Ideal - Ideal
Es ist - diesbezüglich sind sich fast alle Kritiker einig - eines der besten deutschen Alben aller Zeiten: "Ideal", das selbstbetitelte Debüt der Berliner Band, erscheint jetzt in einer neu abgemischten Neuauflage. Doch welche anderen Werke von deutschen Künstlerinnen und Künstlern, von deutschen Bands waren ebenfalls wegweisend? Die Galerie präsentiert unser subjektives Ranking der besten deutschen Alben aller Zeiten ...
© Warner25. Die Toten Hosen - Damenwahl
Mit ihrem dritten Album "Damenwahl" (1986) etablierten sich Die Toten Hosen als ernstzunehmende Stimme im deutschen Punkrock: Zwischen schwarzem Humor ("Freitag der 13."), beißender Gesellschaftskritik ("Schwarzwaldklinik") und Punk-Hymnen ("Wort zum Sonntag)" zeigt das Album eine Band, die weiß, was sie will - laut, direkt und unversöhnlich.
© JKP / Warner24. Kettcar - Du und wieviel von deinen Freunden
Gleich mit ihrem Debüt "Du und wieviel von deinen Freunden" (2002) klangen Kettcar wie keine andere deutsche Band: Weder verkopft noch platt in den Texten, weder wirklich Punk (wie Sänger Marcus Wiebuschs Ex-Band ...But Alive) noch wirklich Indie-Rock. Kettcar klangen nach Melancholie und Großstadtromantik, nach Hoffnung trotz Orientierungslosigkeit - und in Hits wie "Money Left To Burn" und "Landungsbrücken raus" nach all dem gleichzeitig.
© Grand Hotel van Cleef23. Wir sind Helden - Die Reklamation
Anfang der Nullerjahre feierte die deutsche Popmusik eine Renaissance - doch nur eine Band setzte sich ein "Denkmal": Mit ihrem Debüt "Die Reklamation" (2003) legten Wir sind Helden ein Album vor, das mit seinem NDW-Retro- und Indie-Pop-Sound zwar keine Revolution auslöste. Doch eingängigere und zeitlos-kluge Songs ("Guten Tag", "Müssen nur wollen") als Sängerin Judith Holofernes und ihre Mannen konnte niemand ihrer Zeitgenossen vorweisen.
© Vertigo22. Die Fantastischen Vier - Lauschgift
In den 1990-ern wurde auf einmal Rap mit deutschen Texten groß - und kaum jemand hatte daran so großen Anteil wie Die Fantastischen Vier. "Lauschgift" (1995) mit den Hits "Sie ist weg", "Populär" und "Was geht" war ihr großes Statement, auch wenn sie manchem Hip-Hop-Fan viel zu harmlos waren. Rap der Marke Fanta 4 war eher was für Gymnasiasten mit einem Faible für Wortspiele - das beherrschten sie aber unfassbar gut.
© Columbia Records / Sony Music21. Herbert Grönemeyer - 4630 Bochum
Pop, der weder banal noch elitär ist - sondern einfach echt: "4630 Bochum" (1984) machte Herbert Grönemeyer zum größten deutschen Popstar: "Männer", "Flugzeuge im Bauch", "Mambo" und natürlich der Titeltrack "Bochum", die große Hymne für die "Perle im Revier": ein Wahnsinnsalbum und bis heute eines der bestverkauften von Herbert Grönemeyer (nur "Mensch" von 2002 war noch erfolgreicher).
© Before Grönland/Universal20. Die Sterne - Posen
Funk trifft Diskurs: "Posen" (1996) ist das wohl tanzbarste Manifest der Hamburger Schule. Und auch wenn hier mit "Was hat dich bloß so ruiniert" der größte Hit von Frank Spilker und Co. zu finden ist, das wichtigere Statement ist der Opener: "Scheiß auf deutsche Texte" macht von Anfang an klar, dass für Die Sterne Sprache kein Selbstzweck war, sondern ein Mittel, um die bestehenden Verhältnisse zu hinterfragen.
