110: Spiel gegen den Ball - So. 22.06. - ARD: 20.15 Uhr

Mord während der Heim-EM: Kicker-Krimi zeigt die harten Seiten des Fußballs

20.06.2025 von SWYRL/Maximilian Haase

Wichtig ist nicht nur aufm Platz: Im deutsch-polnischen "Polizeiruf 110: Spiel gegen den Ball" führt ein Mordfall während der Fußball-EM die Ermittler in die Untiefen eines Amateurvereins. Kurz vor der Sommerpause geht es kritisch und humorvoll um gekränkte Männeregos, Fußballweisheiten und überholte Tabus.

Um Fußball geht es im deutschen Krimi vergleichsweise selten. Vielleicht weil der Deutschen liebster Sport ohnehin TV-dauerpräsent ist, vermutlich auch, weil angesichts der vielzitierten 80 Millionen Bundestrainer zahlreiche Fettnäpfchen lauern. Kurzum: Wer einen Fußballkrimi dreht, muss wissen, wovon er spricht. Der aktuelle deutsch-polnische "Polizeiruf 110" geht dieses Wagnis ein - und nähert sich der schönsten Nebensache der Welt mit Spannung, Drama, Gesellschaftskritik und Augenzwinkern. Der Fall einer während des EM-Viertelfinals getöteten Gerüstbauchefin führt die Ermittler in "Spiel gegen den Ball" zu Fußballplätzen, -vereinen und -kneipen - aber auch mitten hinein ins Tabuthema Homosexualität und zu den harten Seiten des Sports.

Zunächst steht im letzten "Polizeiruf" vor der Sommerpause aber die Küstriner Gerüstbaufirma im Fokus, auf deren Gelände die Leiche von Geschäftsführerin Olivia Briegel auf einem LKW gefunden wird. "Wir haben eine deutsche Staatsbürgerin tot auf polnischem Boden. Das ist heikel", heißt es im abermals munter rotierenden Ermittlerteam von der Oder, dem diesmal wieder das ungleiche Duo Vincent Ross (André Kaczmarczyk) und Alexandra Luschke (Gisa Flake) vorsteht. So wenig die beiden zusammenpassen, so unterhaltsam ermitteln sie sich stichelnd durch den lange rätselhaften Fall. Hatte womöglich der LKW-Fahrer, auf dessen Laster die Tote lag, seine Finger im Spiel? Oder der Mitarbeiter, der auf den Posten der unbeliebten Chefin (Spitzname: Eiskönigin) schielte?

Fest steht nur: Der Fundort der Leiche war nicht der Tatort - und der Mord fand während des EM-Viertelfinals zwischen Spanien und Deutschland statt. Eine außergewöhnliche Entscheidung des Drehbuchteams um Michael Fetter Nathansky, Daniel Bickermann und Christian Werner, der auch Regie führte: Selten ist der Zeitraum der Handlung im Krimi so klar benannt. Wir befinden uns also im Juli 2024, kurz nach einer Partie, an die sich Millionen Fans noch bitter erinnern dürften (die Iberer gewannen am 5. Juli mit 2:1 nach Verlängerung). Die aber eben auch Gelegenheit für den perfekten Mord bot, während alle Welt vor dem Fernseher saß.

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Fußball als letzte Hoffnung

Fußball findet in dem langsam anschwellenden Krimi nicht nur als TV-Event, sondern vor allem als Amateursport statt. Umstritten war das Opfer nämlich auch als Präsidentin des angrenzenden Jugendfußballclubs, in dem ihr 13-Jähriger Sohn Marco kickt. Herausragend spielt Nachwuchsdarsteller Len Blankenberg den Teenager, der nach der Nachricht vom Tod seiner Mutter völlig in sich gekehrt wirkt. Dabei wollte er unter Jugendtrainer Hannes Kirchner (grandios: Hanno Koffler als idealtypischer Amateurfußballfachmann) doch eigentlich Profi werden - wie seine Kumpels um Kevin Jankowski (Franz Ferdinand Krause), viele "aus schwierigen Verhältnissen" und voller Sehnsucht nach Ausbruch aus der Provinz. Der einzige Weg raus führe ins Olympiastadion, heißt es - oder in den Knast: Fußball als letzte Hoffnung.

