Radiohead "Kid A"
Vor 25 Jahren, am 29. September 2000, erschien "Kid A" von Radiohead, das damals mit seiner Verbindung aus Elektronik und Rockmusik als zukunftsweisend gefeiert wurde. Aber auch rückblickend wirkt der Meilenstein - natürlich auch aufgrund seines Veröffentlichungsdatums - immer noch wie der Beginn einer neuen musikalischen Epoche: Die Galerie zeigt, welche 25 Alben neben "Kid A" zu den wichtigsten des 21. Jahrhunderts zählen ...
© XL RecordingsPlatz 25: The xx "xx"
Cool oder unterkühlt? Mit kargen Beats, schwebenden Gitarrensounds und den flüsternden Stimmen von Romy Madley Croft und Oliver Sim schufen The xx auf ihrem Debüt "xx" (2009) einen einzigartigen Sound, der unzählige Indie- und Pop-Produktionen der folgenden Jahre beeinflusste. Was aber noch mehr als ihre Coolness beeindruckte: Die damals blutjunge Band hatte mit "Islands" und "Crystalized" auch großartige Songs, die zu zeitlosen Klassikern wurden.
© Young Turks / XLPlatz 24: Fiona Apple
Das Album zur (Corona-)Krise: In der ihrer selbstgewählten Isolation verwandelte Fiona Apple ihr Haus - bereits vor der Pandemie - mit Stampfen, Klappern und klirrenden Alltagsgeräuschen in ein Instrument. Mit "Fetch The Bolt Cutters" (2020) schuf sie ein beklemmendes Songwriter-Album, das sich zwischen Poetik, Spirituals und experimenteller Percussion bewegt. Apple erhebt darin ihre Stimme gegen Unterdrückung und Schweigen und fängt die rohe Wut in purer Form ein.
© Sony MusicPlatz 23: Arctic Monkeys "Whatever People Say I Am, That's What I'm Not"
Inzwischen sind die Arctic Monkeys fast schon unantastbare Elder Statesmen. Rückblickend ist es kaum zu glauben, wie das Quartett aus Sheffield mit "Whatever People Say I Am, That's What I'm Not" (2006) die (britische) Rockszene aufmischte. Mit rauen Riffs, jugendlicher Direktheit und Texten voller Übermut klangen Sänger Alex Turner und seine Kumpels frech, laut und erstaunlich poetisch zugleich. Aber schon damals merkte man: Die Arctic Monkeys schreiben Songs, die unerhört jung klingen - die aber enorme Substanz besitzen. Platz 22: Daft Punk "Random Access Memories"
"Random Access Memories" lebte natürlich auch von seiner (Vor-)Geschichte. Von einer selten zuvor dagewesenen Marketingkampagne, in der Daft Punk monatelang das Internet überfluteten. Von der Vorabsingle "Get Lucky", diesem grandiosen 70er-Disco-Ohrwurm. Von den angekündigten Gästen wie Pharrell Williams, Giorgio Moroder und Strokes-Mann Julian Casablancas. Und auch wenn nicht alle Ideen zündeten: Mit ihrer Rückbesinnung auf analoge Aufnahmetechniken hauchten Daft Punk der oft seelenlosen elektronischen Tanzmusik neues Leben ein.
© SonyPlatz 21: Charli XCX "Brat"
Eskapismus-Pop - perfekt für Krisenzeiten: Alles, selbst US-Präsidentschaftskandidatin Kamala Harris war 2024 "Brat": Mit ihrem sechsten Studioalbum schaffte es Charli XCX für einige Monate, den Pop-Diskurs völlig zu dominieren. "Brat" feierte in radikal kurz und kompromisslos produzierten Tracks einen wilden Party-Lifestyle. Auch oder gerade weil die Britin Bezug auf 90er-Rave und 2000er-Electroclash-Sounds nahm: "Brat" ist das gegenwärtigste Pop-Album der 2020er-Jahre.
© WarnerPlatz 20: Wilco "Yankee Hotel Foxtrot"
Ein Album, das fast nicht erschienen wäre: Das Label wollte es nicht veröffentlichen, zu experimentell sei es. Was vollkommen übertrieben war: Die Songs blieben eingängig wie zuvor, Wilcos Mix aus Tradition und Innovation, aus Americana, Elektronik und Indie-Rock machte "Yankee Hotel Foxtrot" (2002) aber zugegebenermaßen einzigartig. Und nicht nur ihr musikalischer Ansatz, auch die Kompromisslosigkeit, mit dem die Band um Songwriter Jeff Tweedy ihr Werk verteidigte, macht das Album zu einem der einflussreichsten Alben der Nuller-Jahre.
