Nina Gummich im Interview

"Es lässt einen nicht kalt, dort auf dem Tisch zu liegen"

03.10.2021 von SWYRL/Eric Leimann

Nina Gummich ist eine der charismatischsten jungen Schauspielerinnen Deutschlands. Nach ihrer Hauptrolle in der dritten "Charité"-Staffel folgt nun die eigene ZDF-Krimireihe "Theresa Wolff". Darin spielt die 30-Jährige eine Gerichtsmedizinerin aus Jena, die mit ihren Toten spricht.

Nina Gummich entstammt einer Schauspielfamilie. Ihre Mutter ist Schauspiel-Professorin Anne-Kathrin Gummich. Mit Stiefvater Hendrik Duryn ("Der Lehrer"), mit dem ihre Mutter bis vor einigen Jahren liiert war, ist die heute 30-Jährige aufgewachsen. Schon früh spielte sie sich mit auffällig lebendigen Auftritten in Kinder-, Jugend- und Nebenrollen in den Fokus. Doch mittlerweile ist Nina Gummich längst bei den Hauptrollen angekommen. Schon in der dritten Staffel der medizinhistorischen Serie "Charité" spielte sie eine junge Ärztin, die den Berliner Mauerbau erlebt. In "Theresa Wolff: Home Sweet Home" (Samstag, 9. Oktober, 20.15 Uhr), der neuen ZDF-Krimireihe in der Nachfolge von "Kommissarin Heller", arbeitet sie als Leiterin des Instituts für Rechtsmedizin in Jena wieder mit dem Skalpell.

teleschau: Sie kommen nicht aus Jena, oder?

Nina Gummich: Ich stamme aus Halle an der Saale. Das ist aber nicht ganz so weit entfernt, und ich habe auch deshalb einen Bezug zu Jena, weil ich Familie in der Gegend habe. Schon als Kind verbrachte ich immer wieder Zeit in Jena - und habe das in guter Erinnerung.

teleschau: Wie fühlt es sich an, mit 30 die Titelfigur eines Primetime-Krimis im ZDF zu spielen?

Nina Gummich: Ich hatte tatsächlich schon vorher Angebote dieser Art und habe sie abgelehnt, weil ich mich noch zu jung dafür fühlte. Diese Figur hat mich dann aber doch überzeugt, vor allem auch in der Kombination mit Thorsten Merten - und der Tatsache, dass das Ganze in Jena spielt. Ich hatte Thorsten bei der Netflix-Serie "Das letzte Wort" näher kennengelernt. Es ist einfach toll, mit ihm zu arbeiten. Die Rollen wurden dann auch ohne Casting vergeben, weil man exakt uns beide haben wollte.

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"Ich bin ein großer Fan der 'Tatorte' mit Ulrich Tukur"

teleschau: Warum ist dieser Krimi für Sie interessanter als andere?

Nina Gummich: Er ist aus der Perspektive einer Rechtsmedizinerin erzählt, die anders ist, als man sich die Menschen hinter einem solchen Job vorstellt. Theresa ist sehr naturverbunden wie ein "Waldkind" aufgewachsen, weil ihr Vater Förster war. Dieser Umstand spielt in der Serie eine große Rolle. Theresa spricht mit den Toten - ohne dass es esoterisch oder Mystery-mäßig wird. Sie versucht, eine andere Art von Beziehung zu diesen Körpern und Wesen aufzubauen. Auch etwas, das sie aus dem Wald kennt ...

teleschau: Im ersten "Theresa Wolf"-Film wird die metaphysische Seit der Figur aber nur angedeutet. Der Rest ist klassischer Krimi. Ist geplant, das Besondere der Figur stärker auszubauen?

Nina Gummich: Ja, das ist zumindest mein Wunsch. Der erste Film einer Reihe ist oft ein Spagat. Man muss die Figuren und die Szenerie etablieren. Man will auch nicht jene verschrecken, die einen handfesten Krimi erwarten. Aber es ist die Idee aller Beteiligten, den besonderen Aspekt der Figur auszubauen. In Folge zwei, die wir gerade abgedreht haben, kommt das auch schon deutlich mehr zum Tragen.

teleschau: "Theresa Wolff" gilt als Nachfolge-Reihe für "Kommissarin Heller". Auch wenn die beiden Figuren nichts miteinander zu tun haben - gewisse Ähnlichkeiten sind da, oder?

