17.08.2025 von SWYRL/Susanne Bald
Die elfjährige Nele glaubt, in der Seriendarstellerin Ani ihre verschollene Mutter Anita zu erkennen, und nimmt heimlich die Bahn zu ihr nach Hamburg. Neles Großmutter Steffi reist ihr panisch per Anhalter hinterher. Es wird ein Trip zur Selbsterkenntnis - für alle drei Protagonistinnen.
Irgendwann ist es wohl bei den meisten Schauspielerinnen so weit: Sie werden als Großmutter besetzt. Im Fall von Anja Kling muss man da doch kurz staunen. Die 55-Jährige führt im TV-Drama "Per Anhalter zur Ostsee" am Freitagabend im Ersten und vorab in der Mediathek das Trio seiner Protagonistinnen an. Der Arbeitstitel des Films lautete "Die Reise zu mir" und wäre passender gewählt als der eher beliebige finale Titel. Denn alle drei machen in dem 90-Minüter eine Reise der Selbstfindung durch. Der Weg ist das Ziel.
Steffi (Kling) ist eine Helikopter-Oma, übervorsichtig, fast panisch, wenn es um ihre Enkelin Nele (Maïmouna Mbacké) geht. "Darf ich überhaupt irgendwas machen? Bind mir doch gleich 'ne Leine um!", sagt die Elfjährige wütend. "Du kriegst ja schon Angst, wenn ich nur einen Tee aufbrühe!" Vor acht Jahren verschwand Steffis Tochter Anita, Neles Mutter, spurlos während einer Reise. Zuvor hatten sie sich im Streit getrennt, seitdem lebt Steffi mit Schuldgefühlen. Nele erzählt sie, Anita sei auf Weltreise.
"Steffi hat mit begründeten und sehr verständlichen Verlustängsten zu kämpfen, die sie unbewusst ausgerechnet an der Person auslässt, die sie am allermeisten liebt", erklärt Anja Kling ihre Figur. "Dieser Konflikt hat mich sehr berührt. Und auch wenn wir versucht haben, eine leichtfüßige Erzählweise zu finden, sind die dargestellten Schwierigkeiten für mich absolut nachvollziehbar."
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Eine Reise zur Selbsterkenntnis
Und dann ist Nele plötzlich weg. "Omi, vertrau mir", steht auf einem Zettel, den sie zurückgelassen hat. "Ich bin bald zurück. Ich mach auch nichts Gefährliches." Beim Fernsehen am Abend zuvor glaubte sie, in der Seriendarstellerin Ani (Franziska Wulf) ihre Mutter erkannt zu haben. Kurzentschlossen fährt das Mädchen allein nach Hamburg zum Drehort.
Steffi folgt ihr in Panik. Doch im Zug verliert sie ihren Rucksack samt Ticket und wird vor die Tür gesetzt. In ihrer Not nimmt sie auf einer Raststätte eine Mitfahrgelegenheit des empathischen Fernfahrers Ibo (Sahin Eryilmaz) an. Der hat allerdings eine elfstündige Pausenpflicht. Auf dem nächtlichen Rastplatz kommen die beiden ins Gespräch und öffnen sich einander bei Würstchen im Regen. Zeitgleich trifft Nele auf Ani, die ihr allerdings schnell die Illusion nimmt, ihre Mutter zu sein. Ani wiederum wird durch die Begegnung mit dem Mädchen dazu motiviert, ihre eigenen Probleme nicht länger zu verdrängen.
Und was ist nun mit Anita? Werden Steffi und Nele endlich Klarheit über ihren Verbleib erhalten? Zumindest, so suggeriert es auch der Filmtitel, ist die Reise in Hamburg ja noch nicht zu Ende ...
"Es geht um die Fähigkeit des Loslassens"
"Per Anhalter zur Ostsee" ist typische ARD-Degeto-Kost: eine herzerwärmende Geschichte ohne besonderen Tiefgang oder größere Überraschungen. Doch dank der sympathischen Darstellerinnen sorgt der 90-Minüter für durchaus gemütliche und berührende Unterhaltung zum Wochenabschluss.
Die Botschaft fasst Anja Kling so zusammen: "In unserem Film geht es sehr um die Fähigkeit des Loslassens, des gegenseitigen Vertrauens und der Überwindung eigener Ängste und Schranken, die uns in unserem Leben oft hemmen." Und sie gesteht: "Auch wenn meine Kinder inzwischen erwachsen sind und ich ihnen in jeder Hinsicht zu hundert Prozent vertraue, kann ich die Sorge um sie ja nicht einfach so abstellen ... Sie bleiben für mich für immer meine Kinder, die beschützt werden müssen. Ich glaube, das ist ganz normal."