© Nonesuch / WarnerPlatz 19: Drake "Take Care"
80 Minuten Spieldauer, eine proppevolle Gästeliste von Rihanna bis Stevie Wonder, einige selbstbeweihräuchernde Texte und R'n'B-Songs mit Autotune-Stimmeffekt: Auf den ersten Blick schien sich Drakes zweites Album nicht von anderen Materialschlachten zu unterscheiden. Doch der Kanadier zeigte ein seltenes Talent: Er nahm sich auf "Take Care" Zeit. Er zauderte, zweifelte, fand zwischen minimalistischer Electronica und entspannten Downbeats, anschmiegsamem R'n'B und trockenen Drum-Beats seine ganz eigene Vision von Mainstream-HipHop.
© UniversalPlatz 18: Billie Eilish "When We All Fall Asleep Where Do We Go"
"When We All Fall Asleep Where Do We Go" ist eines der erstaunlichsten Debüts aller Zeiten: Mit gerade einmal 17 Jahren entwarf Billie Eilish eine Pop-Welt, die so düster und verstörend klingt wie kaum etwas zuvor im Mainstream. Flüsternder Gesang, zerschnittene Vocals, dröhnende Bässe und morbide Texte schaffen ein Album zwischen Albtraumästhetik und verletzlicher Intimität. Gemeinsam mit Bruder Finneas formte sie eine Klangsprache, die gängige Pop-Regeln auf den Kopf stellte - und schuf eine neue Ästhetik zwischen Bedroom-Pop und Mainstream.
© Universal MusicPlatz 17: Lana Del Rey "Norman Fucking Rockwell!"
Von wegen aufgesetzt und unnahbar: Mit "Norman Fucking Rockwell!" (2019) löste sich Lana Del Rey endgültig von der entrückten Kunstfigur, mit der sie die Popwelt 2012 kennengelernt hatte. Produzent Jack Antonoff kleidete ihre Songs in reduzierten Soft-Rock, der ihre Stimme verletzlicher als je zuvor wirken ließ. Statt bloßer Retro-Ästhetik offenbarte sie nun persönliche Fragilität und poetische Direktheit. "Norman Fucking Rockwell!" ist ein Songwriterinnen-Album - von einer der besten ihrer Zunft.
© Universal MusicPlatz 16: Lady Gaga "The Fame Monster"
Exzentrisch, laut und voller Hits: Lady Gaga festigte mit "The Fame Monster" (2009) ihren Anspruch, die legitime Nachfolgerin der damals schon schwächelnden Madonna als Pop-Königin zu werden. Songs wie "Bad Romance", "Alejandro" oder "Telephone" sind nicht nur Ohrwürmer, sondern auch popkulturelle Statements. Gaga inszenierte sich als Gesamtkunstwerk aus Musik, Mode und Performance - und prägte das Popverständnis einer ganzen Generation.
© UniversalPlatz 15: Eminem - The Marshall Mathers LP
Ein Album, das den bürgerlichen Namen des Künstlers trägt, soll natürlich ein persönliches Statement sein. Und auf sein Alter Ego "Slim Shady" verzichtete Eminem auf der "The Marshall Mathers LP" (2000) und brachte stattdessen die "eigenen", oft wütenden und provokanten Gedanken zu Papier. Und Eminem bewies emotionale Tiefe, egal ob er den Abstieg eines verrückten Fans beschrieb ("Stan") oder sich über den Wahnsinn des Ruhms ausließ ("The Way I Am"). Dass er technisch zu den besten Rappern zählte, musste er hier ohnehin schon nicht mehr beweisen.
© Interscope (Universal Music)Platz 14: Beyoncé - Lemonade
Mit "Lemonade" (2016) schuf Beyoncé mehr als ein Album: ein feministisches Manifest und ein audiovisuelles Kunstwerk. Zwischen R&B, Rock, Country und Rap erzählt sie von Schmerz, Wut und Selbstermächtigung schwarzer Frauen. Politische Referenzen, persönliche Geständnisse und musikalische Vielfalt verschmelzen zu einer radikalen Positionierung - und zu einem der prägendsten Werke des Jahrzehnts.
