06.10.2025 von SWYRL/Maximilian Haase
Juli Zeh gilt als eine der wichtigsten Schriftstellerinnen hierzulande - und als durchaus streitbare Persönlichkeit im öffentlichen Diskurs. Die ARTE-Doku "Vom Leben und Streiten" hat die Autorin und Juristin ein Jahr lang begleitet.
Sie ist eine der gefragstesten Autorinnen des Landes, leidenschaftliche Juristin und als intellektuelle Gesellschaftsanalystin gern gesehener Talkshow-Gast: Juli Zeh, geboren in Bonn, studierte Jura und dann Literatur, schreibt bemerkenswerte Romane zum Zustand der Gegenwart, äußert ihre Meinung gern öffentlich - und ist nebenher ehrenamtliche Richterin in Brandenburg, wo sie seit einigen Jahren mit ihrer Familie lebt. Von ihrem bemerkenswerten Leben und Werk erzählt nun die knapp einstündige ARTE-Dokumentation "Juli Zeh - Vom Schreiben und Streiten", in der die Schriftstellerin vor allem selbst zu Wort kommt.
"Ich könnte ja auch einfach die Fresse halten", erklärt Zeh gleich zu Beginn des Films von Aaron Thiesen, der sie ein Jahr lang begleitet hat: "Ich könnte ja meine Meinung für mich behalten." Warum die 51-Jährige das dann doch nicht wirklich kann, erfährt man natürlich auch: Es mache sie "unruhig", wenn bestimmte Sachen nicht gesagt würden im Diskurs. Sie sei nun mal in der "Sprecherposition", erklärt sie ihren Drang, sich einzumischen: "Raff dich auf, geh raus. Das ist jetzt dein scheiß Job, du musst das machen!" Offenheit und klare Worte bestimmen die aufschlussreichen Gespräche mit Zeh, die sich um die Lust am Streit, um Meinungsfreiheit und um den Zustand der Gesellschaft überhaupt drehen.
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"Ich hatte vor allem Angst"
Die Kamera begleitet sie bei den Vorbereitungen zu Talkshows und auf Bühnenpodien, man sieht sie neben Olaf Scholz, Philipp Amthor und Ingo Zamperoni. Es gibt Einblicke in ihre Arbeit am Landesverfassungsgericht in Brandenburg, in Gespräche mit Schriftstellerkollegen wie Jan Weiler - vor allem aber auch ins Leben in ihrer Wahlheimat im Havelland. "Ich hatte vor allem Angst", gesteht Juli Zeh, die bereits in Leipzig und New York, in Berlin, Passau und Krakau lebte, mit Blick auf ihre anfänglichen Vorstellungen vom Dorfleben in Brandenburg. Ihr Mann und sie seien schließlich "beide Wessis, mitten im tiefsten Ostdeutschland". Doch dann seien die "Vorurteilskartenhäuser" in sich zusammengebrochen.
Wie das Leben auf dem brandenburgischen Land wirklich aussieht, hat Juli Zeh in ihrem Roman "Unterleuten" eindrucksvoll verarbeitet - so wie die Gesundheitskrise in "Corpus Delicti", (2009) die Corona-Pandemie in "Über Menschen" (2021) und die allgegenwärtige Spaltung der Gesellschaft in "Zwischen Welten" (2023). Weil "Unterleuten" aber wahrscheinlich ihr persönlichster Roman ist, zudem überaus erfolgreich und verfilmt, begleitet er die Doku künstlerisch-soziologisch - anhand von Ausschnitten der ZDF-Adaption, aber auch anhand animierter Graphic-Novel-Szenen.
Warum und wie geriet die Juli Zeh, deren Romane in über 35 Sprachen übersetzt wurden, nun aber zur gewichtigen und durchaus streitbaren Stimme im hiesigen Diskurs? Diese Frage sollte nach dem sehenswerten Film, der Werk und öffentliche Präsenz der Autorin pointiert dokumentiert, geklärt sein.