"Der Palast"-Hauptdarstellerin Svenja Jung im Interview

"Neue Gesellschaft, neuer Tanzstil"

31.12.2021 von SWYRL/Eric Leimann

Von der Soap zur Doppelhauptrolle im großen ZDF-Mehrteiler: In "Der Palast" spielt Svenja Jung eine DDR-Profitänzerin und ihre BRD-Zwillingsschwester, die kurz vor der Wende zufällig voneinander erfahren. Ihre Tanzvergangenheit kam der 28-Jährigen bei der technisch sehr anspruchsvollen Rolle zugute.

Svenja Jung spielt die Doppel-Hauptrolle zweier Zwillingsschwestern im großen ZDF-Mehrteiler "Der Palast". Vom 3. bis 5. Januar (jeweils 20.15 Uhr) füllt die Event-Produktion drei Primetime-Abende am Stück. Und diese Verantwortung liegt auf den Schultern einer bislang eher Branchen-Experten bekannten Schauspielerin! Svenja Jung, 28 Jahre alt, stammt aus einem kleinen Ort im Westerwald. Früher wollte sie Profitänzerin werden, was ihr bei ihren letzten Jobs zugutekam. Doch ihr Schauspieltalent war wohl noch größter. Im Twen-Alter bevölkerte sie ein Jahr lang den Cast der Soap "Unter uns". Danach wurden die Rollen hochwertiger. Svenja Jung spielte im Kultfilm "Fucking Berlin", der wunderbaren Netflix-Miniserie "Zeit der Geheimnisse" und sorgte für Aufsehen, als sie im ZDF-Krimi "Ostfriesenkiller" furios eine geistig behinderte junge Frau verkörperte. Im Interview erklärt Svenja Jung, wie man eine Doppel-Hauptrolle mit sich selbst spielt. Und dann wäre da noch die Frage: Kann man als Nicht-Profi überhaupt so gut tanzen, dass die filmische Illusion einer Spitzenkünstlerin gewahrt bleibt?

teleschau: Es gibt verschieden Methoden, wie man identisch aussehende Zwillinge in einem Film inszeniert. Wie haben Sie's gemacht?

Svenja Jung: Mit digitalen Tricks, aber auch auf die ganz klassische Art und Weise. Ich hatte zwei Doubles. Eines hat immer Chris gespielt, die andere Marlene. Ein Double war meine kleine Schwester. Das war nicht einfach, weil sie Chris heißt, aber Marlene spielte. Während ich selbst in dieser Szene dann natürlich Chris spielte. Unser Regisseur Uli Edel und ich hatten richtig zu kämpfen (lacht).

teleschau: Ist es denn normal, dass einen die eigene Schwester doubelt?

Svenja Jung: Nein, sicher nicht. Wir suchten jemanden, der mir ähnlich sieht. In Größe und Figur, aber auch von der Gesichtsform. Dafür gab es ein Casting. Man sieht das Double in den Filmszenen zwar nie so richtig von vorne, wenn aber die Gesichtsform nicht stimmt, kann das die Illusion schon zerstören. Wenn man die typische Einstellung von hinten über die Schulter des Doubles macht, müssen zumindest Ohren und Kieferpartie stimmen. Deshalb war es extrem schwer, jemanden zu finden.

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"Es war das Schwierigste, was ich je gespielt habe"

teleschau: Und so kamen Sie auf Ihre Schwester?