© ColumbiaPlatz 13: Taylor Swift "1989"
Wer Taylor Swift als Songwriterin schätzt, die ihre (Beziehungs-)Dramen in mal offenherzigen, mal andeutungsreichen Liedern verdichtet, wird womöglich lieber zu "Folklore" (2020) greifen. Für alle anderen bleibt nach wie vor "1989" das Maß aller Dinge: Gemeinsam mit Pop-Experten wie Max Martin und Ryan Tedder verabschiedete sich Swift endgültig vom Country. Dank glitzernder Synthies und einer makellosen Produktion wurden "Shake It Off" oder "Blank Space" zu Welthits und Swift zur globalen Pop-Ikone.
© UniversalPlatz 12: Arcade Fire "Funeral"
Arcade Fire spielen auf "Funeral" (2004), als ginge es um Leben und Tod - und genau davon handelte die Platte auch. Der Tod von Angehörigen der Bandmitglieder prägte das Debütalbum der kanadischen Indie-Rock-Band. Die Songs sind voller schrecklicher, elektrisierender Trauer - und dennoch sprüht "Funeral" vor Euphorie, nicht selten verwandeln sich melancholische Songs in erlösende Hymnen.
© SonyPlatz 11: Jay-Z - The Blueprint
Einen schlechteren Zeitpunkt zur Veröffentlichung eines Klassikers kann es wohl nicht geben: Am 11. September 2001 stand Jay-Zs "The Blueprint" in den Läden. Trotzdem setzte das Album neue Maßstäbe für HipHop Anfang der 2000-er. Unter anderem liegt das an der fantastischen Beat-Auswahl und einem überragenden Jay-Z auf Konfrontationskurs - unter anderem werden Nas und Prodigy gedisst.
© Def Jam (Universal Music)Platz 10: Adele "21"
Adele schaffte mit "21" ein doppeltes Kunststück: Gemeinsam mit den Produzenten Greg Kurstin, Ryan Tedder und Rick Rubin schuf sie einen kraftvollen Sound, der an 60er-Soul und Jazz geschult war und dennoch frisch und modern klang. Noch mehr aber schaffte sie es mit ihrer mächtigen Stimme, Millionen Hörer weltweit mitten ins Herz zu treffen. "Rolling In The Deep", "Set Fire To The Rain" und "Someone Like You" wurden Welthits, das Album eines der meistverkauften des 21. Jahrhunderts.
© XL Recordings / BeggarsPlatz 9: Outkast "Stankonia"
Klar, "Speakerboxxx/The Love Below" (2003) hatte die noch größeren Hits ("Hey Ya!", "Roses"), zur Perfektion hatten OutKast ihren Mix Funk, Psychedelic, Rap und Pop aber bereits auf "Stankonia" gebracht. Zu Beginn des Jahrtausends kam das Album einem Befreiungsschlag für das Genre gleich: So kreativ, verspielt und gleichzeitig massentauglich wie Big Boi und André 3000 auf ihrem vierten Album klang HipHop danach nur noch ganz selten.
© Arista / BMGPlatz 8: The White Stripes "Elephant"
Minimalismus als Programm: Aufgenommen mit Mini-Budget klingt "Elephant" wie ein Streifzug durch 50 Jahre Rockgeschichte. Zwischen schepperndem Blues, Soul und Garage-Rock glänzt dabei Jack Whites Songwriting mehr als je zuvor: von der Welthymne "Seven Nation Army" bis zu intimen Momenten wie "I Want To Be The Boy". Entscheidend war jedoch, dass "Elephant" als Blaupause zeigte, dass Rockmusik auch in digitalen Zeiten authentisch wirken kann.
© XL RecordingsPlatz 7: Frank Ocean "Channel Orange"
Vielen Kritikern gilt sein bislang letztes Album "Blonde" (2016) als sein absolutes, weil Konventionen sprengendes Meisterwerk. Aber: So zugänglich wie auf "Channel Orange" (2012), das die emotionale Tiefe klassischen Souls verinnerlichte, seinen minimalistischen Funk niemals in simple Dancefloor-Beschallung übersetzte und allgemeingültigen Ent- und Befremdungen handelte, waren die Songs von Frank Ocean nie wieder. Mit diesem Album war klar: Er könnte der nächste Stevie Wonder, der nächste Prince sein. Wenn er nur (wieder) wollte.