© Epic / Sony19. Peter Maffay - Revanche
Natürlich hatte er es schon mit dem Vorgänger "Steppenwolf" (allein der Titel!) versucht: Mit "Revanche" (1980) schaffte Maffay aber endgültig den Wandel vom Schlagerbarden zum Deutschrocker, der ernst genommen werden will. Dass gerade auf diesem Album auch die sentimentale Karat-Hymne "Über sieben Brücken musst du gehen" zu finden war, ist wohl Ironie des Schicksals. Denn "Revanche" war ein Befreiungsschlag - für Maffay und für den deutschsprachigen Mainstream-Rock.
© Metronome18. Die Ärzte - Die Bestie in Menschengestalt
Nach längerer Pause kehrten Die Ärzte mit neuem Bassist und einem Knall zurück: "Die Bestie in Menschengestalt" (1993) zeigte Farin Urlaub und Bela B. gereifter, mit "Schrei nach Liebe" lieferten sie klare Kante gegen Rechts. Ihren typischen Humor verloren sie dabei aber niemals: Auf jedes ernstgemeinte (Liebes-)Lied ("Mach die Augen zu") kommt mindestens auch ein politisch unkorrekter Song ("Quark").
© Metronome17. Nina Hagen Band - Nina Hagen Band
Nina Hagen war schon immer eine Naturgewalt - exzentrisch, politisch, stimmgewaltig. Ihr selbstbetiteltes Debüt (1978) mit der Nina Hagen Band verband Punk-Attitüde mit Opernpathos, Rock mit Theater. Songs wie "TV-Glotzer" oder "Auf'm Bahnhof Zoo" machten sie zur Ikone und Vorreiterin: Hagen ebnete den Weg für alle nach ihr kommenden Pop- und Rockfrontfrauen von Annette Humpe über Nena bis Mieze Katz und Jennifer Weist.
© Sony16. The Notwist - Neon Golden
Für das renommierte US-Musikmagazin Pitchfork gehört "Neon Golden" (2002) zu den besten Alben der Nullerjahre. Zu Recht: Denn kaum eine Band verstand es, Art-Rock so kunstvoll mit elektronischen Strukturen zu verweben. Dabei ist das Album keinesfalls "nur" aufgrund seines Indietronic-Sounds ein Klassiker: Melancholische und leicht düstere Songs wie "Pilot" und "Trashing Days" machen das Album zu einem der feinfühligsten Werke der deutschen Popgeschichte.
© City Slang15. Peter Fox - Stadtaffe
"Ich bin die Abrissbirne für die deutsche Szene" - Klar spuckte Seeed-Frontmann Peter Fox auf "Stadtaffe" (2008) große Töne. Und er konnte es sich erlauben - im selbstbewussten Wissen um den einzigartigen Sound, den er mit seinem Solo-Debüt kreierte: Organische Drumbeats, echte Filmorchester-Streicher, Bläser-Swing und Rock'n'Roll-Samples - zu dieser ungehörten Mixtur urbanen Pops fiel sogar dem selbstverliebten US-HipHop-Star Kanye West nur ein Satz ein: "This shit is dope!"
© Warner Music14. Tocotronic - Digital ist besser (1995)
Es ist einfach Rockmusik - aber eben ohne eklige Rockmusikgesten: Mit ihrem Debütalbum "Digital ist besser" (1995) zeigten Tocotronic, wie man die eigenen Unzulänglichkeiten und Unsicherheiten ungefiltert in Punk- und Noise-Rock packen kann, ohne dabei peinlich zu wirken. Und auch wenn Sänger Dirk von Lowtzow und Co. dabei wie (zu) ernsthafte junge Männer wirkten: Tocotronic bewiesen auch immer wieder Humor und (Selbst-)Ironie ("Gitarrenhändler, ihr seid Schweine!").
