07.10.2025 von SWYRL/Christopher Diekhaus
Zwei Firmen im Ringen um eine bahnbrechende Entwicklung und eine KI, die es von der Computerwelt in die Realität zieht - das sind die Zutaten des dritten Teils der 1982 gestarteten "Tron"-Reihe. Spektakuläre Bilder gibt es reichlich, inhaltliche Substanz bleibt aber meistens auf der Strecke.
Wer in Hollywood nach der Hölle sucht, wird sie als Ort nicht finden. Und doch ist sie im Mekka der US-Filmindustrie allgegenwärtig. Nämlich als unheilvoller Schwebezustand. In der berühmt-berüchtigten Entwicklungshölle schmoren regelmäßig Projekte, deren Umsetzung gewaltig stockt. Abspringende Stars, Wechsel auf dem Regiestuhl, unbefriedigende Drehbücher - all dies können, auch zusammen genommen, Gründe sein, warum es manchmal nicht weitergehen will, warum auf selbstbewusste Presseankündigungen mitunter jahrelang keine Updates folgen.
Eine komplizierte Entstehungsgeschichte hat auch der Scifi-Action-Thriller "Tron: Ares" hinter sich, der das dritte Kapitel in der 1982 begonnenen "Tron"-Reihe aufschlägt. Das Original überraschte einst mit der griffigen Idee einer Computerwelt, in der sich einzelne Programme als humanoide Wesen fortbewegen, die im Erscheinungsbild ihren Schöpfern nachempfunden sind. In eben diese Dimension wurde Filmheld Kevin Flynn (Jeff Bridges) katapultiert und musste sich dem Angriff böser Systeme erwehren. Inhaltlich riss Steven Lisbergers Disney-Streifen zwar keine Bäume aus. Optisch setzte er als einer der ersten Spielfilme mit längeren computergenerierten Sequenzen jedoch echte Maßstäbe.
Joseph Kosinskis Fortsetzung "Tron: Legacy" ließ dennoch ganze 28 Jahre auf sich warten und grenzte sich in der Gestaltung des digitalen Universums deutlich vom eher schlichten, avantgardistischen Look des Vorgängers ab. Auf der Suche nach seinem verschollenen Vater tauchte Sam Flynn (Garrett Hedlund) hier in ein bombastisches, aus großen schwarzen Flächen und neonfarbigen Linien bestehendes virtuelles Setting ein. Da der Film an den Kinokassen überzeugte, war ein zweites Sequel schnell beschlossene Sache.
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Kein direkter Anschluss
Dessen Realisierung verzögerte sich allerdings immer wieder. Anfangs sollte der dritte Teil direkt an den zweiten anschließen. Nach mehreren Veränderungen beim kreativen Personal setzte sich dann aber eine andere Ausrichtung durch: Jetzt, 15 Jahre nach der ersten Fortsetzung, kommt "Tron: Ares" als eine Art "sanftes Reboot" in die Kinos. Die Mythologie und die Kontinuität der Reihe bleiben intakt. Die Macher rund um Regisseur Joachim Rønning ("Pirates of the Caribbean: Salazars Rache") führen aber neue Figuren ein und lassen das Schicksal der Charaktere aus "Tron: Legacy" weitgehend außen vor.
ENCOM, jene Firma für Unterhaltungstechnologie, die der Programmierer Kevin Flynn bis zu seinem Verschwinden im Jahr 1989 (am Anfang des zweiten Reihentitels) führte, wird inzwischen von Tech-Expertin Eve Kim (Greta Lee) geleitet. Ihr größter Konkurrent auf dem Feld der digitalen Forschung ist Julian Dillinger (Evan Peters), Enkelsohn von Kevins altem Widersacher Ed Dillinger und CEO des Unternehmens Dillinger Systems.