© UniversalPlatz 6: David Bowie "Blackstar"
Er wusste, was kommen wurde: Nur zwei Tage vor seinem Tod veröffentlicht, wurde "Blackstar" (2016) zu Bowies Vermächtnis. Und was für eines: Mit sieben Songs zwischen Jazz, Art-Rock und Elektronik wagte er noch einmal kühne Experimente, die an seine besten Alben aus den 70er-Jahren erinnerten. Doch bei aller Fremdheit trägt seine Stimme die Musik: Sie klingt klar, berührend und - im Wissen, dass er sich seines bevorstehenden Todes bewusst war - nach einem versöhnlichen Abschied.
© SonyPlatz 5: Kendrick Lamar "To Pimp A Butterfly"
Kendrick Lamars drittes Album "To Pimp a Butterfly" (2015) konnte kommerziell nicht an den Vorgänger "Good Kid, M.A.A.D City" (2012) heranreichen, künstlerisch stellte es aber einen großen Schritt nach vorne dar: Musikalisch verbindet es Jazz, Funk, Spoken Word und Rap auf ungeahnte Weise, für seine sozialkritischen Texte, die unter anderem Rassismus, Polizeigewalt und Depressionen behandeln, wurde der Kalifornier als Straßen-Poet gefeiert.
© Interscope (Universal Music)Platz 4: Amy Winehouse "Back To Black"
Ohne Amy Winehouse keine Adele, keine Duffy, keine Lana Del Rey: Die Britin war es, die Mitte der Nuller-Jahre mit ihrer rauen Stimme und einem Retro-Sound den Soul der 60-er zurück in die Gegenwart brachte. "Back to Black" (2006) erzählt von gescheiterten Beziehungen, Abhängigkeit und Verzweiflung, ohne in Kitsch zu verfallen. Hinter dem (musikalischen) Glamour waren die Abgründe bereits deutlich erkennbar. Doch Winehouse steht nicht nur wegen ihres tragischen Todes 2011 zurecht in einer Reihe mit Legenden wie Janis Joplin.
© UniversalPlatz 3: Kanye West - My Beautiful Dark Twisted Fantasy
Wahre Größe und große Wahrheit: Im neunminütigen "Runaway" erhob Kanye West sein Glas auf all die Dreckskerle dieser Welt - und schloss sich selber mit ein. Seht her, ich bin auch nur ein Depp, gab der Rapper zu. Die Selbstreflexion ist leider weg, heute gilt West zu Recht als Persona non grata. Auf "My Beautiful Dark Twisted Fantasy" (2010) konnte er sich all die Großmäuligkeiten, Exzentrik und Wutausbrüche aber noch leisten: Das Album ist ein 70-Minuten-Epos zwischen HipHop, Soul, Rock und Disco - und das düstere und fantasievolle Werk eines Wahnsinnsgenies.
© Def Jam (Universal Music)Platz 2: The Strokes - Is This It
Rock'n'Roll wurde immer wieder totgesagt. Und dann tauchen - gefühlt aus dem Nichts - immer wieder Bands auf, die dem Genre neues Leben einhauchen. Nicht mehr und nicht weniger gelang The Strokes mit "Is This It" (2001). Ihr Debütalbum klang nach Aufnahmen in der Garage und dem Dreck auf New Yorks Straßen, nach angesifften Beatniks, die Punk mögen, nach fünf Typen, die sich um nichts scherten - und genau deshalb schweinscool rüberkamen. Dass sie zudem noch Songs wie "Someday" und "Last Nite" im Gepäck hatten, machte sie zu Rettern des Rock. Bis heute.
© RCAPlatz 1: Radiohead "Kid A"
Was konnte nach dem Meisterwerk "OK Computer" noch kommen? "Kid A" galt im Jahr 2000 als eines der mit größter Spannung erwarteten Alben. Radiohead lösten sich nicht nur davon: Sie verbanden Progrock mit Elektronika, Jazz und komplexen Rhythmen, bewiesen bei allen Experimenten aber auch ihre Fähigkeit, große Emotionen in melancholische Songs zu packen wie "How To Disappear Completely" und "Motion Picture Soundtrack" zeigen. Und klar: Bis heute bewegen sich Radiohead auf allerhöchstem musikalischen Niveau, so grenzüberschreitend wie hier war aber keines ihrer Alben mehr.
© XL Recordings