"Spießer oder Rebellen? Die Geschichte der Schrebergärten" - Di. 18.06. - 3sat: 22.25 Uhr

Der Gartenzwerg ist gar nicht deutsch

16.06.2024 von SWYRL/Hans Czerny

Schrebergärten wurden wegen ihrer strengen Verordnungen, was Heckenhöhen oder Rasenflächen betrifft, stets als spießig und typisch deutsch belächelt. Mittlerweile haben sie an Ansehen gewonnen, auch bei den Jüngeren. Der "ZDF-History"-Film erzählt informativ und unterhaltsam ihre Geschichte.

Parzelle, Kleingarten, Datsche oder Laube: Es gibt viele Begriffe für das, was die meisten auch als Schrebergarten kennen. Ein Stückchen Grün, in dem Städter auf kleinem Raum den Traum vom eigenen Garten leben können. Lange Zeit galten Schrebergärten als Rentner-Hobby, typisch deutsch und ziemlich spießig. Mittlerweile haben auch junge, hippe Städterinnen und Städter ihre Liebe zu ihnen entdeckt und sind unter die "Laubenpieper" gegangen. Die so interessante wie humorvoll gemachte Doku "Spießer oder Rebellen? Die Geschichte der Schrebergärten" aus der Reihe "ZDF History", die nun am späteren Abend bei 3sat wiederholt wird, widmet sich der Entwicklung des Kleingartens, die gut 170 Jahre umfasst.

Zwei von zahlreichen Lektionen des Beitrags: Der fleißige Gartenzwerg, der vielen als klischeehaftes Sinnbild allen Deutschseins gilt, kommt überraschenderweise gar nicht aus Deutschland. Und der Namensgeber des Schrebergartens, der Leipziger Arzt, Hochschullehrer und Volksertüchtiger Moritz Schreber (1808 bis 1861), war streng genommen gar nicht ihr Erfinder. Die Kleingärten erhielten seinen Namen erst posthum wegen dessen Verdienste um die Vorzüge der "Arbeit im Grünen".

Daneben zeigt die Dokumentation, dass es sich bei den Schrebergärten keineswegs einfach nur um ein Stück Spießigkeit mit eisernen Regeln für Ruhezeiten, Nutzbepflanzung und Heckenhöhe handelt, sondern um eine Erfindung mit bewegter Geschichte: vom Armengarten Anfang des 19. Jahrhunderts zum Versteck für Verfolgte in der Nazizeit - wie den 2022 verstorbenen Schauspieler Michael Degen -, von der Selbstversorger-Parzelle in der DDR, die allerdings von Honecker abgegriffen wurde, zum Gartenzwerg-Paradies und zum "Inbegriff deutscher Ordnungs- und Regelwut", wie es im "ZDF-History"-Beitrag heißt.

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Klischees und strenge Regeln

Veranschaulicht wird die Geschichte durch jede Menge historischer und aktueller Aufnahmen sowie Interviews mit Schrebergarten-Kennern und -Betreibern. Zwei der bekanntesten Schrebergarten-Besitzer waren übrigens Albert Einstein und Friedrich Ebert. Auch Angela Merkel besitzt eine Datsche in der Uckermark. Der Autor Wladimir Kaminer schrieb 2007 sogar ein Buch über "Mein Leben im Schrebergarten" und erzählt im Film von seinen teils bizarren Erfahrungen in seinen vier Jahren als Laubenpieper in einer Berliner Kleingartenkolonie, in der man sich an die Vorschriften des Bundeskleingartengesetzes zu halten hatte. "Wir haben so ziemlich gegen alle Gesetze verstoßen, außer dem Gesetz zur Haltung von Großvieh in Kleingartenanlagen", erklärt er mit ernster Miene in einer Archivaufnahme.

Heute ist es gar nicht mehr so leicht, so ein reguliertes Paradies zu bekommen, die Wartelisten der Menschen, die vom eigenen Schrebergarten träumen, sind meist lang. Und auch die Interessenten haben sich verändert. Weg vom Gartenzwerg, hin zur Parkanlage, so lautet inzwischen das Programm. "Alle Altersklassen" gilt es zu verbinden und "alle Nationalitäten". Das haben sich die Kleingartenvereine neben dem "gesunden Klima" auf die Fahne geschrieben - zu schön, um wahr zu sein.

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