Im Gespräch zu "Mandat für Mai"

Schauspielerin Julia Hartmann: "Ich wäre gerne eine Dinkelzwang-Mama"

17.03.2024 von SWYRL/Martina Maier

Für ihr Kind liebt Julia Hartmann Bio-Kautschuk-Spielzeug, vor der Kamera setzt sie sich auch mal mit häuslicher Gewalt auseinander. Die 38-jährige Schauspielerin gibt in "Mandat für Mai" (ab 28.3. im ZDF) eine taffe Anwältin, die in einem vogtländer Dorf für Gerechtigkeit sorgt.

Die erste Frage kommt von Julia Hartmann: "Wollen wir uns nicht duzen?" Gerne. Ein Gespräch mit der 38-jährigen Schauspielerin fühlt sich an, als würde man sich vom Spielplatz um die Ecke kennen: Sie fragt zurück, ist das genaue Gegenteil von oberflächlich, dabei offen und vor allem herzerwärmend vernarrt in ihr Baby. Der Kleine war erst wenige Monate alt, als Julia Hartmann die Titelfigur in der neuen Anwaltreihe "Mandat für Mai" (ab 21. März, donnerstags, jeweils in Doppelfolgen im ZDF) übernahm und aus jeder Dreh- eine Stillpause machte. Die Ostberlinerin, die mit elf Jahren das erste Mal vor der Kamera stand und eine beeindruckend lange Filmografie ("Erzgebirgskrimi", "Jenseits des Spiegels", "Hilfe, ich habe meine Eltern geschrumpft") vorweisen kann, genießt momentan eine drehfreie Zeit mit Mann und Kind und macht parallel eine Ausbildung zur erlebnisorientierten Familientherapeutin. Der konsequenten Bio-Verfechterin und bis auf seltene Ausnahmen vegan lebenden Schauspielerin ist es sehr wichtig, bewusst und im Einklang mit der Natur zu leben. Julia Hartmann über innere Arbeit, toxische Beziehungen und In-Familientherapeut Jesper Juul.

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Bedürfnis- und bindungsorientierte Begleitung für den Sohn

teleschau: Wie war es für Sie, in die Rolle der Figurder Anwältin "Mai", die sich vor ihrem gewalttätigen Partner versteckt, zu schlüpfen?

Julia Hartmann: Ich mochte wahnsinnig gerne, dass sie eine moderne Heldinnenfigur ist. Als es ums Schießen ging, musste ich mich schon in der technischen Probe komplett von mir selbst verabschieden. Ich will als Julia kein Gewehr in die Hand nehmen. Als "Mai" war das kein Problem, und ich konnte ihre Faszination dafür fühlen. Das fand ich super interessant. Ich spiele ja schon lange und auch ganz unterschiedliche Figuren, aber in dieser Situation ist mir mal wieder bewusst geworden, wie weit weg sie von einem sein können.

teleschau: Ist das nicht auch ein Reiz deines Berufs, dass man immer wieder Sachen ausprobieren kann, mit denen man privat überhaupt nichts am Stecken hast?

Julia Hartmann: Ja klar, immer. Es würde mich wundern, wenn es Kolleginnen oder Kollegen gibt, die das Gegenteil behaupten. Da kommen manchmal die ganzen unterdrückten Anteile hoch (lacht). Ich mag diese Figur "Mai" sehr, und es hat riesigen Spaß gemacht, sie zu spielen. Es geht mir immer darum, die Menschen abzuholen und zu berühren. Wir wollten nicht den moralischen Zeigefinger erheben, sondern ausprobieren, was passiert, wenn diese Anwältin sich zwischenmenschlich öffnet und empathisch handelt. Als ich die Drehbücher las, dachte ich, das muss ich spielen (lacht).

teleschau: Das Set an der Göltzschtalbrücke ist einzigartig und erinnert an ein angestaubtes Westerndorf. Wie viel davon ist echt?

Julia Hartmann: Das Hauptmotiv, nämlich das gelbe Haus, in dem Mai wohnt, steht da tatsächlich so, direkt an der Brücke. Ich finde, es sieht ein bisschen nach Studio Babelsberg aus (lacht). Ich war auch komplett beeindruckt. Das Haus vom Dorfkrug ist auch in der Realität direkt gegenüber und wurde für uns innen umgebaut. Neben der wunderschönen Natur haben die abgerockten Häuser einen großen Charme. Das passt gut zur Geschichte.

teleschau: Lass uns über Ihr Baby reden. Wie war es, Baby und Beruf miteinander in Einklang zu bringen?