Svenja Jung: Wir hatten eine Schauspielerin gefunden, die als Chris-Double gut passte. Doch bei Marlene zog und zog es sich. Da sagte ich in einem frustrierten Moment zu Uli Edel: "Weißt du was, Uli, wenn wir niemanden finden, dann nehmen wir einfach meine Schwester." Und er so: "Du hast eine Schwester, warum weiß ich nichts davon?" "Vielleicht, weil sie keine Schauspielerin ist", meinte ich. Er sagte dann, dass sie auf jeden Fall zum Casting kommen soll. Und es hat prima funktioniert, obwohl Chris anfangs sehr aufgeregt war. Aber sie hat das Casting gerockt und eine tolle Grundintuition für diesen Beruf mitgebracht. Alle waren begeistert. Wenn man ein Schwesternverhältnis mit der eigenen Schwester spielen kann, hilft das extrem weiter.

teleschau: Es gibt aber auch Szenen, in denen man beide Schwestern gleichzeitig gut sehen kann. Führen Sie uns doch mal in die Geheimnisse des Verwechslungsfilms ein ...

Svenja Jung: Alle Szenen, in denen die Schwestern miteinander reden, habe ich mit mir selbst gespielt. Also erst mal eine Seite mit der Luft als Partner. Nach jedem Satz wartet man so lange, wie man glaubt, dass der andere zum Antworten braucht. Wenn man dann die Rolle tauscht, hat man immerhin die Tonaufnahme der ersten Figur an Anhaltspunkt. Mit der Tonspur im Ohr drehe ich die andere Rolle. Am Ende wird das Bild digital zusammengefügt.

teleschau: Gewöhnt man sich an so etwas?

Svenja Jung: Nein, es war das Schwierigste, was ich je gespielt habe. Bei den "over shoulders" oder den "Schuss-Gegenschuss"-Szenen waren immer die Doubles da. Bei den anderen Szenen aber eben niemand. Es war ein sehr technisches Arbeiten. Dazu unter Corona-Bedingungen mit Masken und weniger Leuten am Set - es war auf jeden Fall sehr herausfordernd.

"Man kann den Tanz der späten 80-er nicht eins-zu-eins übernehmen"

teleschau: Eine der Schwestern im Film ist Top-Tänzerin im Ensemble des Friedrichstadt-Palastes. Wie gut konnten Sie vor dem Dreh tanzen?

Svenja Jung: Ich komme eigentlich vom Tanzen. Bis ich 18 oder 19 war habe ich Wettkämpfe getanzt, mit meiner Cousine zusammen. Als ich intensiver mit der Schauspielerei angefangen habe, bin ich mit dem Tanzen etwas kürzergetreten. Aber aufgehört habe ich nie. Ich hatte schon mit "Fly", der dieses Jahr im Kino lief, einen Tanzfilm gedreht. Dafür bin ich wieder intensiv ins Training eingestiegen. Gleich danach kam "Der Palast".

teleschau: Welche Art Tänzerin wären Sie gerne geworden?

Svenja Jung: Ich habe wie die meisten mit klassischem Ballett angefangen. Danach probierte ich viel in Richtung "contemporary" und "modern", dazu Akrobatik. Zwischen 12 und 16 habe ich auch Garde getanzt, ich komme nämlich aus einer Karnevals-Ecke. Die Garde-Erfahrung hat mir beim Tanzen der langen "Kicklines", die ja das Aushängeschild der Friedrichstadt-Palast-Nummern sind, sehr geholfen.

teleschau: "Der Palast" zeigt auch die Wandlung des Tanzstils von der klassischen DDR-Revue-Show hin zu moderneren Sachen, die mit der beginnenden Wende Einzug hielten ...

Svenja Jung: Die sich verändernde Gesellschaft findet sich in der Veränderung des Tanzstils wieder. Natürlich ist "Der Palast" für ein TV-Publikum von heute gemacht. Man kann den Tanz der späten 80-er nicht eins-zu-eins authentisch übernehmen. Das würde als Film nicht funktionieren. Dennoch sind die Choreografien und auch der Schnitt der Bilder sehr an die 80-er angelehnt. Man muss eine gute Mischung aus Original-Ästhetik, Hommage und moderne Elemente finden, sonst funktioniert es nicht mit den heutigen Sehgewohnheiten. Die gleiche "Kickline", die das Friedrichstadt-Palast-Ensemble im Film tanzt, haben die im letzten Jahr original auf der Bühne getanzt. Da sind wir im Film der Entwicklung also knapp 30 Jahre voraus (lacht).

