06.06.2025 von SWYRL/Susanne Bald
Eigentlich befindet sich Kommissar Wisting zu Beginn des neuen, vierteiligen Falls im Krankenstand. Doch als ihn jemand anonym auf Ermittlungsfehler bei einem Jahre zurückliegenden Mord an einer jungen Frau hinweist, ist sein Spürsinn geweckt. Sitzt der Ex-Freund der Toten unschuldig im Gefängnis?
Es ist immer von Vorteil, wenn ein Autor selbst Experte ist. Gerade im Krimi-Genre lassen sich so einige finden. Strafverteidiger und Bestsellerautor Ferdinand von Schirach ("Verbrechen") etwa. Oder John Grisham ("Die Firma"), der mehrere Jahre als Anwalt tätig war. Jørn Lier Horst wiederum war früher leitender Ermittler bei der Polizei in der südnorwegischen Provinz Larvik, ehe er Vollzeit-Schriftsteller wurde. Seine wohl bekannteste Romanfigur ist der so aufrichtige wie empathische und nach vielen Dienstjahren abgeklärte Kommissar William Wisting. Auch er ermittelt in Larvik.
Seit 2005 erschienen hierzulande 13 "Wisting"-Romane, der letzte, "Wisting und die Untiefen der Vergangenheit", wurde gerade eben veröffentlicht. Und auch die seit 2019 produzierte norwegische Serienadaption mit Sven Nordin in der Titelrolle geht in eine weitere Runde. Am Pfingstsonntag und Pfingstmontag sind am Abend je zwei 45-minütige Folgen des Falls "Kommissar Wisting - Der See des Vergessens" im Ersten zu sehen.
Nach der Originalzählung handelt es sich um Staffel fünf. In der ARD, die gelegentlich Staffeln zusammenfasst, ist es der zweite Fall der dritten Staffel. Glücklicherweise kommt der Fall selbst weniger verwirrend daher als diese Zählung. Was nicht heißt, dass er nicht komplex wäre. Eindringlich, düster und nicht zuletzt psychologisch tiefgründig erzählt ist er obendrein. Kurzum: Der neue "Kommissar Wisting" erweist sich wieder einmal als perfektes Nordic-Noir-Krimidrama.
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Ermittlungen aus dem Krankenstand
Nachdem der nicht mehr ganz junge Ermittler in seinem letzten Fall über den Haufen gefahren wurde, befindet sich Wisting im Krankenstand. Das eine Bein will noch nicht so recht, die kriminalistische Spürnase dagegen ist unversehrt und mehr als bereit zur Arbeit. Die erreicht Wisting in Form von mehreren anonym an ihn adressierten Umschlägen. Sie enthalten Aktenzeichen zurückliegender Fälle: die Morde an der Schülerin Tone, für den ihr Exfreund Daniel (Kristian Repshus) ins Gefängnis ging, sowie an der jungen Pernille. Hier konnte man Lennart Hök als Täter überführen.
Wisting findet mithilfe des Ex-Kriminaltechnikers Finn (Arvid Ones) heraus, dass Hök der Letzte war, der Tone lebend gesehen hatte. War er am Ende auch ihr Mörder und nicht Daniel? Denn so richtig sauber gearbeitet hat die Polizei unter der Leitung von Ekelpaket Stein Kvammen (Morten Svartveit) damals offenbar nicht. Doch der weist Fehler und die Bitte um neue Ermittlungen in dem Fall brüsk von sich. Aber Wisting wäre nicht Wisting, wenn ihm das nicht verdächtig vorkäme - wird hier irgendetwas vertuscht? Als Finn, der ihm etwas Wichtiges mitteilen wollte, tot aufgefunden wird, ist er sich dessen ganz sicher.
Ein aktueller Fall bringt die Wende
Mit einem aktuellen Todesfall bekommt es derweil Wistings Team um Nils Hammer (Mads Ousdal) zu tun. Die Leiche der jungen Agnete wurde aus dem Wasser gezogen, auch hier vermutet man Mord. Die Befragung ihrer Eltern fördert interessante Informationen zutage, die nicht nur ordentlich Tempo, sondern auch eine scharfe Wendung in den Fall bringen - und Wisting bis nach Litauen führen. Es wird, wie man es von den "Wisting"-Krimis kennt, nicht die letzte Wendung bleiben. Erst ganz am Ende können sich Ermittler wie Zuschauer halbwegs sicher sein, nun endlich auf der richtigen Spur zu sein.
Dass neben der komplexen Ermittlungsarbeit immer noch Raum für kleine, aber feine Interaktionen bleibt, die die Figuren in ihrer Menschlichkeit zeigen, ist eine der großen Stärken der Reihe. Wisting, seit dem Tod seiner Frau der Typ einsamer Wolf, bekommt nach dem Flirt mit "Matrix"-Star Carrie-Anne Moss vor vielen Jahren wieder einmal so etwas wie Herzklopfen, diesmal bei der Interpol-Beamtin Harriet Dunn (Shelley Conn, "Bridgerton").
Und auch die nicht immer einfache Beziehung zu seinen Kindern, Journalistin Line (Thea Green Lundberg) und Krankenpfleger Thomas (Fredrik Stenberg Ditlev-Simonsen), entwickelt sich weiter. Wenn im Fall von Thomas auch in Babyschritten. Apropos: Line, die ihrem Vater auch diesmal einen entscheidenden Tipp zur Klärung des Falls liefern kann, erwartet ein Kind. Man darf also schon jetzt gespannt sein, wie sich der verstockte Wisting demnächst als Großvater so machen wird.
Wer mehr von "Kommissar Wisting" sehen möchte: In der ARD-Mediathek sind alle bisherigen Folgen abrufbar.