Julia Hartmann: Zuerst habe ich die Einladung zum Casting abgesagt, weil mein Kind noch so klein war. Ich konnte mir zu dem Zeitpunkt nicht vorstellen, so eine große Rolle zu spielen. Mein innerer Plan war, dass ich das erste Jahr gar nicht arbeite, um für den Kleinen da zu sein. Ich habe mich für eine bedürfnis- und bindungsorientierte Begleitung entschieden, das erfordert viel Aufmerksamkeit, Dasein, und gleichzeitig ist es wichtig, dass ich auch meine Bedürfnisse im Blick behalte. Hätte ich unsere Nanny nicht gefunden, hätte ich nicht drehen können. Sie war wie ein Universumswunder (lacht). Ich habe gleich gesehen, dass der Kleine sie annimmt.

"Das Familienbett ist wichtig"

teleschau: Konnte der Papa dabei sein?

Julia Hartmann: Er arbeitet auch viel. Er war zwar oft mit dabei, aber leider nicht durchgehend, weil die Dreharbeiten über drei Monate gingen. Und nein, es ist nicht der Schauspieler Jan Hartmann, dessen Frau auch Julia heißt (lacht). Das wird so oft verwechselt. Von 52 Drehtagen hatte ich 48. Der Kleine war in jeder Pause bei mir zum Stillen. Ansonsten hat die Nanny ihn ganz viel in der Trage am Körper gehabt.

teleschau: Sie reden nicht gern über Ihr Privatleben, sind aber offen dafür, Fotos zu posten, wo du dann Herzchen auf das Gesicht von dem Baby gelegt wurden ...

Julia Hartmann: Ich rede gern darüber, wie ich die Welt sehe, auch über Persönliches, nur den Papa und unsere genauen Wohnorte möchte ich raushalten und den Kleinen nicht mit Gesicht zeigen.

teleschau: Wie hat sich das Leben und Denken verändert, seit Sie Mutter sind?

Julia Hartmann: Die zehn Jahre, bevor ich schwanger geworden bin, habe ich mich intensiv der inneren Arbeit zugewendet. Ich wollte meine Vergangenheit angesehen haben, auch um nicht meine ganzen Themen ungefiltert auf das Kind zu projizieren. Aber sie sind immer noch alle da (lacht). Das ist die große Erkenntnis, dass das offenbar nicht alles fleißig bearbeitet werden kann und es dann weg ist, sondern dass ich einen anderen Umgang mit meinen tiefen Themen gelernt habe.

teleschau: Was hat Ihnen Angst gemacht?

Julia Hartmann: Ich hatte wahnsinnig große Angst vor dem Schlafmangel. Aber ich mache das bis heute so, dass ich mich mit hinlege, sobald er schläft, wenn ich es gerade kann. Er liegt auch nachts neben mir. Wenn er wach wird und mich sucht, stille ich ihn, dann schläft er dabei weiter. Das bedeutet, ich kann auch genug schlafen, weil ich nicht aufstehen und in ein anderes Zimmer laufen oder eine Flasche machen muss. Ich finde das Familienbett wichtig, und auch das Stillen hat für mich viele Vorteile.

teleschau: Soll noch ein Zweites kommen?

Julia Hartmann: Das ist aktuell nicht geplant. Ich möchte erst mal den Kleinen gut begleiten, und ich bin wahnsinnig froh und dankbar, dass ich ein Kind habe. In ein paar Jahren gucke ich noch mal, wie es mir und uns geht, und dann sehen wir weiter.

teleschau: Sind Sie eine Dinkelzwang-Mama, mit selbst gekochtem Biobrei und Augen auf allem, was das Kind angeht?

Julia Hartmann: Ich glaube, ich wäre gerne eine Dinkelzwang-Mama. Im Kopf war ich das vor der Schwangerschaft, weil ich konsequent Bioprodukte esse und kein Fleisch, ich ernähre mich sehr gesund. Ich habe auch immer gedacht, mein Kind wird niemals Plastik in den Mund nehmen. Das klappt leider gar nicht (lacht). Da bin ich wirklich entspannt geworden, weil ich sonst den ganzen Tag nur "nein, nein, nein" sagen müsste. Wir haben so viel tolles Bio-Kautschuk-Spielzeug, auf dem er herumbeißen könnte, aber er will es nicht. Deswegen bin ich jetzt keine Dinkelzwang-Mama mehr (lacht).

"Früher war ich dogmatisch"

teleschau: Sie haben in einem anderen Interview gesagt, sie würden gern in eine riesige Schüssel vegane Eiscreme springen. Kommt bei Ihnen Fleisch ins Haus?

