"Echtes Leben: Beziehungskrisen - Wie Corona spaltet"

"Enttäuschung, Trauer, Fassungslosigkeit": TV-Doku zeigt, wie Corona Familien spaltet

13.07.2021 von SWYRL/Alexander Franck

Wenn Opa Corona leugnet und die beste Freundin an Verschwörungstheorien glaubt: Gegensätzliche Ansichten zur Pandemie entzweien Beziehungen, Familien und Freundschaften. "Wie Corona spaltet" beleuchtete am späten Montagabend eine Dokumentation im Ersten das Phänomen.

Vieles, was vor der Pandemie unter der Oberfläche brodelte, tritt nun offen zutage. Das zeigt sich nicht nur in Politik und Ökonomie, sondern auch im Privaten. Plötzlich tritt der Opa als Virusleugner auf, raunt der Partner etwas von Coronadiktatur oder verbreitet die beste Freundin Verschwörungstheorien zu Bill Gates und dessen angeblichen Plan, allen per Impfung einen Kontrollchip zu verabreichen. Gut, das waren extreme Beispiele, aber oft jedoch reicht es dieser Tage schon, wenn die Ansichten zu Coronamaßnahmen, Masken und Impfung nur ein wenig auseinandergehen, dass Menschen sich nachhaltig voneinander distanzieren. Die Meinung zum Virus teilt die Gesellschaft in Lager, entzweit Familien und Partner, lässt Freundschaften im Streit auseinandergehen. Sogar ganze Dörfer sind heute gespalten. In der Doku-Reihe "Echtes Leben" widmete sich am späten Montagabend der Film "Beziehungskrisen - Wie Corona spaltet" diesem Phänomen.

Die Autoren Peter Podjavorsek und Adama Ulrich gehen in ihrem 45-minütigen Film, der nun in der ARD-Mediathek zu sehen ist, im Kleinen jenen Fragen nach, die unsere Gesellschaft seit Monaten beschäftigen: Warum scheitert die zivilisierte Auseinandersetzung über die aktuelle Lage so oft? Warum gelingt der Austausch von Argumenten nicht mehr? Woher kommt die verbale Radikalität im Konflikt? Um Antworten zu finden, begibt sich die MDR-Produktion dorthin, wo sich die Geister zuerst scheiden: in die Familien, die aufgrund verschiedener Meinungen zur Pandemie miteinander streiten.

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Die Folgen der Spaltung

So besucht das Filmteam Richard Zschech, einen Mann, dessen Vater schon seit Jahren Verschwörungstheorien verbreitet - auch in der Familie. Dem Sohn gelingt es, auszubrechen. Im Interview erklärt er, wie es sich anfühlt, wenn der alte Herr obskuren Mythen anhängt. Er sagt: "Fakten sind völlig irrelevant - man argumentiert aus dem Glauben heraus." Während er seinen Vater heute zumindest gelegentlich trifft, musste Andrea S. den Kontakt zu ihrer Mutter vollständig abbrechen. Gespräche, so berichtet sie, seien ab einem bestimmten Zeitpunkt gar nicht mehr möglich gewesen. Denn für die Mutter habe es irgendwann nur noch ein Thema gegeben: Corona. Immer mehr sei die Frau online in Verschwörungstheorien abgedriftet, und irgendwann sei es bei einer Aussprache dann zur finalen Eskalation gekommen. Der Kontakt ist abgerissen - zum Leidwesen der Tochter, die sich daraufhin sogar in Therapie begeben musste: "Es ist eine Form aus Enttäuschung, Trauer, Fassungslosigkeit. So ein latentes Entsetzen, warum es überhaupt soweit kommen konnte. Und ganz viel Hilflosigkeit", sagt sie.

Doch der Film interviewt auch jene, die - etwa als Anhänger der sogenannten "Querdenken"-Bewegung - die Coronapolitik strikt ablehnen und deshalb ebenso mit ihrer Verwandtschaft im Clinch liegen. Marcus Fuchs, der Gründer von Querdenken Dresden, erklärt im Gespräch mit den Filmemachern, er habe zu zwei Dritteln seines vorherigen Freundeskreises "keinen oder kaum noch Kontakt". Er könne mit vielen seiner Freunde aus der gehobenen Mittelschicht über vieles nicht mehr reden. Seine Eltern habe er seit Monaten nicht mehr gesehen. Andererseits habe er nun im Umfeld der Bewegung viele neue Kontakte hinzugewonnen.

Es sind Beispiele, wie sie in der gesamten Republik derzeit zu Tausenden zu finden sind. Aus diesem Grund fragen die Autoren in dem sehenwerten Beitrag nicht nur, was die Spaltung mit den einzelnen Betroffenen macht, sondern auch, wie eine Gesellschaft darauf reagieren kann. Wie kommt man wieder ins Gespräch miteinander? Oder sind Vermittlungsversuche bei gegensätzlichen Überzeugungen ohnehin fruchtlos? Die Autoren und die meisten ihrer Protagonisten jedenfalls sind der Ansicht, dass das Miteinanderreden für unsere Demokratie essenziell ist. Doch das klingt leichter, als es ist: "Die meisten glauben dem, dem sie glauben wollen", heißt es im Off-Kommentar an einer Stelle des nachdenklich machenden Films. Und die Konsenfindung wird schwierig, wenn es keinen kleinsten gemeinsamen Nenner mehr gibt.

"Ich muss sagen, ich guck die Öffentlichen überhaupt nicht mehr - also die Nachrichten", erklärt Richards Mutter ganz unverblümt. Der Sohn versucht mit Argumenten dagegenzuhalten - und mit einem Lächeln.

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