Der Untergang - Fr. 05.05. - 3sat: 20.15 Uhr

Leben und Tod im Bunker

01.05.2023 von SWYRL/Frank Rauscher

Anfangs mit viel Skepsis begleitet, ist "Der Untergang" längst zum fiktionalen Standardwerk über das Kriegsende in der Berliner Nazi-Machtzentrale avanciert. Nun ist der Film erneut bei 3sat zu sehen.

Oliver Hirschbiegels "Der Untergang" (2004) sorgte schon Wochen vor dem Kinostart dafür, dass damals über das "Dritte Reich" so viel diskutiert wurde, wie seit sechs Jahrzehnten nicht mehr. Im Zentrum der Debatte stand die Frage, ob man Hitler als Mensch überhaupt zeigen dürfe. Produzent Bernd Eichinger, der auch das Drehbuch verfasste, traute sich - und rund 4,6 Millionen Menschen wollten das klaustrophobische Bunkerdrama im Kino sehen.

Mit einem großartigen Ensemble hat Hirschbiegel einen fast dokumentarischen Film gedreht, der die Zuschauerinnen und Zuschauer mit seiner gnadenlosen und - immer dann, wenn der 2019 im Alter von 77 Jahren verstorbene Bruno Ganz als Adolf Hitler die Szenerie bestimmt - atemberaubenden Authentizität in seinen Bann zieht. Allerdings offenbart der oscarnominierte Film auch eine Detail-Versessenheit, die nicht jedem zugänglich ist. 3sat zeigt den 143-minütigen Film nun erneut zur besten Sendezeit.

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Phantom-Truppen auf dem Kartentisch

Auf der Grundlage der Aufzeichnungen der Hitlersekretärin Traudl Junge und des Essays "Der Untergang" von Joachim Fest beschreibt der Film die Tage vom 20. April 1945, Hitlers 56. Geburtstag, bis zum 2. Mai 1945. Der "Führer" hat sich in seinem Bunker unter der Reichskanzlei verschanzt. Die russischen Truppen stehen vor den Toren Berlins, der Krieg ist verloren.

Mit einigen Generälen und Vertrauten hofft Hitler vergebens auf die Wende, herbeigeführt durch Armeen, die nicht mehr existieren. "Kampfgruppe Steiner"? "Armee Wenck"? - Phantom-Truppen auf Hitlers Kartentisch. Die Realität: Armee-Reste, die um ihr Überleben kämpfen, verblendete Hitler-Jugendliche, die ebenso sinnlos sterben wie die Zivilbevölkerung, SS-Schergen, die auf der Jagd nach Deserteuren keine Gefangenen machen ... Und natürlich ein unerbittlicher Feind, dem Hirschbiegel und Eichinger kein Gesicht gegeben haben, "Der Untergang" ist kein Kriegsfilm.

Traudl Junge verstarb wenige Stunden nach der Uraufführung

Der Zuschauer kann sich nicht ohne Weiteres auf die Seite des Guten gegen das Böse schlagen, er muss sich mit diesen untergehenden Deutschen in ihrem Bunker beschäftigen, ob er will oder nicht. Fast krampfhaft möchte man einen finden, der verurteilt, opponiert, sich auflehnt. Aber wo? Professor Schenk (Christian Berkel), der SS-Arzt, ist im Kampf um Leben und für Gerechtigkeit von vornherein machtlos, doch das verbindende Element zwischen der Welt oben und dem Bunker unten. Dort wagt keiner aus Hitlers engstem Kreise zu widersprechen. Man taumelt mit mehr oder weniger offenen Augen dem Untergang entgegen. Auch Traudl Junge (Alexandra Maria Lara), Hitlers kreuzbrave Sekretärin.

Erst dann, fast ganz am Schluss, greift Hirschbiegels ansonsten eiskalte Inszenierung richtig ans Herz. Corinna Harfouch - seit kurzem auch "Tatort"-Kommissarin - als Magda Goebbels, die "glücklichste Mutter Deutschlands", treibt den Zuschauern Tränen in die Augen, wenn sie als Frau des Reichspropagandaministers (Ulrich Matthes) ihre Kinder in den Selbstmord zwingt.

Aber das allein würde vor der Kritik gewiss nicht als moralischer Kommentar ausreichen, den viele bei einer solchen Auseinandersetzung mit der Historie für unerlässlich halten. Deshalb darf die wahre Traudl Junge im Vorwort und im Epilog Stellung beziehen. Jene Aufnahmen stammen aus André Hellers Dokumentarfilm "Im toten Winkel". Traudl Junge verstarb im Februar 2002 81-jährig, wenige Stunden nach der Uraufführung.

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