20.08.2025 von SWYRL
Eine Polizei, die nach eigenem Ermessen "immer hinterher" ist, ein verhängnisvoller Behördenkreislauf und Hass gegen Randgruppen: Dunja Hayali wirft in einer neuen "Am Puls"-Folge einen Blick auf die deutsche Sicherheitslage. Hoffnungslos ist die Lage trotzdem nicht, wie ein Blick nach Belgien zeigt.
"Das ist der Lauf der Dinge", gibt Ali Erbek resigniert zu Protokoll. Der Oberkommissar hat am Bremer Hauptbahnhof bei der Kontrolle von Obdachlosen einen Mann aufgespürt, der wegen Diebstahl gesucht wird. Mitnehmen kann er ihn nicht, sondern lediglich die Ermahnung aussprechen, der Mann möge sich bei der Staatsanwaltschaft melden. Erst wenn einige Schleifen zwischen vergeblichen postalischen Zustellungsversuchen und weiteren Ermahnungen gedreht werden, kann ein Haftbefehl ausgestellt werden. "Das ist doch absurd", kommentiert Reporterin Dunja Hayali, die im Rahmen der "Am Puls"-Reihe des ZDF der Frage nach der "inneren (Un-)Sicherheit" der Deutschen nachgeht.
"Ob es mehr geworden ist, kann ich nicht sagen. Die Fälle, die wir haben, sind schon härter und nehmen von der Gewalt zu", beschreibt Erbek seinen Arbeitsalltag. Zunehmend würden Messer zu einem "Riesen-Problem", das bestätigt auch die Polizeistatistik. Der Polizist räumt ein, es sei ein Kampf gegen Windmühlen: "Wir sind immer hinterher, immer einen Schritt langsamer." Trotzdem versichert sein Kollege Lukas Humfeldt: "Es ist ein schwieriger Kampf, aber wir kämpfen." Dunja Hayali kommt dennoch nicht umhin, festzustellen: "Irgendwie wirkt die Polizei machtlos."
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Forscherin klagt über soziale Medien: "Sie heizen eine sehr emotionale Debatte an"
Dass die Erfolge der Bremer Beamtenstaffel messbar sind (15 Prozent weniger Gewalttaten), geht in der öffentlichen Wahrnehmung oft unter. "Die digitalen Medien heizen eine sehr emotionale Debatte an", weiß Forscherin Julia Ebner von der Universität Oxford. Im digitalen Raum gebe es "überproportional viel Aufmerksamkeit für verzerrte Statistiken", dabei würden einige Studien zeigen, dass Migration und Kriminalität nicht in einen kausalen Zusammenhang zu bringen seien. Auch die mediale Berichterstattung würde einiges "sensationalisieren".
Eine Gruppe Kölner Frauen, die Hayali beim Weg ins Nachtleben begleitet, bestätigen: Es sei "vollkommen egal", woher Männer stammen. "Super-unangenehm" würden sich oft Gruppen von Über-50-Jährigen benehmen und Junggesellenabschiede. Unter erheblichem Alkoholeinfluss würden sich die Männer "gegenseitig aufstacheln", sind sich die Frauen einig. Und doch wird, das zeigen Statistiken, über Täter mit ausländischem Hintergrund länger und öfter berichtet.
Das kann, angetrieben von rechter Stimmungsmache, in Hass gegen Migranten und Geflüchtete umschlagen, wie der Fall von Anis zeigt: Der junge Mann wurde auf dem Nachhauseweg von der Arbeit von einem Deutschen niedergestochen und lebensgefährlich verletzt. "Ich will nicht sterben, ohne meine Eltern gesehen zu haben", sei sein letzter Gedanke vor dem Weg ins Krankenhaus gewesen, beschreibt der 25-jährige Syrer.
NRW-Innenminister Reul schwärmt: "Es ist genial, was Palantir kann"
Neben dem allgemein gestiegenen Unsicherheitsgefühl und Brennpunkten in Großstädten machen der Polizei auch Kommunikationsprobleme und der Datenabgleich hinsichtlich verdächtiger Personen Probleme. Oft müssen mehrere Datenbanken durchforstet werden. Das kostet Zeit und birgt Fehlerquellen. Helfen soll eine KI-Software, die die Datensätze in Sekundenschnelle gesammelt durchsuchen kann. Doch im Inland fehlt eine konkurrenzfähige Software. Und der US-Marktführer Palantir steht wegen Datenschutzbedenken und der Nähe zu Trump-Unterstützer Peter Thiel in der Kritik - selbst, wenn NRW-Innenminister Herbert Reul betont: "Es ist genial, was Palantir kann."
Aussichtslos scheint die Lage trotz der offenkundigen Probleme aber nicht zu sein. Dunja Hayalis Recherchereise führte die Journalistin auch nach Mechelen. Galt die belgische Stadt noch vor einigen Jahren als Zentrum von Drogen, Gewalt und Verwahrlosung, hat sie sich zum europäischen Vorbild in Sachen Kriminalitätsbekämpfung gemausert. "Unsere Stärke war es, unkonventionell zu denken", beschreibt der Vater des Erfolges, Bürgermeister Bart Somers. Großflächige Kameraüberwachung in Verbindung mit unmissverständlichen Regeln habe die Kriminalitätsrate erheblich gedrückt.
Aber das ist nicht alles, wie Somers gegenüber Hayali erklärt: "Es braucht auch Prävention, Jugendhilfe, ein offenes Ohr für die Sorgen der Menschen, inklusive Politik." Maßnahmen wie Patenschaften für Geflüchtete von Ortsansässigen tragen zum allgemeinen Sicherheitsgefühl bei. Selbstbewusst sagt der Bürgermeister: "Wir sind die 'Yes, we can'-Stadt. Wir zeigen der Welt, wie es geht." Womöglich sollte die Innenminister-Konferenz einmal Halt in der belgischen Stadt machen.