© Buback / Rock-O-Tronic Records13. Absolute Beginner - Bambule
"Dies ist kein Liebeslied" - und doch ist "Bambule" eine Liebeserklärung: an Hamburg, an Beats, an Sprache. Die Beginner schafften 1998, was bis dahin kaum jemand für möglich hielt - sie machten deutschen Rap groß, ohne sich anzubiedern. Eißfeldt, Denyo und DJ Mad begeistern mit intelligenten Reimen, lässigem Flow und Samples mit Soul: "Bambule" ist "hammerharte" Straßenpoesie mit Stil und Haltung.
© Universal Music12. Can - Tago Mago
Ein psychedelisches Klangexperiment, das bis heute fasziniert und nicht nur in Deutschland nachwirkt: Can erschufen auf "Tago Mago" (1972) ein Universum aus freiem Jazz, krautiger Repetition und avantgardistischem Wagemut. Der japanische Sänger Damo Suzuki und die Virtuosität der Band um Bassist Holger Czukay und Keyboarder Irmin Schmidt machten diese Doppel-LP zum Meilenstein des Krautrock.
© Spoon Records11. Udo Lindenberg & das Panik-Orchester - Alles klar auf der Andrea Doria
Mit "Alles klar auf der Andrea Doria" (1973) holte Udo Lindenberg den Rock endgültig in die deutsche Sprache: Zwischen frecher Lyrik, politischer Haltung und lässigem Sprechgesang entstand ein unverwechselbarer Stil. Songs wie "Cello", "Mädchen aus Ostberlin" oder der Titelsong machten Lindenberg zur Stimme eines neuen, selbstbewussten Pop-Deutschlands.
© Warner10. Nena - Nena
Deutschland, 1983: Eine aufregende junge Band mit einer noch aufregenderen Sängerin lässt "99 Luftballons" aufsteigen und die gehen um die Welt. Das selbstbetitelte Debüt von Nena war der internationale Durchbruch für deutschsprachige Popmusik der 80er. Mit jugendlichem Charme, elektronischen Sounds und eingängigen Melodien traf die Band einen Nerv, "Nur geträumt" und "Leuchtturm" wurden neben dem Überhit "99 Luftballons" zu Klassikern.
© BMG Rights Management9. Reinhard Mey - Mein achtel Lorbeerblatt
Natürlich war Franz Josef Degenhardt ("Spiel nicht mit den Schmuddelkindern") wohl der erste (politische) Liedermacher, der den Namen verdient, Reinhard Mey jedoch erreichte mehr (Menschen): Nicht nur, aber vor allem auf "Mein achtel Lorbeerblatt" (1972) zeigte der gebürtige Berliner, wie eingängig Lieder sein können, ohne Schlager zu sein ("Gute Nacht, Freunde"), wie gesellschaftskritische ("Die heiße Schlacht am kalten Büffet") einträchtig neben humorvollen Betrachtungen ("Alles was ich habe") stehen können.
© Intercord8. Blumfeld - L'etat et moi
"Wir sind politisch und sexuell andersdenkend": Wie ihre Hamburger-Schule-Kollegen Tocotronic und Die Sterne stemmen sich Blumfeld mit "L'etat et moi" (1994) gegen Männlichkeitsbilder und Mackertum. Sänger Jochen Distelmeyer erschafft darauf eine ganz eigene Sprache, in der Zitate und Wortfetzen herumfliegen, in der politische Schärfe ("Jet Set") auf emotionale Tiefe ("You Make Me") trifft. So klug, so wütend, so sperrig-schön war deutscher Rock nie.
© Zickzack7. Element Of Crime - Weißes Papier
"Lieber so rein und so dumm sein wie weißes Papier": Einerseits ist es natürlich Sven Regeners Poesie zwischen Melancholie und Lakonie, die "Weißes Papier" (1993) so einzigartig machen. Doch auch musikalisch sucht das Album hierzulande seinesgleichen: Wehmütige Chansonsounds treffen auf düstere Rockgitarren, bei aller Sehnsucht und Schwermut versperrt sich der ewige Grummler Regener aber nie der Schönheit des Lebens - und bläst im Zweifelsfall mit der Trompete alle Sorgen fort.
