"Markus Lanz"

"Wie ein infantiles Kleinkind": Juli Zeh wettert bei Lanz gegen deutsche "Mentalitätsentwicklung"

20.07.2023 von SWYRL/Natascha Wittmann

Der Streit in der Ampelkoalition hat nicht nur zu einem Vertrauensverlust in die Politik geführt, sondern auch zu einem Höhenflug der AfD beigetragen. Bei "Markus Lanz" sprachen Thomas de Maizière und Juli Zeh über die möglichen Beweggründe und die sich verändernde Arbeitsmoral in Deutschland.

Die Enttäuschung über die Ampelregierung, wachsende Wählerstimmen der AfD, Fachkräftemangel und die Bedeutung von Fleiß und Gemeinwohl: Bei "Markus Lanz" widmete sich der gleichnamige Moderator mit seinen Gästen Thomas de Maizière und Juli Zeh am Mittwochabend gleich mehreren prägenden Fragen der Gegenwart. Mitte Juni hatte der ehemalige Bundesinnen- und Verteidigungsminister de Maizière mit einem explosiven "ZEIT"-Interview von sich reden gemacht, in dem er klarstellte, dass ihm die "Anspruchshaltung vieler in dieser Generation Z (...) gegen den Strich" gehe.

Im Gespräch mit Lanz relativierte er seine Aussage und gab zu, dass sie "zu polemisch und hart" gewesen seien. Der Politiker erklärte: "Mir ist es nicht gelungen, deutlich zu machen, dass es möglicherweise gar nicht um eine Generation geht, sondern um Milieus." Er lenkte daraufhin den Blick auf die Zahl der Erwerbstätigen, die so hoch "wie nie zuvor" seien, aber "die Zahl der Arbeitsstunden" im Gegensatz dazu "eher gesunken" sei. Der CDU-Politiker warnte in Bezug auf den Fachkräftemangel in Deutschland: "Ich glaube, wir müssen alle mehr arbeiten. Wir werden alle unseren Wohlstand nicht erhalten können, wenn wir das mit der bisherigen (...) Anspruchshaltung weiter betreiben."

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Thomas de Maizière befürchtet Abfall von Deutschland im internationalen Vergleich

Mit seinem viel zitierten "ZEIT"-Interview wollte de Maizière lediglich auf "dieses Geschäftsmodell" hinweisen: "Ich kümmere mich um mich und erwarte, dass andere für das Zusammenleben der Gesellschaft sorgen." Ein Recht auf Home Office und den Begriff "Work-Life-Balance" sehe de Maizière weiterhin als äußerst kritisch an, wie er gegenüber Lanz klarstellte: "Arbeit und Leben in einen Gegensatz zu setzen, das halte ich in der Tat für falsch. Denn Leben gehört zur Arbeit, und Arbeit gehört zum Leben." Arbeit könne laut des CDU-Mannes auch "Erfüllung" bedeuten und "wenn das alles als Gegensatz zum Leben bezeichnet wird, dann habe ich was dagegen".

Bestsellerautorin und Juristin Juli Zeh konnte dem nur bedingt zustimmen. Sie ergänzte kritisch: "Ich glaube, dieses krasse Identifikationsverhältnis zwischen Identität (...) und Job, das ist erodiert. Und das ist, glaube ich, nichts Schlechtes." Vielmehr sehe Zeh ein Problem in einer allgemein stattfindenden "Mentalitätsentwicklung", bei der Menschen anfangen, "sich in allen Lebensbereichen als Konsumenten zu sehen und immer nur nach ihrer Bedürfnislage zu fragen".

Die Juristin ergänzte kritisch: "Man kann nicht zu Hause sitzen und wie ein infantiles Kleinkind nur darauf warten, dass Bedürfnisse befriedigt sind, sich gleichzeitig aber als mündiger Bürger fühlen, der nicht bevormundet werden will." Thomas de Maizière sagte daraufhin prompt, dass ein Land wie Deutschland mit "individueller Bedürfnisbefriedigung" nicht gut regiert werden könne und "im internationalen Vergleich abfallen" werde.

Thomas de Maizière wirft Ampel-Koalition "handwerklich schlechtes Regieren" vor

Beim Stichwort "Bevormundung" kamen de Maizière und Zeh auch auf das viel diskutierte Heizungsgesetz der Ampelregierung zu sprechen. Dazu sagte der ehemalige Bundesinnen- und Verteidigungsminister zunächst: "Wenn Dinge in einem frühen Stadium durchgestochen werden (...) und dann darüber eine Diskussion entsteht, dann kann man schon mal kaum gut regieren. Weil jeder Kompromiss ist dann gleich ein Gesichtsverlust." Dennoch stellte er klar, dass die Ampel durch "handwerklich schlechtes Regieren" einen Vertrauensverlust in der Bevölkerung riskiert hätte, der bis heute "politische Auswirkungen" habe.

Auch Juli Zeh stimmte zu, dass bei einem Gefühl der "Bevormundung" bei vielen Wählern automatisch "das nächste halbe Kilo Vertrauen verloren" ginge. "Das nützt dann indirekt möglicherweise auch der AfD, wenn die das schaffen, das auf sich umzumünzen." De Maizière teilte deshalb seine Meinung, dass ein Großteil der Wähler aus reiner "Provokation" der AfD ihre Stimme geben würden, während sie insgeheim keine wirkliche "Kompetenz-Erwartung" an die Partei stellen. Juli Zeh tat die Argumentation als "zu optimistisch" ab und warnte davor, dass man die Wählerschaft mit guter Politik nicht "ganz schnell wieder einfangen" könne. Thomas de Maizière stimmte zu und ergänzte trocken: "Die Erfolgsbedingungen für gutes Regieren sind im Moment sehr schwierig."

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