"Player of Ibiza" - Mi. 19.06. - NDR: 23.30 Uhr

Glitzer, Glamour und Fremdscham

16.06.2024 von SWYRL/Marina Birner

Den Trash-TV-Boom nehmen die Macher von "Die Discounter" zum Anlass, das Genre in einer Miniserie komplett neu zu erfinden. "Player of Ibiza" ist eine herrlich durchgeknallte Satire mit Martin Brambach in einer Titelrolle, die es in sich hat.

"Fünf heiße Player, eine Insel, eine Queen, 25.000 Euro und eine Frage: Wer wird 'Player of Ibiza"? - Der Sprecher aus dem Off zu Beginn der ersten Folge der neuen Serie "Player of Ibiza" greift zu tönenden Schlagwörtern, wie es sie auf fast allen privaten TV-Kanälen zu vernehmen gibt. Die vielversprechenden Ankündigungen aus der Welt des Reality-TV sind beinahe allgegegenwärtig. Zwischen heißen Partys und wilden Challenges buhlen die Teilnehmer oder Kandidaten in immer neuen einschlägigen Shows um Herzen, Hauptgewinne - und natürlich auch um Einschaltquoten. "Player of Ibiza" ist ein fiktives Format, das es in sich hat - eine Serie, gemacht, um "eine kleine satirische Kritik an Reality-TV Shows zu üben", wie Regisseur und Autor Emil Belton fast ein wenig zu bescheiden erklärt. Diese sehenswerte Serie, die vor einigen Wochen in der ARD-Mediathek Premiere feierte und nun im NDR-Dritten linear ausgestrahlt wird, gibt es der Branche voll auf die Zwölf.

Belton steht übrigens auch selbst vor der Kamera: Er spielt Anthony, einen verwöhnten Typen aus reichem Hause, der sich selbst für einen Feministen hält. Wohlgemerkt deshalb, weil er darauf achtet, dass die Frau beim Sex kommt. - Eine Figur, die zweifellos im Gedächtnis bleiben wird. So wie seine "Player-Kollegen" Sammy Scheuritzel (spielt Muttersöhnchen Jeppe), Realitystar Arman Kashani (spielt Möchtegern-Moslem Abdel), Charles Booz Jakob (spielt erfolglosen Rapper Marvin) und Bruno Alexander (spielt "Testosteron-Pumper-Proll" Tim).

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Charakterköpfe der Extraklasse

Die Männer - oder besser die "Player" - der Serie stolpern also in das Abenteuer ihres Lebens. Diesmal verschlägt es die Kandidaten nicht wie erwartet auf Datingreise nach Ibiza, sondern ins beschauliche deutsche Buchholz. Dort gibt es zum Entsetzen der Männer weder Frauen noch ausschweifende Partys. Stattdessen müssen sie sich von Workshop zu Workshop hangeln, Herausforderungen meistern und sich - wie überraschend - immer wieder mit sich selbst auseinandersetzen. Denn der Chefredakteur des Reality-Formats Arne, genial gespielt von "Tatort"-Star Martin Brambach, hat sich diesmal etwas ganz Besonderes einfallen lassen. Eigentlich produziert er genau so eine trashige Datingshow, wie es sie so oft auch im deutschen Fernsehen zu sehen gibt. Nun will er allerdings den bisherigen Kurs ändern und eine Pro-Frauen-Version inszenieren. Mit seinen Spleens und unüberlegten Spitzen verfehlt er jedoch immer wieder das Ziel einer "Feminismus Edition".

Dass die fünf Player nichts von der radikalen Konzeptidee wissen, führt schließlich zu den üblichen Reality-Show-Dynamiken: Allianzen, Rivalitäten und Konflikten hinter den Kulissen. Ziel ist es, die Einschaltquoten zu steigern und gleichzeitig die Produktionskosten zu senken ... Eine packende Storyline, die ganz und gar den Zeitgeist trifft. Schließlich spielt "Player of Ibiza" im Jahr 2023.

So geht Feminismus - auch mal anders

Sowohl Kritiker als auch Fans des Trash-Genres kommen in den fünf Episoden auf ihre Kosten, nicht zuletzt wegen der ausgefeilten Charaktere. Die Story macht vieles richtig, weil sie aufzeigt, dass es eben unter der Oberfläche keine einfache Sache ist mit dem Fernseh-Trash. Für die einen ist es ein ausgelutschtes TV-Konzept, für die anderen willkommene leichte Unterhaltung, und für die Fernsehmacher wiederum ist es ein harter Job, gute Margen inklusive: Reality-TV ist definitiv viel mehr als das, was man sieht, das arbeitet die neue Comedy-Serie von den Machern von "Die Discounter" sehr sauber heraus. Die Zwillingsbrüder Emil und Oskar Belton sowie Bruno Alexander, die nach der erfolgreichen Miniserie erneut Regie führen, zeichnen gemeinsam mit Ellen Holthaus und Miriam Suad Bühler für das Drehbuch verantwortlich. Die drei Regisseure sind dafür bekannt, vor allem auf sogenannte "scripted Improvisation" zu setzen. Dabei überzeugt in "Player of Ibiza" vor allem Klasse-Schauspieler Brambach (56), der hier eine Art "alter weißer Mann der Herzen" gibt.

Zu Beginn hat seine Rolle Arne noch "etwas kalte Füße, da der Zeitgeist ja im Moment in eine ganz andere Richtung geht", wie der Schauspieler verrät. "Und deshalb beschließt er kurzerhand, aus diesem durchaus einfach gestrickten, sexistischen Format eine feministische Show zu machen." Arne wolle in der Jubiläumsstaffel der "Frauenszene einfach bisschen helfen". Und dann fragt er die schwarze Regisseurin Amelie (Larissa Sirah Herden), ob sie überhaupt wisse, was Feminismus ist ... Diese Wendung sei laut Brambach überhaupt nicht abwegig: "Man muss sich nur mal anschauen, wer sich alles aus Marketinggründen plötzlich als feministisch, antirassistisch oder queer darstellt".

Was sind eigentlich "klassische toxische Männer"?

Man merkt: die Macher wollen den größtmöglichen Konflikt erzeugen, indem sie, wie Brambach es formuliert, "klassische toxische Männer zeigen, die auf Feminismus knallen". Regisseur Oskar Belton konstatiert: "Wir von der Gen Z haben keinen Bock mehr auf die geschönte Wahrheit. Die Leute wollen Realness und nicht diese Hochglanzformate." So setzen Belton und Co. für ihre Rollen auf authentische Persönlichkeiten - unter anderem ist die feministische Bestsellerautorin und Pornofilm-Produzentin Mareice Kaiser mit von der Partie.

Schließlich geht es hier nicht zuletzt auch darum, Probleme wie Seximus scharf anzuprangern und übertrieben pubertäre Allüren ins Lächerliche zu ziehen. Denn wer kennt das nicht: das überspitzte Denglisch oder das proletenhafte, testosterongeladene Getue, nur, um ein bisschen zu posen und um die Sendezeit zu füllen? Die Serie ist insofern einrach realistisch: Sie ist jung, modern, auf den Punkt, amüsant und obendrein auch noch gesellschaftskritisch. Oder, wie die Casting-Sternchen es sagen würden: Voll das Meisterwerk, Digga!

Gedreht wurde die Serie 2023 nicht etwa in Ibiza, sondern in Hamburg, Schleswig-Holstein und Niedersachsen. "Player of Ibiza" ist ein Muss für TV-Junkies, Reality-Fans und all jene, die an den vier Staffeln des in die gleiche Kerbe schlagenden US-Formats "UnREAL" ihre diebische Freude hatten.

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