Julia Hartmann: Mein Partner isst ab und zu Fleisch, das heißt, wir haben ganz selten mal Fleisch da. Der Kleine hat noch keines gegessen, und solange ich ihn stille, denke ich auch nicht, dass es ihm an Nährstoffen fehlt. Ich habe ganz viel darüber gelesen und bin mir sehr klar darüber, was ich da mache. Wenn er es irgendwann probieren will, kann er das natürlich, aber ich werde es ihm nicht aktiv anbieten.

teleschau: Leben Sie konsequent vegan?

Julia Hartmann: Ich lebe wohl zu 80 Prozent vegan und habe während der Schwangerschaft wieder angefangen, Käse und ab und zu mal ein Ei zu essen, Bio natürlich. Das gebe ich dem Kleinen auch. Er probiert alles, was wir essen. Ich weiß, dass es möglich ist, Kinder komplett vegan zu ernähren, aber so radikal will ich das nicht machen. Vegetarisches Essen ist mir wichtig.

teleschau: Wie lange sind Sie schon Vegetarierin?

Julia Hartmann: Ich war als Kind mal auf einem Bauernhof und habe mitgekriegt, wie Tiere geschlachtet werden. Da war mir klar, dass ich das nicht will. Danach war ich als Kind ein paar Jahre Vegetarierin. Meine Eltern sagten, weil sie es nicht besser wussten: "Du brauchst Fleisch, du bist im Wachstum." Dann habe ich eine Weile Fleisch gegessen, merkte aber, mir geht es mit und ohne genau gleich gut und in meinem Körper ändert sich nichts. Mit 20 habe ich dann entschieden, vegan zu leben. Ich habe Phasen, in denen ich das komplett durchziehe. Ich versuche, auf meinen Körper zu hören. Manchmal nehme ich ein bisschen Käse dazu, wenn ich Lust darauf habe. Früher war ich dogmatisch, aber jetzt versuche ich, da entspannter zu werden, weil die Psyche auch viel macht.

Beim Streit: raus aus dem "Nee, du!"-Modus

teleschau: Von all dem, was dir wichtig ist, was möchten Sie Ihrem Sohn mitgeben?

Julia Hartmann: Ganz viel. Natürlich das Bio-Essen. Aber auch, dass er ein Bewusstsein dafür bekommt, was Massentierhaltung ist, wo das Essen herkommt, was damit gemacht und wie es verarbeitet wird. Und mir ist es ganz wichtig, dass er ein gutes Selbstwertgefühl kriegt, dass er lernt, seine Gefühle wahrzunehmen. Ich möchte versuchen, ihn darin zu begleiten, dass das zum Leben dazu gehört. Für mich ist Wut ein Riesenthema, weil ich als Kind nicht gelernt habe, damit umzugehen. Ich durfte nicht zu laut, nicht zu wild sein und so weiter. Die Erzieherinnen und Erzieher sowie die Lehrerinnen und Lehrer waren selbst ratlos, glaube ich, weil sie auch nicht gelernt haben, mit starken Gefühlen umzugehen.

teleschau: Überall in Deutschland gehen zurzeit Leute mit Transparenten auf die Straße. Bei welchem Thema würden Sie mitlaufen?

Julia Hartmann: Früher bin ich sehr viel auf Demos gegangen und für den Frieden mitgelaufen, für ein soziales Miteinander und einen grüneren Planeten. Seit der Schwangerschaft muss ich zugeben, dass ich mich ganz bewusst in meine Schutzblase zurückziehe und weniger Nachrichten mehr konsumiere, um in meiner Kraft zu bleiben, weil mich das sehr aufwühlt, was in der Welt passiert. Ich merke durch die Hormone, dass ich ganz anfällig und sensibel bin und mich aktiv schütze. Darum gönne ich mir die sehr privilegierte Auszeit, bevor ich bestimmt wieder aktiv werde!

teleschau: Es geht in "Mandat für Mai" auch um häusliche Gewalt. Haben Sie damit schon einmal Erfahrungen gemacht?

Julia Hartmann: Mir sind toxische Strukturen vertraut. Ich erlebe sie immer wieder in unserer Gesellschaft, und ich habe auch schon Erfahrungen mit toxischen Beziehungen gemacht, vor allem in verbaler, psychischer Form. Ich glaube, dass das in unserer Gesellschaft sehr verbreitet ist. Ich habe mich ganz viel mit gewaltfreier und wertschätzender Kommunikation beschäftigt, und mir fällt immer wieder auf, dass die wenigsten Menschen sie anwenden. Es geht in unserer Gesellschaft immer wieder um gegenseitiges Beschuldigen, oder dass jemand schuld ist an den Problemen des Anderen oder das Glück im Außen gesucht wird.

teleschau: Erleben Sie das auch an sich?

