Kevin Costner und Co. beim Streamingdienst Paramount+

TV-Phänomene "Yellowstone" und "1883": Diese Western erklären das heutige Amerika

08.12.2022 von SWYRL/Eric Leimann

Wer die heute tief gespaltenen USA verstehen will, schaut sich am besten aktuelle Western-Serien an. Mit dem Start des neuen Streamingdienstes Paramount+ am 8. Dezember kann man zwei absolute Blockbuster-Epen sehen, die unter anderem Kevin Costner herausragende Kritiken einbrachten.

Die Serie "Yellowstone", in der Kevin Costner seit nunmehr fünf Staffeln den mächtigen Familien-Patriarchen John Dutton spielt, war in Deutschland bislang eher ein Phantom. Sehen konnte man den Stoff, dessen fünfter Staffelstart in den USA Mitte November über zwölf Millionen Zuschauer vor Bildschirme und Fernseher lockte, hierzulande nur bei Streamingdiensten mit minimaler Verbreitung wie Sony AXN. Offenbar dachte man, der Stoff einer modernen, aber viel komplexeren J.R. Ewing-Figur würde die Menschen hierzulande nicht interessieren. Ältere Fernsehzuschauer dürften sich an den 80er-Jahre-Blockbuster "Dallas" erinnern, in dem mit Larry Hagman als besagter J.R. Ewing erstmals ein Bösewicht die Hauptrolle spielte. Costners Figur John Dutton macht nun nicht in Öl, sondern er besitzt in Montana die größte zusammenhängende Farm der USA. Der Mann ist Witwer, Vater mehrerer erwachsener Kinder - und auf ernsthaft anrührende Art skrupellos. Die drei ersten Staffeln der Dramaserie "Yellowstone" gibt es ab 8. Dezember in Deutschland nun gebündelt beim neuen Streamingdienst Paramount +. Und nicht nur das: Weil Serienerfinder Taylor Sheridan, 2017 Oscar-nominiert für den Neowestern "Hell Or High Water", die Saga der Familie Dutton so sehr liebt, hat er ihr gleich mehrere Spin-offs verschrieben, welche die Vorgeschichte der Familie Dutton erzählen.

Unter anderem deren Gründungsmythos: Auch die Serie "1883", die über zehn Folgen die Landnahme der Duttons infolge eines Siedlerzuges von Texas in Richtung der "great plains" schildert, ist zum Start von Paramount+ verfügbar. Das Country-Superstar-Ehepaar Faith Hill und Tim Mc Graw, zusammen verkauften sie 65 Millionen Alben, spielt darin das Elternpaar Dutton, das der Armut entfliehen und auf dem Weg nach Westen auf ein wildes und rohes Land trifft. Ein Land, dessen "Gesetze" man mühelos und nur leicht modelliert in die Gegenwart übertragen könnte.

Das wichtigste aller Gesetze lautet: Es gilt das Recht des Stärkeren. Dieses definiert sich vor allem über Feuerkraft, Macht-Netzwerke und Skrupellosigkeit. Weil sich dieser Dreiklang in den 140 Jahren zwischen "1883" und "Yellowstone" kaum verändert hat, wurden beide Programme auch als "Redneck"-Sagen für Trump-Fans verpönt. Nach dem Motto: Hier wird gezeigt, was viele in Amerika denken: Demokratie ist nur eine Art "Rahmenprogramm" für das Recht des Stärkeren, welches Amerika seit jenen frühen Tagen der Besiedlung im Kern ausmacht.

Donald Trump und seine Anhänger würden dies wohl sofort unterschreiben. Taylor Sheridans Serienuniversum erklärt diese Weltsicht, die sich auf den Schutz der Familie und mitunter auf Gott beruht, auf eine herausragend gut beobachtete Art und Weise. "1883", das in den USA bereits vor einem Jahr startete und für Taylor Sheridan als erzählerisch abgeschlossen gilt, war der erfolgreichste Start einer Kabelsender-Serie seit 2015 in den USA,

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"Eine Zeit, in der man seine Probleme selbst in die Hand nahm"