Wettlauf um den Fortschritt
Beide verfolgen dasselbe Ziel, nämlich, Geschöpfe oder Dinge, die im virtuellen Raum existieren, dauerhaft in die menschliche Realität zu verpflanzen. Doch während Eve gute, der Gemeinschaft zuträgliche Absichten hat, preist Ed vor potenziellen Investoren - angesichts der aufgeheizten Weltlage leider gar nicht abwegig - lieber einen neuen Supersoldaten an. Das Problem: Seine Computerschöpfung Ares (Jared Leto) hält es bislang nur 29 Minuten in der Wirklichkeit aus. Danach zerbröselt die Kampfmaschine und landet wieder in der virtuellen Welt. Eves Suche nach dem sogenannten Permanent-Code auf Flynns Ursprungsserver wiederum ist erfolgreich. Ein von ihr erzeugter KI-Orangenbaum fällt nicht in sich zusammen, sondern zeigt sich widerstandsfähig und stabil.
Als Dillinger Wind von ihrem Durchbruch bekommt, schickt er Ares erneut in die Welt der Menschen, wo der Krieger zusammen mit seiner ebenfalls digitalen Helferin Athena (einschüchternd: Jodie Turner-Smith) Jagd auf die ENCOM-Chefin macht. Ihr klarer Auftrag: Eve, die sich auf dem Weg zu ihrer Firmenzentrale befindet, den Stick mit besagtem Code entreißen. Koste es, was es wolle!
Was im Vergleich mit den früheren Arbeiten schnell ins Auge sticht: "Tron: Ares" bietet mehr Abwechslung. Spielte sich die Handlung in "Tron" und "Tron: Legacy" zu einem Großteil in der Computerumgebung ab, springt sie dieses Mal ständig zwischen den Ebenen hin und her. An Dynamik fehlt es dem dritten Reihenbeitrag also keineswegs. Seine zweistündige Laufzeit zieht sich nicht wie Käse. Und natürlich gibt es, der modernen Technik sei Dank, rauschhaft-wuchtige Actionpassagen zu bestaunen. Das alles untermalt vom treibend-dröhnenden Score der Band Nine Inch Nails.
Potenzial verschenkt
"Tron: Ares" bietet Spektakel satt. Irgendwie haut einen das aber weniger um als noch vor 15 Jahren. Woran das liegt? Vielleicht daran, dass die seit dem Erscheinen von "Tron: Legacy" immer übermächtigeren Superhelden-Blockbuster visuell so ziemlich alles auf die Leinwand geworfen haben, was man sich vorstellen kann. Geradezu erfrischend wirken da die Momente, in denen "Tron: Ares" die Ästhetik des Originalfilms aufgreift. Experimentell anmutende Bilder wie diese sieht man im Kino definitiv nicht alle Tage.
Interessant ist auch die Idee, den als Waffe entwickelten Ares in eine Identitätskrise zu stürzen und ihn plötzlich über menschliche Eigenschaften nachdenken zu lassen. Umso ärgerlicher allerdings, dass das Drehbuch die Entwicklung der Computerkreatur, wenig glaubwürdig, mit dem Holzhammer zurechtzimmert. Zwischentöne und Feinheiten fallen fast komplett unter den Tisch. Ähnlich sieht es bei Eve Kim aus. Ihre altruistische Haltung wirkt angepappt. Und über den Tod ihrer Schwester, ehemals Co-CEO von ENCOM, behauptet der Film emotionale Tiefe. Evan Peters' ständig vor Bildschirmen herumhampelnder Antagonist enttäuscht derweil auf ganzer Linie, gehört in die Kategorie "austauschbarer Bösewicht". Frustrieren dürfte Fans des Franchise überdies der eher belanglose Kurzauftritt von Jeff Bridges, der in den Vorgängern noch eine entscheidende Rolle spielte.
In "Tron: Ares" geht es - siehe Permanent-Code - darum, etwas Bleibendes zu erschaffen. Dauerhaft ins Gedächtnis der Zuschauer wird sich das neue Zukunftsspektakel aber kaum einbrennen. Auch deshalb nicht, weil der Film viel zu leichtfertig über die existenziellen Fragen seines Plots hinwegdonnert: Was den Menschen ausmacht, was so schön an der Unbeständigkeit des Lebens ist und wie sich die rasante Entwicklung in der KI-Forschung auf die Realität auswirkt, erforscht "Tron: Ares" bestenfalls halbherzig. Da haben Werke wie "Ex Machina" oder "Her" um einiges tiefer gegraben - und das bereits vor vielen Jahren!