© Polydor6. Ton Steine Scherben - Keine Macht für Niemand
Der Titeltrack wurde zur Parole einer ganzen Bewegung: Politischer als auf "Keine Macht für Niemand" (1972) war Rock in Deutschland zuvor nie gewesen - und auch danach nur ganz selten. Rio Reiser und seine Band lieferten ein wütendes, kluges und hochemotionales Manifest der linken Gegenkultur. Zwischen Garagen-Rock und poetischer Wut entwickelte sich ein Soundtrack nicht nur für Hausbesetzer und Utopisten, sondern für alle, die sich als (gesellschaftliche) Außenseiter fühlen.
© David Volksmund5. Ideal - Ideal
"Deine blauen Augen machen mich so sentimental": Mit der kühlen Stimme und präzisen Lyrik von Sängerin Annette Humpe definierten Ideal den Sound der Neuen Deutschen Welle jenseits des Mainstreams. Ihr Debütalbum "Ideal" (1980), das nun in einer Neuauflage erscheint, vereint Punk-Energie mit Pop-Sensibilität, unterkühlt und dabei emotional direkt. Songs wie "Blaue Augen" oder "Eiszeit" zeigen, wie Musik gleichzeitig minimalistisch und mitreißend sein kann.
© Warner4. Neu! - Neu!
Ein durchgehender pulsierender Rhythmus, der sich zehn Minuten oder länger entweder wenig oder gar nicht ändert: Das gleichnamige Debüt (1972) von NEU! ist ein hypnotisches Meisterwerk und gilt als Blaupause des sogenannten "Motorik"-Sounds. Reduziert, repetitiv, aber niemals langweilig: Michael Rother und Klaus Dinger schufen mit einfachen Mitteln einen neuen Sound, der bis heute Indie-, Postrock- und Electronica-Bands weltweit inspiriert - von Sonic Youth bis LCD Soundsystem.
© Grönland3. Trio - Trio
"Da da da" - mehr braucht es manchmal nicht, um Popgeschichte zu schreiben. Trio feiern auf ihrem Debütalbum die Reduktion: keine Effekte, nur Rhythmus, Stimme, einfache Keyboard- und Gitarrenmelodien. Der Verzicht liegt dabei aber nicht in fehlendem Können begründet, hinter "Trio" steckt kluge Konzeptkunst: Das Album ist eine ironische Kampfansage an die überproduzierte Popwelt der 80er-Jahre. Radikal simpel - und genau deshalb so wegweisend.
© Universal2. Fehlfarben - Monarchie und Alltag
"Es geht voran" - aber nicht so, wie es die Mehrheit gern hätte. "Monarchie und Alltag" (1980) von den Fehlfarben ist das wütende, desillusionierte Herz der frühen 80er. Peter Hein singt vom "Grauschleier" über der Stadt, von "Apokalypse" und "Angst", zu nervösen Post-Punk-Gitarren präsentiert er Beobachtungen, die ein Schlag in die Magengrube der Wohlstandsgesellschaft sind. Hier gibt es keine Hymnen, keinen Trost - nur schonungslose Klarheit.
© Vertigo1. Kraftwerk - Die Mensch-Maschine
Mit "Autobahn" hatten sie 1974 bereits einen Charthit gelandet, mit "Die Mensch-Maschine" (1978) feierten Kraftwerk aber ihren größten Popmoment und setzten den Maßstab für elektronische Musik. Die perfekte Verbindung aus Technik und Kunst, Klang und Konzept macht das Album bis heute relevant, Titel wie "Die Roboter" oder "Das Model" sind so zeitlos wie sie einst visionär waren. Ohne dieses Werk gäbe es Techno, Elektro- und Synthie-Pop wohl nicht in der heutigen Form.
© Kling Klang