"Für uns blieb der Abend und die Nacht"

teleschau: Zum ersten Mal wurde auf der echten Friedrichstadt-Palast-Bühne und auch "Backstage" gedreht. Immerhin im größten Theaterbau Berlins. War das logistisch nicht sehr kompliziert?

Svenja Jung: Wir haben ja noch während Corona gedreht. Normalerweise hätte die Arbeit im März 2020 begonnen. Doch da war Lockdown, wir haben schließlich im September oder Oktober mit der Arbeit begonnen. Im Palast selbst waren wir im Januar und Februar 2021. Das echte Ensemble bereitete damals seine neue Show vor - und wir haben gedreht. Wegen Covid durfte das Filmteam dem Friedrichstadt-Palast-Team nicht begegnen. Wir durften noch nicht mal gleichzeitig im Gebäude sein. Am Ende war es so, dass die anderen von morgens um sieben bis abends um sieben dort probten und arbeiteten. Für uns blieben der Abend und die Nacht.

teleschau: Das heißt, Sie mussten sich auf ungewöhnliche Arbeitszeiten einstellen?

Svenja Jung: Alle Bilder, die man aus dem Friedrichstadt-Palast im Film sieht, sind Nachtdreh-Szenen. Man kennt zwar Nachtdrehs, wenn man beim Film arbeitet, aber die finden nicht drei bis vier Wochen am Stück statt. Das erforderte schon eine besondere Konzentration. Gerade dann, wenn man nachts tanzt.

teleschau: Sie sagten, die beiden Teams durften sich nicht begegnen. Aber sind die Tänzerinnen auf der Bühnen nicht die echten Tänzerinnen des Friedrichstadt-Palastes?

Svenja Jung: Doch, doch - was das Personal vor der Kamera betrifft, gab es da diese eine Ausnahme. Die "Kickline", die man sieht, ist die Original-"Kickline" des Palastes, die natürlich aus der Ferne aufgenommen wurde. Alle anderen Tanzszenen wurden mit Ex-Tänzern aus dem Ensemble besetzt.

"Ich glaube schon, dass ich auf einem guten Niveau tanze"

teleschau: Sie waren mal auf dem Weg zur Profi-Tänzerin. Nun haben Sie mit echten Profis für die Choreografien zusammengearbeitet. Wie nah ist Ihr Niveau an dem der Profis dran?

Svenja Jung: Trotz meiner Vorbildung und dem wochenlangen harten Training kann man sich nicht mit Tanzprofis vergleichen. Das ist deren Hauptberuf. Sie arbeiten jeden Tag viele Stunden an sich. Sie trainieren seit sie Kinder sind. Und das deutlich intensiver als ich es je getan habe. So sind sie dahin gekommen, wo sie sind. Es wäre jedem Profitänzer, jeder Profitänzerin gegenüber extrem unfair, wenn ich mich mit ihnen vergleichen würde.

teleschau: Doch wie macht man es dann im Film, dass selbst geschulten Augen der Unterschied zwischen Profi und Schauspielerin nicht auffällt?

Svenja Jung: Es ist eine Frage der Inszenierung. Ich glaube schon, dass ich auf einem guten Niveau tanze. Aber natürlich muss man mit Tricks nachhelfen, wenn ich in einer herausragenden Tanz-Company als Star der Truppe rüberkommen soll. Ich brauche mehr Takes als die anderen, und wir hatten auch immer zwei Choreografen und Tanzlehrer, die Uli Edel bei den Szenen über die Schulter schauten. Sie achteten darauf, dass alles glaubhaft und gut aussah. Ich bin mit dem Ergebnis auch tänzerisch sehr zufrieden, aber auch sehr gespannt, was das Publikum dazu sagt.

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