02.11.2025 von SWYRL/Eric Leimann
Im "Tatort: Erika Mustermann" aus Berlin müssen Susanne Bonard (Corinna Harfouch) und Robert Karow (Mark Waschke) herausfinden, welche Mauscheleien in der Bundesdruckerei stattfinden, wo deutsches Geld und Ausweispapiere hergestellt werden. Könnte dort für Kriminelle tatsächlich was zu holen sein?
Im Vorspann des "Tatort: Erika Mustermann" gibt es eine fürs deutsche Traditionskrimiformat eher ungewöhnliche Einblendung: "Die Handlung dieses Films inklusive der dargestellten Ausstattung und internen Abläufe der Bundesdruckerei ist frei erfunden." Tatsächlich ist kaum ein deutscher Ort so geheim und derart streng kontrolliert wie die dem Bundesministerium der Finanzen (BMF) untergeordnete Institution, in der deutsches Geld und Ausweisdokumente hergestellt werden.
Rund um den mythischen Ort erfindet der "Tatort: Erika Mustermann" einen Krimi um einen toten Fahrradkurier und die Frage, was genau der Mann bei sich trug, das ihn zum Opfer werden ließ. Fast spannender als der Krimi-Plot sind jedoch Fragen rund um die Bundesdruckerei. Gab es schon mal einen Skandal hier? Was leistet der schweigsame Laden für Land und Leute? Und wer ist überhaupt Erika Mustermann?
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Worum ging es?
Ein Fahrradkurier wurde tödlich überfahren. Der Mann war vor seinem Ableben häufig zur in Berlin-Kreuzberg gelegenen Bundesdruckerei gefahren. Die Tasche des Toten fehlte am Unfallort. Wie man sich denken konnte, transportieren Fahrradkuriere keine neu gedruckten Geldscheine. Die werden schwer bewacht ausgeliefert. Was also war interessant an der Fracht des Toten?
Susanne Bonard (Corinna Harfouch) und Robert Karow (Mark Waschke) ermittelten in zwei Richtungen. Zum einen nahmen sie Kontakt zur Bundesdruckerei auf und lernten das Unternehmen von innen kennen. Auch die Fahrradkuriere "Cheetahs", wo sich viele Südamerikaner und Niedriglohn-Rider aus anderen Ländern abstrampeln, wurden von den Kommissaren durchleuchtet. Ein verbindendes Element erhofften sie sich von einer Security-Mitarbeiterin der Bundesdruckerei: Annika Haupt (Annett Sawallisch) kannte den toten Fahrradkurier privat.
Worum ging es wirklich?
Der Writers Room rund um Dagmar Gabler, Josefine Scheffler und Thomas André Szabó sowie Regisseur Torsten C. Fischer musste für den Film einige Bocksprünge unternehmen, um die Bundesdruckerei nicht zu diskreditieren. Immerhin handelt es sich um eine hochsensible Einrichtung des Bundes, deren Abläufe und Sicherheitsstandards geheim bleiben müssen.
Tatsächlich durften Filmszenen nur außerhalb des Gebäudes gedreht werden. Sämtliche Szenen, die im Gebäude spielen sowie die Abläufe dort, sind frei erfunden. Der Reiz des Krimis entsteht durch die Frage: Lässt sich ein Hochsicherheitsapparat des Staates austricksen - und wenn ja: wie?
Wer ist Erika Mustermann?
Immer dann, wenn das Foto eines deutschen Musterpersonalausweises abgebildet wird, ist darauf eine fiktive Durchschnittsfrau namens Erika Mustermann zu sehen. Die sollte ursprünglich am 12. September 1945 als Erika Gabler in München geboren worden sein. Später wurde ihr Geburtsdatum auf den 12. August 1964 verlegt.
Bundesweit bekannt machte sie in den 80er-Jahren der neue maschinenlesbare Personalausweis, der den Deutschen mit ihrem Schwarzweiß-Bild präsentiert wurde. Das Gesicht auf dem Ausweis gehörte einer realen Mitarbeiterin der Bundesdruckerei. Im Laufe der Jahre standen verschiedene Frauen für das Musterfoto Modell.
Wie viel Geld und welche Papiere werden in der Bundesdruckerei hergestellt?
Die wohl sicherste Druckerei Deutschlands fertigt nicht nur das Geld der Deutschen, sondern auch hochoffizielle Ausweispapiere wie Personalausweise, Reisepässe oder Führerscheine. Pro Jahr werden nach Angaben des Bundesministeriums für Finanzen etwa 693 Millionen Banknoten, 3,7 Millionen Reisepässe und rund 2,6 Millionen Karten-Führerscheine hergestellt.
2024 gab es einen Bestellboom bei Reisepässen - mit monatlichen Bestellungen von über 700.000 Stück. Technisch könnte die Bundesdruckerei aber sogar etwa 50.000 Personalausweise pro Tag herstellen. Gearbeitet wird vorwiegend an deutschem Geld und Papieren. Allerdings ist die Bundesdruckerei auch schon vereinzelt für ausländische Kunden tätig gewesen.
Sind aus der Bundesdruckerei jemals Geld oder Ausweispapiere verschwunden?
