"Wer kann das bezahlen?"

Mutter muss Kinderspielzeug verpfänden: ARD-Doku zeigt, wie extrem die soziale Schieflage ist

11.04.2024 von SWYRL/Franziska Wenzlick

Eine junge Zahntechnikerin verkauft online Unterwäschebilder, um ihr maues Gehalt aufzustocken. Eine dreifache Mutter bringt das Spielzeug ihrer Kinder ins Pfandhaus, um Lebensmittel kaufen zu können. Währenddessen geben Superreiche Millionen für XXL-Luxuscamper aus. Eine ARD-Doku geht der Schieflage auf den Grund.

Es sind erschreckende Zustände, die die erste Folge der neuen WDR-Reihe "Wer kann das bezahlen?" (abrufbar in der ARD Mediathek) bloßlegt: Während knapp die Hälfte der Bevölkerung in Deutschland weniger als 2.000 Euro netto verdient, bleiben Superreiche von jeglicher Krise unberührt.

"Wir haben Corona nicht gemerkt, bei uns bleibt seit Jahren alles gleich", berichtet Stephanie Volkner, Inhaberin einer Manufaktur für Luxus-Wohnmobile in Wuppertal. "Die, die das Geld haben, verlieren das nicht. Das wird ja nicht weniger." Die Ausstattung der XXL-Camper lässt Moderatorin Anna Planken staunen: Marmorplatten, XXL-Duschen, Kingsize-Betten und Mittelgaragen im Wohnmobil - "für maximale Flexibilität im Urlaub".

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Immer mehr Einkommensmillionäre: "Gibt's hier keine Krise?"

Mindestens 980.000 Euro blättern Kunden für ein derartiges Fahrzeug hin, nach oben hin sind den Preisen keine Grenzen gesetzt. Das Geschäft mit den Luxuscampern boomt seit Jahren. "Gibt's hier keine Krise?", fragt sich die Reporterin - und mit ihr wohl auch so mancher Zuschauer.

Tatsächlich gibt es allein in Nordrhein-Westfalen derzeit knapp 6.000 Einkommensmillionäre, Tendenz: steigend. In die Höhe schnellende Lebensmittelpreise und Energiekosten scheinen den Superreichen nichts anhaben zu können. Erst im vergangenen Jahr seien in NRW 120 Höchstverdiener hinzugekommen, heißt es im Film.

"Da ist am 20. des Monats einfach kein Geld mehr da"

Ein Blick nach Krefeld zeigt: In Saus und Braus leben nur die Wenigsten in Deutschland. In der Großstadt am Niederrhein ist die Lage besonders prekär. Dort haben die Menschen durchschnittlich weniger Geld zur Verfügung als im Rest des Bundeslandes. Das, so erklärt Anna Planken, liege auch daran, dass in Krefeld viele Geringverdiener, Rentner, Langzeitarbeitslose und Sozialhilfeempfänger leben. Viele von ihnen müssten sogar regelmäßig das Krefelder Pfandhaus aufsuchen, um über die Runden zu kommen.

Dort, in Deutschlands ältestem Pfandhaus, trifft die Moderatorin auf die Betreiberin Annika Schumachers. Die Gründe, aus denen Menschen ihr Hab und Gut verpfänden, seien "ganz unterschiedlich", erklärt Schumachers: "Da gibt es diejenige, die arbeiten geht und vielleicht alleinerziehend ist. Da ist am 20. des Monats einfach kein Geld mehr da. Andere können einfach nicht mit Geld umgehen. Eher selten sind Leute, die nur ausnahmsweise kurzfristig Geld brauchen."

Mehrmals monatlich ins Pfandhaus: "Wenn man Geldnot hat, ist es besser, als zu klauen"

630 Millionen Euro zahlen Pfandhäuser hierzulande jährlich an Krediten aus. Verpfändet wird alles, was verpfändet werden kann: Modelleisenbahnen, Spielekonsolen, Schmuck - oder Tablets, wie in Jörgs Fall. Er komme regelmäßig ins Pfandhaus, berichtet er. Immer dann, wenn das Bürgergeld nicht mehr ausreicht. "Es ist einfach schwierig, mit dem Geld hinzukommen über den ganzen Monat", erklärt er. "Wenn man Geldnot hat, ist es besser, als zu klauen."

50 Euro bekommt er für sein Tablet, es ist nicht das erste Mal, dass er das Gerät abgibt. Das Geld benötige er, um Lebensmittel für sich und Futter für seine Katze zu kaufen. "Ich brauche nicht viel", stellt er klar. Drei Monate hat Jörg Zeit, um sein Eigentum wieder auszulösen, dann wird das Tablet versteigert.

Ebenfalls mehrmals pro Monat im Pfandhaus anzutreffen ist Elisa. Sie will die Musikbox ihrer Kinder abholen, die sie vor einigen Wochen abgegeben hat. Es sei ihr "am Anfang unangenehm" gewesen, das Spielzeug zu verpfänden, sagt die dreifache Mutter. 20 Euro habe sie dafür bekommen, davon habe sie Lebensmittel und Windeln für zwei Tage einkaufen können. Einst sei es ihr nicht gelungen, die Musikbox rechtzeitig auszulösen. "Ich habe die schon mal neu gekauft", gesteht Elisa. Trotzdem sei der Mini-Kredit der beste Weg für sie, schnell an Geld zu kommen. Denn "ständig jemanden aus der Familie zu fragen, ist irgendwie auch unangenehm".

Zweitverdienst mit Fotos in Unterwäsche - weil das Gehalt als Zahntechnikerin nicht reicht

Der Film zeigt: Selbst in der vermeintlichen Mittelschicht herrscht häufig Geldnot. Um das eigene Gehalt aufzustocken, gehen deshalb zahlreiche Menschen einem Zweitjob nach. "Das größte Luxusgut sind Lebensmittel. Da geb' ich das meiste Geld aus", erklärt etwa ein Angestellter im Öffentlichen Dienst, der im Monat 2.700 Euro netto verdient - und nebenbei Sushi ausliefert.

Auch die junge Zahntechnikerin Romina will sich nicht damit zufriedengeben, dass ihr im Monat nur rund 500 Euro für Einkäufe und Unternehmungen bleiben. Aus diesem Grund stellt Romina seit einiger Zeit Unterwäschebilder von sich ins Netz - gegen Bezahlung. Damit verdiene sie "das Dreifache" von ihrem Gehalt als Zahntechnikerin. Sie will sich etwas leisten können, Designerhandtaschen etwa. Dass der Erstjob dafür nicht ausreiche, sei "traurig", findet Romina. "Man investiert ja auch so viel Zeit."

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