Gedreht unter anderem im Sportforum Hohenschönhausen, wo der Berliner Verein BFC Dynamo seine Heimat hat, folgt man den Spielszenen und immer deutlichereren Streitereien der ambitionierten Jungs hautnah. Fußball ist in diesem Krimi nicht nur Kulisse für einen Mord, sondern er findet tatsächlich statt. Wenn auch vor allem auf die harte Tour. Es wird geschimpft und getriezt und hingearbeitet auf ein Turnier, bei dem ein wichtiger Scout erwartet wird. Urspünglich hatte auch Lukas Podolski erscheinen sollen, doch die spätere Tote ließ das Ganze platzen - und feuerte obendrein den alten Trainer wegen Alkoholismus. Beides keine Mordmotive - oder etwa doch?

Viele gekränkte Männeregos

Gekränkte männliche Egos finden sich in diesem "Polizeiruf" allerorten - und damit auch jede Menge Tatverdächtige, die das Drehbuch etwas übereindeutig mit dem sichtlich angewiderten Fußball- und Patriarchatsverächter Ross kontrastiert. "Overkills" wie im Fall der brutalst Ermordeten würden meist begangen von Männern mit Minderwertigkeitskomplexen und angestauter Wut, klärt der Ermittler auf.

Im Gegensatz zu ihm befanden sich alle Verdächtigen zur Tatzeit praktischerweise angeblich beim Public Viewing - wobei dieses Alibi bei den meisten Befragten zur zweiten Halbzeit so wenig nachvollziehbar erscheint wie der nicht gegebene Handelfmeter für Deutschland. Wer entging dem sportlichen Drama vor dem Bildschirm, um ein kriminelles zu entfachen? War es Eifersucht, Neid, Gier, Rache? Oder spielte tatsächlich ein ungewolltes Outing eine Rolle? "Vorsicht", warnt der Jugendtrainer: "Oder kennen Sie in Deutschland einen aktiven Spieler, der offen damit umgeht?". Ohnehin sei dies in Polen "nochmal eine andere Nummer".

"Wer ist eigentlich Lukas Podolski?"

Bis Licht ins Dunkel kommt, erfährt man eine Menge über den schonungslosen Fußballalltag, über Amateurvereine und darüber, wie das Ermittlerteam dazu steht. Da bezeichnet die Kommissarin Fußball als "Kultur" - ihr Kollege entgegnet, das sei die Oper auch, nur müsse die in der Regel nicht "von Hundertschaften bewacht werden". Da fachsimpelt der Trainer von "Umschaltbewegung im Strafraum", während die Nachwuchstalente davon träumen, vom Scout entdeckt zu werden ("So einen rechten Fuß hab ich seit Błaszczykowski nicht mehr gesehen"). Da werden im Kommissariat Tippspiel-Weisheiten kredenzt ("Jedesmal gewinnt jemand, der sich nicht mit Fußball auskennt") und der Ermittler fragt provozierend: "Wer ist eigentlich Lukas Podolski?". Überhaupt fliegen prominente Namen von Spielern mit polnischen Wurzeln à la Lewandowski nur so durch den Film.

Zum Thema Fußball, so wird mal wieder klar, gibt es viel zu sagen und zu streiten. Nur egal scheint er auch jenen nicht zu sein, die das von sich behaupten. Im und ums Stadion bündeln sich gesellschaftliche Konflikte schließlich wie im Brennglas. "Es geht um Willen, um Einsatz, um Kooperation, ums Team", fasst Produzent Mario Krebs zusammen: "Wie im richtigen Leben." Wichtig ist eben nicht außschließlich aufm Platz. Und Fußball damit eigentlich ein Krimi-Thema par excellence, wie auch dieser "Polizeiruf" beweist.

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