Nina Gummich: Beide Reihen starteten oder starten mit einer jungen, unkonventionellen Figur, die weder im Job noch als Mensch ins Krimi-Klischee passt und allein deshalb viel Erzählpotenzial bietet. Wenn Figuren in ihrer "Seltsamheit" schwer vorhersehbar sind, ist das reizvoll und bietet viele Möglichkeiten, deshalb mag ich auch "Kommissarin Heller" sehr und bin ein großer Fan der "Tatorte" mit Ulrich Tukur. Also freue ich mich, wenn da Parallelen gesehen werden.

"Viele Menschen haben eine besondere Verbindung zu ihren Toten"

teleschau: In Deutschland wird behauptet, dass es klassische und experimentelle Krimis gibt. Zum Beispiel im Rahmen der Diskussion, was einen guten "Tatort" ausmacht. Gibt es diese Zweiteilung für Sie?

Nina Gummich: Es gibt durchaus sehr viele Filme, die dazwischen liegen. Ich finde, wir sollten in Deutschland ruhig noch etwas experimenteller mit der Idee Krimi umgehen.

teleschau: Was ist überhaupt experimentell?

Nina Gummich: Ein Weg zum experimentellen Arbeiten kann sein, junge Regisseurinnen und Regisseure zu engagieren, um Stoffe zu realisieren. Weil die noch mal mit einem anderen Blick auf den klassischen Krimi schauen.

teleschau: Ist es experimentell, in einem Krimi mit Toten zu sprechen?

Nina Gummich: Würde man es Mystery- oder Esoterik-mäßig aufziehen, würde das an bekannte Genres anknüpfen, aber das wollen wir eher nicht. Auch abseits solcher Begriffe haben viele Menschen, die jemanden verloren haben, eine besondere Verbindung zu ihren Toten. Mich interessiert dieses Thema sehr.

teleschau: Haben Sie selbst eine metaphysische Seite?

Nina Gummich: Ich glaube zumindest fest daran, dass es Dinge zwischen Himmel und Erde gibt, die wir nicht wissenschaftlich erklären können. Dinge, die man nur mit Intuition und besonderen Wahrnehmungs-Antennen erfassen kann. Ich finde, es ist an der Zeit, dass sich beide Bewegungen aufeinander zubewegen anstatt sich zu bekriegen.

"Vieles, was ich tute, kann ich rational nicht begründen"

teleschau: Jetzt haben Sie aber immer noch nicht verraten, in welchen Lebensbereichen Sie auf Metaphysik vertrauen?

Nina Gummich: Oh, das ist einfach (lacht). Ich bin ein totaler Bauchmensch und verlasse mich bei Entscheidungen voll auf meine Intuition. Vieles, was ich tue, kann ich rational nicht begründen, weiß aber, dass es wichtig ist, so zu handeln. Meine bisherigen Lebenserfahrungen geben mir da auch recht. Trotzdem entscheide ich vieles auch auf der Basis von Wissen.

teleschau: Die Deutschen standen lange im Ruf, sich sehr rational zu verhalten. Doch auch abseits von Wissenschaftsleugnern scheinen Begriffe wie emotionale Intelligenz und Intuition in den letzten Jahren wichtiger geworden zu sein ...

Nina Gummich: Als Schauspieler unterhalten wir uns in unserer Arbeit sehr viel über Psychologie, Rollen, Verhalten und Gefühle. Abseits unserer Szene könnte das jedoch durchaus noch mehr werden. Es fängt damit an, dass man Kinder und Jugendliche in der Schule auch mal fragen könnte: "Du, wie geht es dir denn?" Anstatt immer nur zu schauen, welcher Stoff gerade dran und wie abgeprüft wird. Man könnte auch ein Fach wie Meditation einführen oder etwas Ähnliches, das uns dazu bringt, unseren Gefühlen und unserem Gespür wieder nahezukommen.

teleschau: Nach "Charité" arbeiten Sie in der neuen Rolle schon wieder mit dem menschlichen Körper. Würden Sie sagen, dass Sie mittlerweile ein solides anatomisches Grundwissen haben?