Es gibt keine seriöse Quelle, die von einem Verlust von Banknoten oder geprägtem Geld spricht. Allerdings ist bekannt, dass Blanko-Ausweisdokumente, also noch nicht personifizierte Ausweise oder vorläufige Ausweise, die von der Bundesdruckerei an Behörden geliefert werden, in kriminellen Kreisen "viel Geld wert" wären. Es gibt keine Berichte, nach denen frische Geldnoten der Bundesdruckerei verschwunden sind.
In Berlin wurden 2022 laut einem Bericht der "Bild"-Zeitung 77 Reisepässe, die per UPS-Kurier von der Bundesdruckerei zu einem Bürgeramt transportiert wurden, als "verschollen" gemeldet. Außerdem meldete die D-Trust GmbH, eine Tochter der Bundesdruckerei-Gruppe, am 13. Januar 2025 einen Angriff auf ein Antragsportal. Dabei könnten personenbezogene Daten von Antragstellern entwendet worden sein. Dies sei zwar kein "physischer Diebstahl von Ausweisen", aber ein relevanter Sicherheitsvorfall, meldete das Unternehmen.
Wie geht es beim Berliner "Tatort" weiter?
Mit der nächsten Folge "Tatort: Gefahrengebiet", geplant fürs Frühjahr 2026, nimmt Corinna Harfouch als Susanne Bonard schon wieder ihren Abschied. Kurz vor ihrer Pensionierung wird sie in einen letzten Fall verwickelt, der sie vom Berliner Teufelsberg mitten in die Wildnis führt, während ihr Kollege Robert Karow in die dystopische Welt der Prepper und Bunker eintaucht.
Drehbuch und Regie übernahm Mira Thiel, die schon die Episode "Tatort: Am Tag der wandernden Seelen" über die Vietnamesen-Szene Berlins fürs Duo Karow & Bonard geschrieben und inszeniert hatte. Es war der bislang vielleicht beste Fall der beiden. Insofern stehen die Chancen für einen würdigen Abschied der großen Corinna Harfouch von ihrer Tatort-Karriere (nur fünf Fälle in sechs Filmen durch den Zweiteiler zu Beginn) recht gut.
Eine "ausgedachte" Bundesdruckerei
Die beste Idee am Drehbuch von Dagmar Gabler ("Tatort: Der Fall Reinhardt"), die zuletzt den Münchener Fall "Tatort: Charlie" erdachte, ist der Handlungsort. Er ist ähnlich mysteriös wie das berühmte Fort Knox in Kentucky, wo schwer bewacht die Goldreserven der USA lagern.
Wie man sich denken kann, durfte der RBB seinen "Tatort" nicht in den Räumlichkeiten der Bundesdruckerei drehen, sondern musste dessen "Innenleben" nachbauen. Tatsächlich konnte das Filmteam vor der Druckerei Bilder schießen, mehr ging nicht. Produzent Martin Lehwald erzählt über den Produktionsprozess seines Films, der nach Gesprächen und Vorgaben durch die Bundesdruckerei beginnen konnte: "Unser Szenenbild-Department konnte sich sehr gezielt an die große Aufgabe heranmachen, die Innenräume der Bundesdruckerei fiktional nachzuempfinden, die möglichst realistisch aussehen sollten, denn natürlich durften wir keine aktuellen Sicherheitstechniken sehen oder verwenden."
Leider verliert sich die erste Magie des Plots im Laufe der 90 Minuten immer mehr zwischen einer gewissen Konstruiertheit, aber auch Erwartbarkeit der Erzählstränge, sodass der Spannungspegel des Krimis unter der Regie von Torsten C. Fischer überschaubar bleibt. Und das, ob wohl oder gerade weil hier ziemlich viele Ideen, die normalerweise für mehrere Krimis reichen würden, wild zusammengemixt werden. Eines jener Elemente ist die Figur des in Diensten der Polizei arbeitenden Computer-Genies Carsten Goth (Ben Hartmann), der für Bonard und Karow komplexe Technik- und Datenrätsel lösen muss.
Corinna Harfouchs Abschied naht
Nicht nur, dass in der Figur (O-Ton Karow: "Das weiß nur Gott") sämtliche Computer-Nerd Klischees zusammenkommen, der Super-Nerd muss auch noch Sprüche wie "Darauf verwette ich meinen Datensatz" raushauen. Mal sehen, ob man Gott/Goth in einer der nächsten Berliner Folgen wiedersieht.
Nach mittlerweile vier Fällen, die Robert Karow nach dem Filmtod seiner von Meret Becker gespielten Langzeitpartnerin an der Seite von Corinna Harfouch spielte, muss man ein durchwachsenes Fazit ziehen. Die Drehbücher für die beiden Berliner "Tatort"-Kommissare von unbestrittener schauspielerischer Klasse waren zuletzt schwächer als in den letzten starken Jahren mit Meret Becker: Der dystopische Deep State-Zweiteiler "Nichts als die Wahrheit" war eine unglaubwürdige Räuberpistole, die sensible Erzählung "Am Tag der wandernden Seelen" über die Vietnam-Community Berlins stark, der atemlose Politthriller "Vier Leben" spannend, aber überfrachtet. Und "Erika Mustermann"? Zündet trotz guter Grundideen irgendwie nicht so richtig.
Mit der nächsten Folge "Gefahrengebiet", geplant fürs Frühjahr 2026, will Corinna Harfouch schon wieder ihren Abschied nehmen. Man kann der großen deutschen Schauspielerin nur wünschen, dass es ein Abgang mit einem starken Script wird.