Julia Hartmann: In Streitsituationen habe ich manchmal das Gefühl, da reagiert das Stammhirn, und ich bin wie eine Neandertalerin sofort wieder im "Nee, du!"- Modus. Es ist eine aktive Arbeit, immer wieder zurückzukommen und sich zu sagen: "Ich will von mir reden und versuchen, alles um mich herum wertzuschätzen." Ich habe gelernt, wenn das Stammhirn aktiv ist, entsteht der Impuls zu Flucht, Angriff oder Schockstarre. In der Evolution ist dieser Teil vom Gehirn noch nicht so weit ausgebildet, darum können wir gar nicht anders, als so zu handeln. Ich übe es trotzdem jeden Tag, denn ich würde es gern richtig gut können. Zuerst sagte ich nur die entsprechenden gewaltfreien Sätze wie eine fleißige Schülerin. Aber dann wunderte ich mich, warum das beim Gegenüber nicht ankam. Es ist wie wenn man eine Rolle spielt: Wenn ich die Sätze einfach nur sage, aber nicht meine, dann funktioniert es einfach nicht (lacht).

Ausbildung am deutsch-dänischen Institut für Familientherapie

teleschau: Wo und wie machen Sie gerne Urlaub?

Julia Hartmann: Ich liebe die Insel Hiddensee, das ist mein Kraftort. Da bin ich seit meiner Kindheit jeden Sommer gewesen, und ich merke, da zieht es mich immer noch hin. Ich bin dort die ganze Zeit draußen in der Natur, das ist das Schönste. Direkt nach "Mandat für Mai" sind wir für drei Wochen nach Hiddensee gefahren.

teleschau: Sie wohnen in Berlin, der größten Stadt weit und breit - ist das ein Widerspruch für Sie als Naturliebhaberin?

Julia Hartmann: Ich lebe seit der Schwangerschaft auch mit bei meinem Freund in NRW. Der wohnt am Naturschutzgebiet. In Berlin habe ich noch ein Zimmer; die Castings und meine Familie sind in der Stadt. Ansonsten sind wir hier ganz nah an der Natur, und das ist die perfekte Mischung für mich. Gerade jetzt mit dem Kleinen ist es super, im Grünen zu sein.

teleschau: Waren Sie auf der Berlinale und magst Events mit rotem Teppich und vielen Leuten?

Julia Hartmann: Ich war nicht da und brauche es auch gerade überhaupt nicht. Wenn ich mich entscheiden müsste zwischen rotem Teppich, Leute treffen, oder ich bin mit meinem Baby im Bett, dann bin ich mit meinem Baby im Bett, ja! (lacht). Gerade war ich in der TV-Sendung "Wer weiß denn sowas?", das fand ich aber total schön.

teleschau: Wie kann eine Nanny Ihnen ein gutes Gefühl geben, wenn Sie wieder vor der Kamera stehen?

Julia Hartmann: Mir ist es wichtig, dass mein Sohn nicht ausgeschimpft wird oder sich so was anhören muss wie: "Du hast dir gar nicht weh getan, guck mal der Vogel da oben!" Ich höre so was jeden Tag auf dem Spielplatz, es ist unfassbar verbreitet. Mir ist es lieber zu sagen: "Ok, du hast dir weh getan, du kannst jetzt bei mir weinen, und ich bin da." Ich versuche für kommende Projekte eine Nanny zu finden, die ähnlich schwingt.

teleschau: Man spürt bei Ihnen ein riesiges Interesse an Kindern und einem gesunden Aufwachsen ...

Julia Hartmann: Schon in der Schwangerschaft habe ich ganz viel von Jesper Juul gelesen und parallel selbst eine Ausbildung am deutsch-dänischen Institut für Familientherapie angefangen, weil mich das so brennend interessiert hat. Ich liebe es, Schauspielerin zu sein, es gibt aber noch etwas anderes, wofür ich brenne, und das ist die Begleitung von Kindern oder wie sie gesehen und in die Welt gebracht werden.

teleschau: Worauf läuft diese Ausbildung hinaus?

Julia Hartmann: Ich bin dann erlebnisorientierte Familientherapeutin (lacht) und kann Familien unterstützen. Das Konzept ist so, dass die ganze Familie kommt, nicht nur eine Person, auch die Kleinsten sind mit im Raum und hören, was gesprochen wird. Das finde ich einen sehr schönen Ansatz.

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