02.05.2025 von SWYRL/Wilfried Geldner
Seit Richard von Weizsäckers Rede von 1985 zum Kriegsende am 08. Mai 1945 ist über die Deutschen und den "Tag der Befreiung" wohl alles gesagt. ARTE hält die Erinnerung zum 80. Jahrestag nun mit der Sicht auf die Konferenz von Jalta (1945) und den Kampf um eine neue Nachkriegsordnung aufrecht.
Der Abstand wird größer, die Sicht auf den Zweiten Weltkrieg verkommt insbesondere bei Jubiläumsdaten leicht zur Pflichtübung. ARTE bietet mit einem Themenabend, in dessen Mittelpunkt die Konferenz von Jalta und der gar nicht so leichte Weg dorthin stehen, eine neue Sicht. Wie Churchill, Roosevelt und Stalin um jeden Zentimeter kämpften, wie sie zockten und sich gegenseitig mit ihren Großmachtambitionen über den Tisch zogen und schließlich zu fragwürdigen Kompromissen kamen, zeigt die Doku von Cédric Tourbe (ARTE France). Es gab viel Wodka, Rauch und manche Witzelei - zuerst in Teheran, dann in Jalta und schließlich in Potsdam, wo die neue Aufteilung Europas erst besiegelt wurde.
Ergänzt wird der ARTE-Themenabend durch die Perspektive von unten: "Tagebücher der Befreiung. Wie Frauen das Kriegsende 1945 erlebten" (von Matteo Parisini, 22.05 Uhr) schildert - leider ohne filmische Originalaufnahmen -, wie drei Frauen in Berlin, Rom und Paris, teils Widerstandskämpferinnen, teils Opfer, das Geschehen erlebten. Diesmal nicht durch andere Zeitzeugen oder Diplomaten wie im Jalta-Film, bestätigt. Noch lange nach Kriegsende wurde der Widerstand der Frauen in Rom und Paris nicht anerkannt.
Das Magazin "Tracks East" beschließt den Abend um 23.50 mit der Sicht auf das Kulturleben in den heutigen postkommunistischen Staaten. Der Beitrag zeigt, wie Putin den "großen vaterländischen Krieg" und selbst Jalta für seine Zwecke instrumentalisiert.
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Roosevelt unterzeichnete mit einem Haken
Die etwas lang geratene Geschichtsstunde "Der Weg nach Jalta" zeigt vor allem mithilfe der Aufzeichnungen hoher britischer und amerikanischer Diplomaten, wie schwer es den alliierten Staats- und Regierungschefs fiel, in Zweiertreffen und Konferenzen einander näherzukommen. Die Allianz gegen Hitler war keineswegs selbstverständlich. So weigerte sich der 1940 vor Wahlen stehende amerikanische Präsident Franklin D. Roosevelt lange, in den Krieg einzutreten und Churchills Flehen um eine Allianz zu erhören. Stalin wiederum pochte seit dem Überfall auf die Sowjetunion auf die Eröffnung einer neuen Front im Westen durch die Amerikaner. Andererseits warnte Churchill später immer wieder vor einer verfrühten Invasion in der Normandie und wollte sie in den Süden verlagern - in Ägypten wurde schon mal geprobt. Bei der Konferenz von Jalta (04. bis 11. Februar 1945) war Europa längst aufgeteilt, die Rote Armee stand vor Berlin. Stalin schob Roosevelt einen Zettel hin, auf dem die Auftelung der besetzten Länder in Prozentzahlen stand. Roosevelt unterzeichnete mit einem Haken.
Die Aufteilung Deutschlands, die Verschiebung der Westgrenze Polens und die darauf folgenden Fluchtbewegungen blieben der nachfolgenden Konferenz von Potsdam vorbehalten. So steht Jalta vor allem für die Begründung der von Roosevelt angeregten Vereinten Nationen als Friedensorganisation. Aber auch hier setzte Stalin seine Vorstellungen mit Sitz und Veto im Sicherheitsrat durch. Ein Veto, unter dem die Welt auch nach 80 Jahren zu leiden hat.
Der sehenswerte Film zeigt auch: Bei 13-Gänge-Menüs, viel Wodka und Raucherei wurde die Welt von drei unterschiedlichen Temperamenten aufgeteilt. Dabei scheint der Krieg mit seinen 60 Millionen Opfern im Badeort Jalta in weite Ferne gerückt. Churchill, der 1940 Prime Minister wurde und anfänglich als Kriegstreiber galt, scheute sich nicht, bei Roosevelt früh um Waffen zu betteln. Am Ende zeigt der korpulente Mann, der sich von Kind an für unbesiegbar hielt, das Victory-Zeichen. Sein berühmter Spruch: "We will never surrender" hatte sich erfüllt. Aber die Welt war jetzt in zwei Hälften unter der Führung Amerikas und der Sowjetunion aufgeteilt.