17.09.2025 von SWYRL/Maximilian Haase
Zwischen Härte, Heer und Homophobie: Das österreichische Drama "Eismayer" erzählt die wahre Geschichte des titelgebenden Vizeleutnants, der als besonders gnadenloser Ausbilder galt - bis er sich in einen Rekruten verliebte und als schwul outete.
Es ist eine bittere Wahrheit: Homophobe Ansichten waren und sind in weiten Teilen der Gesellschaft verbreitet - und scheinen nach Jahren des vermeintlichen Fortschritts heute oft wieder salonfähig. In manchen Milieus und Schichten waren sie hingegen nie wirklich weg - in den Sinn kommt einem dabei wohl zuvorderst das Militär. Was passieren kann, wenn ein schwuler Mann in der Armee nicht nur dient, sondern auch als knallharter Ausbilder bekannt ist, zeigte 2022 der Film "Eismayer". Regisseur David Wagner erzählt die auf wahren Begebenheiten basierende Geschichte des titelgebenden Vizeleutnants, der sich im Österreichischen Bundesheer als einer der ersten überhaupt als homosexuell outete. ARTE zeigt das unter anderem in Venedig prämierte Coming-Out-Drama nun als Free-TV-Premiere.
Der 1982 geborene Regisseur widmet sich in seinem Spielfilmdebüt jenem Mann, über dessen unglaubliche Geschichte er einst in einer Tageszeitung las: Ausbilder Charles Eismayer verliebte sich in einen seiner Rekruten, ging mit seiner Homosexualität und Beziehung an die Öffentlichkeit und heiratete seine große Liebe schließlich in Uniform auf dem Kasernenhof. Dass es wahr ist, macht dieses Militär-Märchen umso eindrücklicher. Und weil der Weg bis zum vorläufigen Happy End steiniger nicht sein konnte, funktioniert es auch als Film hervorragend. Das liegt am stimmigen Drehbuch, das die Story pointiert umsetzt, vor allem aber am Hauptdarsteller: Gerhard Liebmann spielt den nach außen harten, innen aber unsicheren Eismayer mit Wucht und Sanftheit zugleich.
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Harter Ausbilder mit Geheimnis
Eismayer ist als einer der härtesten Ausbilder überhaupt bekannt, Gruselgeschichten kursieren über ihn. Disziplin und Leistung stehen für ihn über allem. Wer nicht spurt, bekommt den gefürchteten Drill des "Schleifers" zu spüren. Sein Ruf eilt ihm auch bei den neuen Rekruten voraus, unter ihnen der etwas ältere und migrantischstämmige Mario Falak (herausragend: Luka Dimić), der sich bisweilen der autoritären Art Eismayers entgegenstellt - was dem wiederum gar nicht gefällt ("Kapierst du net, dass du die Pappn haltn sollst?") Dass Mario zudem seine Homosexualität im Heer offen zeigt, bringt ihm von den Kameraden zwar Häme und homophobe Sprüche ein, ringt Eismayer aber zumindest heimlich Respekt ab.
Denn: Charles Eismayer ist selbst schwul, muss das aber als Vizeleutnant um jeden Preis geheim halten. Nicht nur im latent schwulenfeindlichen Umfeld der Armee, sondern auch vor seiner Frau (Julia Koschitz), mit der er einen Sohn hat, um den er sich - im Kontrast zu seiner brutalen Ausbilderart - liebevoll kümmert. Im Geheimen lebt er seine Homosexualität aus, klassisch auf Parkplätzen und in dunklen Ecken. Doch mit Mario ändert sich alles: Eismayer verliebt sich, sein Hetero-Familienbild steht plötzlich ebenso infrage wie sein Selbstbild als harter Hund, der selbstverständlich in der Kaserne keinerlei Anzeichen von Schwäche geschweige denn Homosexualität zeigen darf. Die strenge Fassade aus Autorität, hinter der er sich und sein Begehren versteckte, beginnt zu bröckeln.
Außergewöhnliche Mixtur
Doch die Beziehung zu Mario gibt ihm Kraft, sich endlich seiner Frau zu offenbaren. Die verlässt ihn samt Sohn, sein Geliebter zieht in die Wohnung. Derweil muss der Vizeleutnant seine Liebe in der Kaserne weiter geheim halten. Kann die Romantik zwischen zwei Männern überhaupt neben der Rauheit im Männerbund Heer bestehen? Muss man(n) sich unter diesen Verhältnissen letztlich entscheiden? Neben derlei existenziellen Fragen hat "Eismayer" noch mehr Drama parat: Der durchtrainierte Militärmann erkrankt an Krebs, Mario kümmert sich um ihn - und spiegelt ihm im Kampf gegen die Krankheit jene Härte, die er sonst den anderen zuteilwerden lässt.
Regisseur David Wagner, der bei seinen Recherchen den echten Eismayer und seinen Mann Mario Falak kennenlernte, schafft in seinem eindringlichen Debüt Außergewöhnliches: "Eismayer" funktioniert als Biopic über eine eindrückliche Persönlichkeit, als queere Coming-Out-Story, dramatische Liebesgeschichte und Armeeausbilderfilm à la "Full Metal Jacket" zugleich. Die reizvolle Mixtur wurde auch bei den Filmfestspielen in Venedig erkannt, in deren Rahmen der Film 2022 Premiere feierte und in der unabhängigen Filmreihe "Settimana Internazionale della Critica/Venice International Critics' Week" als bester Spielfilm prämiert wurde.