Nina Gummich: Ich kann mich sicher nicht mit einem Medizinstudenten messen, aber zumindest weiß ich nach vielen Drehtagen mit Patienten und Leichen, wie man einen Bauch abtastet oder das Gerät richtig hält (lacht). Nein, die Materie ist viel zu komplex, um sich als "Halbexpertin" zu bezeichnen. Immerhin durfte ich aber mal bei einer Obduktion von Dr. Michael Tsokos zuschauen.

"Wenn wir gegangen sind, haben die Körper nichts mehr mit einem Menschen zu tun"

teleschau: Wie fanden Sie es?

Nina Gummich: Es ist auf jeden Fall besonders, so etwas zu erleben. Ich habe an der Obduktion aber nicht als Medizin-Lehrling oder Schauspielerin teilgenommen, sondern als Mensch, der diese besondere Erfahrung machen wollte. Mir ist einmal kurz schlecht geworden, als wir in die Straße eingebogen sind, in der die Obduktion stattfand. Da wurde ich nervös, denn ich bin eigentlich der eher zart besaitete Typ. Als ich dann drinnen war, empfand ich es aber als würdevoll. Die Gerichtsmediziner gehen sehr respektvoll mit den Toten um.

teleschau: Wie wirkten die Toten auf Sie?

Nina Gummich: Am Ende, wenn wir gegangen sind, haben die Körper nichts mehr mit einem Menschen zu tun. Es ist eher so, als würde da der Kokon eines Schmetterlings, also eine Hülle liegen. Es gibt keinen großen Unterschied zwischen echten Leichen und jenen Körpern, die von der Maske für Dreharbeiten präpariert werden. Natürlich wusste ich vorher nicht, dass ich es so empfinden würde. Aber ich habe in der Situation auch eine Stärke gespürt ...

teleschau: Finden Sie, dass wir uns zu wenig mit den Toten beschäftigen?

Nina Gummich: Für mich war es eine gute Erfahrung, mehr kann ich dazu nicht sagen. Ich hatte immer Angst, wenn mal jemand aus meiner Familie stirbt, dass ich einen großen Bogen um den toten Körper mache und ihn mir nicht anschauen werden kann. Diese Angst habe ich jetzt verloren, was irgendwie schön ist - weil ich auch Abschied nehmen können will.

"Auf den echten Körper wird eine Schicht aufgesetzt, in die man reinschneiden kann"

teleschau: In Krimis sieht man oft Leichen auf den Tischen der Gerichtsmediziner. Ich nehme an, das sind meistens Puppen?

Nina Gummich: Das ist sehr unterschiedlich. Ganzkörper-Puppen sind in der Herstellung wahnsinnig teuer. Da geht es um 10.000 Euro, glaube ich. Wenn nur Teile des Körpers hergestellt werden, ist es günstiger. Oft ist es einfacher, eine Schauspielerin oder einen Schauspieler als Leiche zu schminken. Natürlich kommt es dann darauf an, was und wie viel vom Körper zu sehen ist, wo geschnitten wird und so weiter. Wenn das Opfer vorher oder später per Rückblende im Film auftaucht, spricht schon einiges dafür, dass ein echter Mensch auch die Leiche spielt. In unserem Film war das so. Für die Szene war meine Kollegin, die das Opfer spielt, etwa acht Stunden in der Maske. Dort wird auf den echten Körper eine Schicht aufgesetzt, in die man reinschneiden kann. Darunter befindet sich dann noch eine Art Schutzschicht, damit der echte Körper nicht verletzt wird.

teleschau: Man muss sich aber auch nackt auf den Tisch legen und lange die Luft anhalten können ...

Nina Gummich: Wie gesagt, man hat eine Schutzschicht über der eigenen Haut, aber es ist natürlich trotzdem eine Herausforderung, so etwas zu spielen. Dazu kommt, dass wir in Jena in einer stillgelegten Rechtsmedizin gedreht haben. Man spürt, dass in diesen Räumen mal was gewesen ist. Es lässt einen auf jeden Fall nicht kalt, dort auf dem Tisch zu liegen.

teleschau: Würden Sie Ihren Körper für eine solche Szene zur Verfügung stellen?

Nina Gummich: Für die Kunst mache ich alles (lacht).

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