"Der Anschlag - Angriff auf den BVB"

"Wir hatten unfassbare Angst!": Sky-Doku erzählt vom Horror des BVB-Anschlages

07.04.2023 von SWYRL/Julian Weinberger

Wenn Fußball in den Hintergrund rückt: In einem Dokumentarfilm blickt Sky auf den Anschlag auf den BVB-Mannschaftsbus von 2017 zurück. Neben den erschütternden Schilderungen der Spieler wirft der Film von Christian Twente Moralfragen auf und setzt sich kritisch mit der Arbeit der Polizei auseinander.

Dienstag, 11. April 2017, 19.16 Uhr: In dieser Minute bekam die Vereinshistorie von Borussia Dortmund eine ewig währende Kerbe. Allerdings nicht wegen eines entscheidenden Tores zu einem Titel, sondern weil ein Anschlag auf den Mannschaftsbus des Teams die Vorfreude auf die am Abend anstehende Champions-League-Partie gegen AS Monaco schlagartig vergessen machte. Kurz nach der Abfahrt vom Mannschaftshotel detonierten in unmittelbarer Nähe zum Bus drei Sprengsätze, er wurde schwer beschädigt, mit Marc Bartra wurde ein Spieler verletzt. Der Sky-Dokumentarfilm "Der Anschlag - Angriff auf den BVB" (ab 10. April) rekapituliert die Tat.

"Mich traf ein sehr starker Luftzug im Gesicht. Ich war wie eingefroren, ich konnte mich nicht mehr bewegen", schildert Bartra im 90-Minüter die ersten Eindrücke nach der Explosion. Sein damaliger Teamkollege Nuri Sahin fügt hinzu: "Ich habe echt gedacht, dass gleich Leute reinkommen und uns erschießen." Der Fußball wurde in diesem Moment ganz klein und unbedeutend, wie aus den angstvollen Schilderungen der Ex-Spieler hervorgeht. Er habe noch "nie so viel Horror in einem Gesichtsausdruck" gesehen, denkt Bartra an die Reaktionen seiner Mitspieler zurück.

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"Demokratie und Freiheit ist stärker als der Terror"

Während die Spieler realisieren, wie knapp sie bei dem Attentat einem viel schlimmeren Unglück entronnen sind, verbreitet sich die Nachricht wie ein Lauffeuer in der Stadt. Cornelia Weigandt, Pressesprecherin der Stadt Dortmund, berichtet von einer "Totenstille", als sie am Tatort eintraf. Auch im Signal Iduna Park beobachtet man die Entwicklungen mit schweigender Anteilnahme. "Wir hatten unfassbare Angst, dass irgendwo eine Bombe hochgeht. Das hat mich gelähmt", räumt BVB-Boss Hans-Joachim Watzke ein. Doch die Polizei kann weitere Explosionsgefahr im Stadionumfeld ausschließen, Watzke gibt noch auf dem Rasen die Verschiebung des Spiels auf den Tag danach bekannt.

Damit verabschiedet sich auch der Dokumentarfilm von Christian Twente von der Countdown-artigen Nacherzählung des Tathergangs und behandelt die moralische Dimension der Spielverlegung. "Da sitzen Jungs in einem Bus und erleben den Schock ihres Lebens. Der lässt sich nicht einfach in 24 Stunden verarbeiten", kritisiert Sportreporterin Esther Sedlaczek recht vehement die Entscheidung der Spielverlegung um einen Tag. Noch deutlicher wird Journalist Jörg Weiler, der neben "menschenunwürdigen" Regularien eine "absolute Farce" moniert.

Währenddessen schildert Watzke, er habe Druck aus der Politik bekommen, Telefonate mit dem damaligen Innenminister Thomas de Mazière und Bundeskanzlerin Angela Merkel gespürt. Man solle sich nicht dem "Terror beugen", habe der Appell der Politik gelautet. "Demokratie und Freiheit ist stärker als der Terror", unterstreicht de Mazière in der Doku, weist es aber von sich, einen Ratschlag erteilt zu haben. Letztlich wird der Mannschaft, ausgerechnet den direkt Betroffenen, die Entscheidung zugeschoben, zu spielen oder kampflos auszuscheiden. "Ich glaube, dass niemand spielen wollte", sagt Nuri Sahin. Doch letztlich tritt der BVB an, verliert, und Sahin konstatiert in der Rückschau: "Ich weiß, dass mir Fußball an dem Tag scheißegal war."

Österreichischer BVB-Fan verhilft Polizei auf richtige Fährte

Ein weiterer und wesentlicher Aspekt, den Twente in seinem sehr sehenswerten Fußball-Dokumentarfilm beleuchtet, ist die Rolle der Ermittlungsbehörden. Auch wenn Polizeisprecherin Weigandt beteuert, die Beamten hätten die Ermittlungen unmittelbar nach der Explosion mit großer Vehemenz vorangetrieben, fehlen nach 24 Stunden noch bahnbrechende Erkenntnisse. Diese Bilanz sei "besorgniserregend", urteilt "Stern Crime"-Reporter Nicolas Büchse im Film. Nachforschungen im rechten Milieu verlaufen ebenso im Sande wie Hinweise, die auf den Islamischen Staat oder die Hooliganszene in Belgien hindeuten.

Erst ein österreichischer BVB-Fan, Rudolf Scheuchl, bringt die Polizei auf die richtige Fährte. Ihm ist aufgefallen, dass am Tag des Anschlags in großem Stil auf einen massiven Kurseinbruch der BVB-Aktie spekuliert wurde. "Wie kann ich jetzt meine Intuition jemandem nahebringen, wenn es so etwas noch nie gegeben hat?", bringt Scheuchl sein Dilemma auf den Punkt. Tatsächlich stößt er bei der Polizei zunächst auf taube Ohren. Erst der BVB-Justiziar, an den sich der Österreicher per Mail auch wendet, bringt den Stein ins Rollen.

Dann geht es schnell: Die Behörden ermitteln, dass Sergej W. nicht nur im Mannschaftshotel residierte, sondern von dort aus auch die dubiosen Aktiendeals vorbereitete. Des Weiteren führt dessen Spur zu einer fingierten Brandstelle im Wald nahe dem Hotel - eine offensichtliche Verwirrungstaktik. Zehn Tage nach dem Anschlag wird er festgenommen. Auf einer Pressekonferenz von damals verurteilt Thomas de Mazière die "besonders widerwärtige Art von Habgier", die dem Mordparagrafen entspreche. Das Urteil fällt am 27. November 2018: 14 Jahre Freiheitsstrafe.

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