Die Flut - Tod am Deich - Sa. 27.04. - ARD: 20.15 Uhr

Ein spannendes Update: "Der Schimmelreiter" nach Robert Habeck

22.04.2024 von SWYRL/Eric Leimann

Neuauflage von Theodor Storms "Der Schimmelreiter" als Krimirätsel: Die 18-jährige Wienke (Philine Schmölzer) kehrt ans Wattenmeer zurück, um herausfinden, was in ihrer Kindheit geschehen ist. Die Romanvorlage "Hauke Haiens Tod" schrieben der heutige Vizekanzler Robert Habeck und Andrea Paluch 2001.

Mit Theodor Storms 1888 erschienenem Spätwerk "Der Schimmelreiter" ist es ja so eine Sache: Fast jeder hat schon mal von der Novelle gehört, aber kaum jemand könnte sie nacherzählen. Was daran liegen mag, dass die Geschichte komplex, rätselhaft und in vielerlei Richtungen deutbar ist. Der poetische Realismus Storms zeichnete einerseits handfest das damalige Leben an der nordfriesischen Küste, weswegen ihn die Nachfahren "seiner Charaktere" in Deutschlands Norden bis heute verehren. Andererseits ist die Geschichte vom Deichgrafen Hauke Haien und seinem Schimmel auch schillernd, fantastisch. Der Charakter der Hauptfigur entzieht sich zudem einer klaren Beurteilung. Ein Spannungsfeld, welches das norddeutsche Schriftsteller-Ehepaar Andrea Paluch und Robert Habeck um die Jahrtausendwende dazu bewegt haben mag, eine Art Update des Schimmelreiters zu schreiben: 2001 erschien ihr Roman "Hauke Haiens Tod", der nun 23 Jahre später als 105 Minuten langes Krimi-Drama "Die Flut - Tod am Deich" die Samstags-Primetime im Ersten schmückt. Ob das Werk dem heutigen Vizekanzler und Grünen-Spitzenpolitiker gefällt?

Zur Handlung des Films: Vor 15 Jahren riss eine verheerende Nordseesturmflut das Dorf Stegebüll ins Verderben. Deichgraf Hauke Haien (Detlev Buck) und seine Frau Elke (Franziska Weisz) sind offenbar ums Leben gekommen. Ihre autistische Tochter Wienke hat überlebt und ist irgendwie in einem Hamburger Kinderheim gelandet. Dort hört die mittlerweile 18-Jährige (Philine Schmölzer) im Fernsehen die Stimme eines Mannes, die sie von früher kennt. Es ist jene des "Ziehsohnes" ihres Vaters: Iven (Anton Spieker), der als Türsteher im Hamburger Rotlichtmilieu arbeitet.

Wienke macht Iven ausfindig und bietet ihm Geld an, wenn er sie in ihr Heimatdorf begleitet. Dort will sie herausfinden, was damals wirklich geschehen ist. Zurück in Stegebüll scheinen der ehemalige Bürgermeister Ole Peters (Sascha Geršak) und auch dessen Tochter Ann-Grethe wenig erfreut über die Rückkehrer. Ole Peters war der Widersacher des Deichgrafen, aber hat er auch etwas mit dessen Tod zu tun? Der aufbrausende Iven und die wunderliche Wienke tun sich nach anfänglichen Schwierigkeiten zusammen, um das dunkle Geheimnis von damals zu ergründen.

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Gold, was im seichten Wattwasser glänzt?

Der Schimmelreiter des Jahres 2024 ist eine Schimmelreiterin: Ann-Grethe (Janina Stopper) und ihr Vierbeiner sind es, die im ARD-Mystery-Krimi das nordfriesische Wattenmeer durchschreiten. Ja, es ist eine interessante Reise, die dieser Stoff bis zur Fernsehreife genommen hat. Bereits Theodor Storm adaptierte für die Grundidee eines mystischen Reiters eine alte Sage. Storms Novelle übersetzten Paluch und Habeck um die Jahrtausendwende in einen damals von der Kritik wohlwollend bedachten Roman, der die Geschichte klug "updatete" und ein bisschen Melodram hinzufügte. Dieses wurde nun von den Drehbuchautoren Daniela Baumgärtl ("Tatort: National feminin") und Constantin Lieb ("Fabian oder Der Gang vor die Hunde", mit Dominik Graf) in ein düsteres Krimi-Drama unter der Regie des renommierten Österreichers Andreas Prochaska ("Spuren des Bösen") verwandelt.

Besonders "Schimmelreiter"-Kenner werden ihre Freude haben. Es macht Spaß, zu vergleichen, wie die alten Figuren in neue Rollen und Erzählzusammenhänge gerückt werden, sodass sich im Samstagsfilm auf einmal Geheimnisse in Krimirätsel verwandeln. Das Ensemble wurde weiblicher und die Bedrohung durch die Natur erhält auf einmal einen Klimawandel-Anstrich. Auch das Spiel von Philine Schmölzer und Anton Spieker ist positiv hervorzuheben. Die 26-jährige "Ernst Busch"-Abgängerin und den 35-jährigen Blonden wird man sicher bald in noch anderen größeren Rollen sehen. In der zweiten Reihe üben sich derweil die bekannteren Namen wie Detlev Buck, Franziska Weisz und Sascha Geršak in angemessener Zurückhaltung.

Dennoch ist hier nicht alles Gold, was im seichten Wattwasser glänzt. Es hängt eine bleierne Bedeutungsschwere über Plot und Ensemble, die "Außenstehende" als typisch Deutsch wahrnehmen könnten und die sich durch weitgehende Abwesenheit humoristischer Brechungen oder Zwischentöne auszeichnet. Da nützen auch die Postboten-Witze von Wienkes "Love Interest" Sten (Philipp Jacob) nur bedingt, wenn am Rande noch ein bisschen "Rain Man"-Humor ins autistische (Film-)Spektrum gesprenkelt wird. "Die Flut - Tod am Deich" ist in erster Linie ein interessantes Update eines hochinteressanten, weil vielfältigen literarischen Stoffs. An die Klasse der Vorlage kommt die doppelte Übersetzung des Storm-Werkes in Roman und TV-Film aber nicht heran.

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