Wilsberg - Folge mir - Sa. 18.03. - ZDF: 20.15 Uhr

Die Hippe und der alte weiße Mann

16.03.2023 von SWYRL/Kai-Oliver Derks

Der neue "Wilsberg"-Krimi mit dem vielsagenden Titel "Folge mir" erklärt, was Influencerinnen so machen, um Geld zu verdienen.

Was waren das noch für Zeiten im deutschen Krimiland, als man sich noch einfach so wegen Eifersucht meuchelte. Oder aus Habgier. Oder Rache. Da lagen dann die Schönen und Reichen im hauseigenen Pool, die anderen vielleicht im vermüllten Hinterhof - und am Ende gestanden Papa, Bruder oder Geschäftspartner, dass ihnen irgendwie die Gäule durchgingen. Heute indes geht es beim 90-minütigen Krimi auch bei ähnlichen Mordmotiven immer nur um eines: um Relevanz. Es braucht eine Überschrift. Ein Thema unserer Zeit, das dick drüberliegt über den Filmen, die dann auch immer eine Botschaft für ihr Publikum haben. Umwelt, Integration, Ausbeutung, soziale Schieflagen - das sind dann die Themen. Und neuerdings geht es auch im linearen TV immer wieder um die sozialen Medien. So auch im aktuellen "Wilsberg", dem 78. Film der Reihe, in dem der alte weiße Mann auf eine hippe Influencerin mit gewaltigen Fingernägeln trifft.

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Die Schildkröte schweigt beharrlich

Dass die junge Nadja König nicht freiwillig vom Dach gesprungen ist, wird schnell klar. Hämatome am Oberarm, man kennt das. Wer aber ist die Frau, bei der zunächst ein besonderes Merkmal ins Auge sticht? Sie trägt die auffällige Jacke einer Zwei-Millionen-Follower-Influencerin künstlernamens Bonnie von Laer (Johanna Ingelfinger). Ihre Fans sind gleich mal voll krass besorgt, als ein Foto der Toten ins Netz kommt. Und Bonnie lässt sie erst mal in dem Glauben, sie könne dort im Blut am Boden liegen. Jede PR ist gut.

Nachdem jene Nadja König zuvor bei Wilsberg (Leonard Lansink) war, um ihn zu engagieren, gerät wie üblich auch der alteingesessene Privatdetektiv mitten in die Ermittlungen von Kommissarin Springer (Rita Russek) und ihrem vornamenlosen Kollegen Overbeck (Roland Jankowsky). Derweil hat die Juristin Dr. Tessa Tilker (Patricia Meeden) ganz andere Probleme: Die wichtige Akte eines Mandanten ihrer Kanzlei ist aus ihrer Wohnung verschwunden. Ihre Schildkröte schweigt beharrlich, sitzt überraschenderweise jedoch nicht mehr im Körbchen, sondern oben auf einem Tisch. Tessa Tilkers Chef Grundmann (Francis Fuulton-Smith) ist nicht erfreut und droht ihr mit Konsequenzen, sollte die Akte nicht zügig wieder auftauchen.

Wie immer in Kriminalfällen hat das eine mit dem anderen natürlich unmittelbar zu tun. Denn die verschwundene Akte könnte Auskunft geben über ein Nahrungsergänzungsmittel, für das Bonnie von Laer in ihren Clips wirbt. Und jene Bonnie kannte ganz offensichtlich auch das vom Dach gestürzte Opfer. Wie also hängt das alles zusammen?

Feldsalat, Kiwi, Banane, Cashews, Chia-Samen und ein Esslöffel Leinsamenöl - toll!

"Ich fresse Aufmerksamkeit und scheiße Kohle", lächelt Bonnie irgendwann im Film und findet das als Lebensplan auch ganz in Ordnung. Geht schließlich um Lifestyle und Gesundheit. Da wird dann erst ein Smoothie getrunken mit Feldsalat, Kiwi, Banane, Cashews, Chia-Samen und einem Esslöffel Leinsamenöl, und dann gibt's ein paar super Mittelchen obendrauf. Die beste Werbung ist die, die man nicht erkennt, heißt es im Film, der ein bisschen naiv vordergründig vieleicht, aber inhaltlich prinzipiell doch recht korrekt ein Auge auf die freundlichen Mädchen vor der Kamera und die äußerst schurkigen Kerle hinter dieser Industrie wirft. Diese Werbefritzen, weiß man ja, gehen über Leichen.

Regisseur Martin Enlen hat mit "Folge mir" seinen 16. "Wilsberg"-Film gedreht (Buch: Mariann Kaiser). Es ist einer der besten der letzten Zeit, findet er doch wieder die richtige Mixtur aus Humor und Ernsthaftigkeit. Sicher, Social-Media- und PR-Klischees werden unablässig bedient in diesem Krimi, der jedoch sowohl fürs jüngere als auch fürs ältere Publikum die eine oder andere überraschende Erkenntnis mit sich bringen dürfte. Und wenn es nur die eine oder andere Überlegung zur Frage ist, wie sich Werbung von heute in die Gesellschaft schleicht.

Dass die Auflösung des Falls am Ende einigermaßen überraschend viel einfacher ist, als man hätte annehmen könnten, tut dem Film ebenso gut. Stichwort: Mordmotiv. Manchmals sind es dann auch heute noch die Klassiker, die Menschen duchdrehen lassen. Es geht um Gefühle. Zu viele davon ...

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