Die Wannseekonferenz - Mo. 24.01. - ZDF: 20.15 Uhr

Januar 1942: Die Kaffeerunde des Bösen

20.01.2022 von SWYRL/Eric Leimann

15 Männer und eine Frau saßen am Mittag des 20. Januars 1942 zusammen, um die "Endlösung der Judenfrage" zu erörtern. Vom später als Wannseekonferenz berühmt gewordenen Treffen existiert ein Protokoll. Zum 80. Jahrestag erschuf das ZDF eine kühl-präzise Neuverfilmung.

Von 30 Protokoll-Durchschlägen, die im Nachgang der 85-minütigen Konferenz zur "Endlösung der Judenfrage" angefertigt wurden, überstand nur einer die Endphase des Krieges. Jene Zeit, in der es brannte und Chaos herrschte, in der aber auch vernichtet wurde, was ging, wenn es um belastendes Material gegen das Naziregime und seine Köpfe ging. Immerhin ein Exemplar, könnte man ebenfalls sagen. Denn es reicht ja aus, um detailliert und in kühler Präzision zu belegen, was an einem kalten Januarmorgen 1942 in der Villa am Berliner Großen Wannsee 56/58 geschah. Das ZDF zeigt nun den schlicht "Die Wannseekonferenz" betitelten Film von Regisseur Matti Geschonneck, der linear und online von einordnenden Angeboten begleitet wird.

Ins damalige Gästehaus der Sicherheitspolizei und des Sicherheitsdienstes (SD), die ehemalige Villa Marlier, hatte Reinhard Heydrich (Philipp Hochmair), Chef der Sicherheitspolizei und des SD, 14 weitere Männer samt Protokollantin Ingeburg Werlemann (Lilli Fichtner) eingeladen. An Heydrichs Seite saß Adolf Eichmann (Johannes Allmayer), sein Leiter der Abteilung Judenangelegenheiten / Räumungsangelegenheiten im Reichssicherheitshauptamt. Auf ihrer Themenliste für die Konferenz mit anschließendem Frühstück stand: den begonnenen Holocaust an den Juden im Detail zu organisieren und die Zusammenarbeit der beteiligten Instanzen zu koordinieren.

Die anderen Herren der Runde, von denen acht einen akademischen Doktortitel trugen, waren Vertreter der SS, der NSDAP sowie der Ministerialbürokratie. Verkörpert werden sie in "Die Wannseekonferenz" von mitunter bekannten Schauspielern wie Godehard Giese, Maximilian Brückner oder Thomas Loibl.

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Die Vorläufer der Neuverfilmung

Vier Tage nach dem 80. "Geburtstag" der Wannseekonferenz hievt das ZDF nun also eine Neuverfilmung des historischen Ereignisses in die Primetime. Verantwortlich dafür zeichnet das für seine kühle Präzision in Sachen Kriminal- und Dramaerzählungen bekannte Gespann Matti Geschonneck (Regie) und Magnus Vattrodt (Drehbuch). Paul Mommertz, der in der 2022-er Version als Ideengeber erwähnt wird, schrieb 1984 das Bühnenstück "Die Wannseekonferenz", aus dem Heinz Schirk im gleichen Jahr einen gleichnamigen Fernsehfilm drehte. Der wurde damals mit dem Grimmepreis ausgezeichnet, wenige Jahre später folgte ein Kinofilm. 2001 nahmen sich dann Amerikaner und Briten des Stoffes an. Der TV-Film "Conspiracy", auf Deutsch ebenfalls "Die Wannseekonferenz", basiert ebenso auf dem Protokoll. Reinhard Heydrich wurde von Kenneth Branagh gespielt, der dafür einen Emmy als bester Schauspieler erhielt.

Geschonnecks Neuauflage ist nun ebenfalls die Verfilmung eines Konferenzprotokolls und insofern filmästhetisch betrachtet ein eher sprödes Machwerk: Es geht um Zuständigkeitsgerangel und logistische Beschwerden jener, die die "Endlösung" in den Ostgebieten weitgehend in die Tat umzusetzen hatten. Es wird über Vor- und Nachteile von Massenerschießungen gegenüber der Vergasungstechnik referiert und erzählt, wie Letztere weiter perfektioniert werden soll. Schließlich geht es im zweiten Teil der Konferenz um die Frage, wie mit Halb- und Vierteljuden umgegangen werden könnte und welche Unterscheidungen zwischen "Reichsjuden" und Ausländern noch beibehalten werden sollen.

Fröstelnder Fersehfilm: die "Endlösung" als rein logistisches Problem

Das vom gesamten Ensemble hervorragend gespielte Konferenz-Update, aus dem Philipp Hochmair als charmant-brillanter Architekt des Bösen herausragt, hinterlässt Spuren. Trotz der Verwaltungssprache wird das gigantische Grauen offensichtlich, das sich hinter den Worten verbirgt: Der Massenmord an Millionen Jüdinnen und Juden wird hier als rein logistisches Problem behandelt. Nur am Rande findet ein wenig Psychologie ihren Platz. Etwa dann, wenn sich Friedrich Wilhelm Kritzinger (Thomas Loibl), Ministerialdirektor in der Reichskanzlei, im kleineren Kreis sichtlich bewegt darüber Gedanken macht, wie an der "Endlösung" beteiligte deutsche Soldaten auf die Massentötungen reagieren könnten.

Heydrich selbst war Vater von vier Kindern, zudem passionierter Geiger. Ein gebildeter Mann. Ohne dass der Film die menschliche Seite der Runde in irgendeiner Weise herauskehren würde, reicht das bloße In-Szene-Setzen der Worte samt zurückhaltendem, aber präzisen Schauspiel, um aus einem der größten Menschheitsverbrechen einen Film zu machen, der niemanden kaltlassen dürfte.

An den Spielfilm schließt sich um 21.45 Uhr "Die Wannseekonferenz - Die Dokumentation" an. Am Morgen der Ausstrahlung berichtet das ZDF-Morgenmagazin mit "Moma vor Ort" darüber hinaus live aus dem Haus der Wannsee-Konferenz. Am Dienstag, 25. Januar, 20.15 Uhr, erinnert die Dokumentation "Ganz normale Männer - Der 'vergessene Holocaust'" an Angehörige von vier Todes-Kommandos aus Sicherheitspolizei und SD. Filmemacher Manfred Oldenburg zeichnet anhand von Originaldokumenten, Filmaufnahmen und Fotos darin den Weg eines der Mordbataillone nach.

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