Im Frühjahr 2023 wird es mit "1923" dann auch schon die nächste Serie des Dutton-Universums geben. Mit Harrison Ford und Helen Mirren ist auch diese herausragend prominent besetzt. Ebenfalls im kommenden Frühling sollen im deutschen Programm von Paramount+ dann auch die "Yellowstone"-Staffeln vier und fünf auftauchen. Kevin Costner erklärte im Interview mit der Agentur teleschau den Erfolg wie folgt: "Yellowstone fasziniert die Leute, weil die Serie detailliert und realistisch den Beruf des Ranchers erzählt. Ein Job, der Amerika seit vielen Generationen ausmacht, im Prinzip seit der Zeit des Aufbruchs in den Westen. Natürlich sind die Probleme der Rancher heute andere als die ihrer Vorfahren. Ich habe mit Umweltschützern, Anwälten und indigenen Rechten zu tun. Das ist frustrierend für einen Typen wie John Dutton, weil er noch aus einer Zeit stammt, in der man seine Probleme selbst in die Hand nahm und lösen konnte." Und weil sich viele Menschen, so Costners Analyse, ein Stück weit in jene Zeit zurücksehnen, in der die gesellschaftliche Gemengelage weniger komplex und individueller "lösbar" war, sind Neowestern-Serien wie "Yellowstone" oder "1883" so populär.

Sogar die Deutschen haben erzählerisch etwas mit "1883" zu tun: Ein großer Teil des Trecks, mit dem die Duttons gen Montana aufbrechen, besteht aus - schlecht vorbereiteten, tief religiösen und Waffen ablehnenden - Deutschen, deren Englisch sprechender "Übersetzer" Josef, verkörpert vom Berliner Schauspieler Marc Rissmann ("Game of Thrones"), einen Platz im Hauptcast der Serie gefunden hat. Auch Marc Rissmann glaubt, die aktuelle Faszination der Amerikaner für die Gründungsmythen ihres Landes bei den Dreharbeiten gespürt zu haben: "Ich denke, Taylor Sheridans Genialität liegt in der Qualität, einen ganz bestimmten Nerv der amerikanischen oder eigentlich jeder Gesellschaft zu treffen. Es geht um den Wunsch, seine Vorfahren zu erforschen. Um zu definieren, wer man ist, muss man wissen, wo man her kommt. Das ist die Grundidee von 1883, bei der man quasi Beifahrer auf der Reise seiner Vorfahren ist."

Rissman erzählt, dass die "1883"-Dreharbeiten sein Gefühl für Geschichte definitiv verändert hätten. "Man könnte spüren, was es bedeutet, 5.000 Kilometer in einem Holzwagen mit Pferd die Natur zu durchqueren. Auch die emotionale Bedeutung von Land und Besitz, eines von Taylor Sheridans Hauptthemen. Leider wurde in der Geschichte viel zu viel Blut vergossen, um 'freies Land' zu besetzen. Ein Thema, das sich heute leider noch heute immer weiter wiederholt."

Was das Amerika von früher über heute erzählt

Was moderne Western-Epen wie "1883 " oder "Yellowstone" betonen, ist unter anderem, dass die Gesetze im "wilden Westen" maximal brüchig und vor allem Auslegungssache waren. Eine vor allem für Menschen aus alten europäischen Demokratien wie der englischen eine ebenso faszinierende wie erschreckende Erkenntnis, die auch in einer anderen, überaus empfehlenswerten aktuellen Westernserie aus britischer Produktion deutlich wird. Im sechsteiligen, von der BBC und Amazon koproduzierten Miniserie "The English" mit Emily Blunt, die in Deutschland seit Ende November bei Magenta TV zu sehen ist, reist eine britische Adelige (Blunt) 1890 in die westlichen Staaten der USA. Dort will sie einen Mann zu finden, der für den Tod ihres Sohnes verantwortlich ist. Dabei trifft sie auf den indigenen Ex-Kavalerie-Helden Eli (Chaske Spencer), der eine fremde, ambivalente Figur in einem zutiefst gewalttätigen Land ist.

"The English", erfunden vom Briten Hugo Blick ("The Honourable Woman"), der als junger Mann eine Zeit lang im amerikanischen Westen lebte, ist eine der bildgewaltigsten und klügsten Serien über die Natur des Menschen im "wilden Westen" schlechthin. Dass sie - im Vergleich zu "Yellowstone" und "1883" ein ungleich kleineres Publikum finden wird, dürfte klar sein. Dafür ist "The English" zu sehr Arthaus, die Dutton-Erzählungen hingegen könnte man auch als Edel-Soaps betrachten. Dass sich gegenwärtige Western-Stoffe jedoch verstärkt der Frage zuwenden, warum die Demokratie der USA derzeit auf wackeligen Füßen zu stehen scheint und was das mit der Vergangenheit dieses Landes zu tun hat, dürfte alles andere als ein Zufall sein.

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