"Markus Lanz"

Holocaust-Überlebender warnt vor Antisemitismus: "Mit dem Verdrängen wiederholen wir"

17.11.2023 von SWYRL/Natascha Wittmann

Er hat den Holocaust hautnah miterlebt und warnt jetzt vor einer Wiederholung der Vergangenheit. Bei "Markus Lanz" schilderte Ivar Buterfas-Frankenthal seine traumatischen Erlebnisse und machte gleichzeitig deutlich, dass sich Deutschland aktuell auf einem gefährlichen Kurs befinde.

"Ich war immer ein Mensch zweiter Klasse, weil es keine dritte gab", offenbarte der Holocaust-Überlebende Ivar Buterfas-Frankenthal am Donnerstagabend bei "Markus Lanz". Der gebürtige Hamburger erlebte vor knapp 85 Jahren sogar die Reichsprogromnacht am 9. November 1938 und sagte dazu mit ernster Miene: "Es war furchtbar, auf Glasscherben zutreten, die Geschäfte waren alle geplündert, (...) und es lagen auch Tote auf der Straße."

Ab dem Moment änderte sich das Leben von Ivar Buterfas-Frankenthal und seinen sieben Geschwistern schlagartig. Während sie mit ihrer Mutter nach Polen flüchten mussten und in unzähligen Kellern versteckt um ihr Leben bangten, war ihr Vater in einem Konzentrationslager gefangen und musste jahrelang schwerste Arbeit verüben. Dies habe ihn "seelisch gebrochen", berichtete Buterfas-Frankenthal zu Lanz.

Auch der Holocaust-Überlebende musste sich jeder Menge Gefahrensituationen stellen. So wurde er zu Beginn des Krieges von seinem Schuldirektor als "Juden-Lümmel" beschimpft und vom Schulhof geworfen. Buterfas-Frankenthal zitierte den Pädagogen: "Du wirst mit deinem jüdischen Pest-Atem unsere arische Luft nicht weiter belasten."

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Ivar Buterfas-Frankenthal: "Ich habe geheult wie am Spieß"

Worte, die sich in die Seele des fast 91-Jährigen eingebrannt haben. "Ich habe geheult wie am Spieß. Ich konnte gar nicht begreifen, was ist denn überhaupt ein Jude? Ist das eine Krankheit?", erinnerte sich Buterfas-Frankenthal. Er ergänzte, dass er jahrelang "durch die Hölle gegangen" sei und seinen Lebenswillen nur einer Frau zu verdanken habe: "Wenn meine Frau nicht gewesen wäre, könnte ich hier heute nicht sitzen. Ich hätte mich wahrscheinlich von dem, was ich erlebt habe, nicht erholt."

Der Zeitzeuge legte daraufhin eine kurze Pause ein und gab Lanz neckisch ein "gutes Geheimnis für eine Ehe": "Grundsätzlich musst du als Mann dir das letzte Wort bewahren. Das ist ganz wichtig. Wissen Sie, wie das letzte Wort heißt?" Lanz antwortete: "Ja, Schatz." Buterfas-Frankenthal nickte lachend: "Jawohl, Liebling."

Daraufhin wurde er jedoch wieder ernst, als es um den wachsenden Antisemitismus in Deutschland ging, der besonders seit dem Ausbruch des Krieges in Nahost wieder aufgeflammt ist. "Man muss sich diese Zeit vorstellen - und wir haben sie wieder! Wir haben sie wieder! Und mit dem Verdrängen wiederholen wir. Das ist das Schlimmste, was es gibt", warnte Buterfas-Frankenthal.

Er selbst verlor 1942 seine deutsche Staatsbürgerschaft und musste sich auch nach Kriegsende mit antisemitischen Beamten abgeben: "Der Strolch hat 20 Jahre gebraucht, um mir die deutsche Staatsbürgerschaft wiederzugeben", erzählte der Holocaust-Überlebende wütend. Er ergänzte, dass der Nationalsozialismus noch lange nicht aus den Köpfen heraus sei. Umso wichtiger sei nun die Aufklärung, denn ohne sie "haben wir keine Chance, dass wir auch nur das Geringste verändern".

"Wahnsinnig erschreckend": Studentin warnt vor Verschwörungstheorien im Netz

Markus Lanz sagte daraufhin fassungslos: "Diese alten Verschwörungsmythen erleben ein Comeback, das man nicht für möglich gehalten hätte." Dem stimmte Studentin Hanna Veiler zu, die vor den Gefahren hinter Social-Media-Plattformen wie TikTok warnte. Dort gebe es laut der Präsidentin der Jüdischen Studierendenunion Deutschlands mittlerweile einen "regelrechten Boom" an Verschwörungstheorien, der von Millionen Jugendlichen und Kindern gesehen und geteilt werde. "Für mich ist das wahnsinnig erschreckend, das zu beobachten", so die Studentin.

Zwar mache es sie "wahnsinnig", dass so etwas im Jahr 2023 möglich sei, gleichzeitig ergänzte sie jedoch, dass es "für viele Jüdinnen und Juden leider keine Überraschung" sei. Sie ergänzte: "Was der jüdischen Community fehlt, was wir nicht wahrnehmen, ist ein Aufschrei, der Massen bewegen könnte." In dem Zusammenhang bemängelte Hanna Veiler auch die immer lauter werdende Israelkritik im Netz und sagte: "Natürlich müssen wir über die Grenzen der Meinungsfreiheit diskutieren. Seit dem 7. Oktober gibt es manche Sachen, die nicht mehr verhandelbar sind - zumindest für Jüdinnen und Juden in diesem Land."

Laut Veiler sei zudem "Israelkritik sehr häufig antisemitisch" gemeint. Ein Argument, dem Lanz nicht zustimmen konnte: "Ich würde nicht per se jedem unterstellen, dass er antisemitisch ist, aber ich würde schon ernst nehmen, wenn jemand sagt, ich kritisiere Israel. Was er damit meint, ist ja nicht, das Existenzrecht Israels infrage zu stellen." Laut des ZDF-Moderators sei es "nicht nur möglich", Kritik an Israel zu üben, sondern "sogar notwendig". Die Studentin nickte zwar, warnte jedoch auch: "Das Problem kommt dann auf, wenn man eine unglaubliche Hyperfixierung auf Israel hat."

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