Die Mittagsfrau - Fr. 27.06. - 3sat: 20.15 Uhr

Diese Frau zu sein, macht keinen Spaß

23.06.2025 von SWYRL/Eric Leimann

Erstaunliche 16 Jahre dauerte es, bis Julia Francks 2007 mit Deutschen Buchpreis ausgezeichneter Weltbestseller "Die Mittagsfrau" fürs Kino verfilmt wurde. Ebenso erstaunlich: 3sat zeigt das historische Frauendrama mit der großartigen Mala Emde als Free TV-Premiere.

Julia Franck, Jahrgang 1970, ist eine der erfolgreichsten deutschen Schriftstellerinnen. Ihr Roman "Die Mittagsfrau" wurde in 37 Sprachen übersetzt und deutlich über eine Million Mal verkauft. Dazu gewann er 2007 den Deutschen Buchpreis. Im Roman und der erst 16 Jahren später realisierten Verfilmung geht es um Julia Francks Oma und Vater. Die alleinerziehende Großmutter ließ ihren sieben- oder achtjährigen Sohn 1945 im Zuge der Flucht an einem Bahnsteig warten - und kehrte nie mehr zurück. Warum verlässt eine Mutter ihr kleines Kind? Diese Leerstelle in ihrer Familiengeschichte, eine geradezu unglaubliche Tat, steht im Zentrum des Buches über die Verlassende, die im Film Helene heißt und wie immer großartig von Mala Emde gespielt wird.

Erzählt wird die Geschichte jener Frau. Im Film übrigens "abgesoftet" gegenüber der Härte des Romans, aber auch alles andere als ein Wohlfühlstoff: Helene (Emde) kommt mit ihrer Schwester Martha (Liliane Amuat) aus der Enge eines schwierigen Elternhauses ins aufregende Berlin der wilden 20er-Jahre. Während sich Martha dem Party- und Drogenrausch hingibt, will Helene Medizin studieren. Im linken Literaturstudenten Karl (Thomas Prenn aus "Mord auf dem Inka-Pfad") findet sie die Liebe ihres Lebens. Doch Karl stirbt, und die Nazis übernehmen die Macht. Bei ihrer Arbeit als Krankenschwester lernt sie in der Klinik den überzeugten Nazi-Soldaten Wilhelm (Max von der Groeben) kennen, der sich unsterblich in Helene verliebt. Da sie Halbjüdin ist, wird Helenes Situation in Berlin immer schwieriger. Wilhelm bietet an, Helene zu heiraten und ihr falsche Papiere zu besorgen.

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Warum verlässt eine Mutter ihr kleines Kind?

Helene lässt sich auf eine lieblose Ehe ein und bekommt Sohn Peter. Dann kommt es zur Trennung von Wilhelm. Helene spürt, dass sie ihren kleinen Sohn Peter nicht lieben kann. Auch er ist lieber bei der Nachbarin, die auf den Jungen aufpasst, während die alleinerziehende Helene im Krankenhaus arbeitet. Als der Krieg aus ist, verlässt Helene ihr Kind auf besagtem Bahnsteig. Eine Szene, die beim Zuschauen weh tut, ebenso wie zuvor die gesamte Beziehung Helenes zu Peter oder auch ihre quälende zum (ein wenig hölzern) gezeichneten toxischen Nazi-Ehemann.

Ja, in diesem Stoff macht es keinen Spaß, eine Frau zu sein. Und das nach eigentlich gutem Start: Als talentierte junge Frau mit psychisch kranker Mutter und toten, im Ersten Weltkrieg gefallenen Brüdern im Biografie-Gepäck, schafft es Helene ins aufregende Berlin der 20-er. Dort findet sie eine große Liebe. Dann jedoch nimmt dieses Leben die falsche Abfahrt - bedingt durch die Historie und persönliche Schicksalsschläge.

Mala Emde, 29 Jahre alt und zuletzt mit "Köln 75" im Kino, trägt diesen Film mit ihrem unvergleichlich intensiven und dennoch nie aufdringlichen Spiel. Die Themen des Romans - Migration und deutsche Geschichten vom Ersten Weltkrieg über die Weimarer Republik und den Faschismus bis in die Nachkriegszeit - werden auch im Film abgearbeitet. Und gespiegelt im Gesicht und am Körper einer Frau, die irgendwann einfach nicht mehr kann. Ob Helenes Empathielosigkeit hinreichend durch ihre Erlebnisse erklärt werden? Vielleicht, aber macht dies den Akt, ein kleines Kind zu verlassen, weniger schrecklich?

Was im Film (Regie: Barbara Albert, Drehbuch: Meike Hauck, Barbara Albert, Julia Franck) manchmal etwas konventionell und schwer daherkommt, ist als Geschichte ebenso schockierend wie berührend. Julia Francks Vater starb mit 49 Jahren an einem Hirntumor. Vorher erzählte er der Tochter seine Geschichte. Zur Großmutter, die noch lange zurückgezogen lebte, hatte die Autorin wohl nie persönlichen Kontakt.

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