David Gilmour wird 75

Die gute Seele von Pink Floyd

02.03.2021 von SWYRL/Sven Hauberg

Pink Floyd machten ihn weltberühmt, ein wirklicher Star war er aber nie: Am 6. März wird David Gilmour 75 Jahre alt.

Vor ein paar Jahren war David Gilmour wieder einmal auf Tour durch Europa, mit eigenen Songs und Klassikern seiner einstigen Band Pink Floyd. Er werde an den schönsten Orten des Kontinents spielen, hieß es im Vorfeld - in der Arena von Verona, in der Royal Albert Hall, im alten Amphitheater von Pula. Nur in Deutschland ließ sich scheinbar nichts Angemessenes finden, und so saß Gilmour im September 2015 in einem hässlichen Backstage-Raum in einer Multifunktionshalle in Oberhausen und gab Interviews zu seinem gerade erschienenen Album "Rattle That Lock". "Ich fühle mich wirklich selten wie ein Rockstar", diktierte Gilmour, der mit seiner Frau Polly Samson zum Interviewtermin gekommen war, dem Journalisten ins Aufnahmegerät. "Wenn ich Konzerte gebe, ist das manchmal ein ganz schöner Schock. Dann denke ich mir: Fuck, du bist offenbar wirklich ein Rockstar. Ich führe schon ein seltsames Leben."

Viel geblieben ist nicht von diesem seltsamen Leben, jetzt, in Zeiten von Corona. Am 6. März wird David Gilmour 75 Jahre alt, feiern wird er wohl daheim, in den eigenen vier Wänden, im Kreise der Familie. Wie das aussehen könnte, kann man sich schon jetzt bei YouTube ansehen. Seit Monaten stellt Gilmour immer wieder Videos online, die ihn beim Musizieren zeigen, zusammen mit seiner Tochter Romany, neben seiner Frau, seinen Kindern, seinen Enkeln. Der Rockstar ist da denkbar weit weg.

Wobei Gilmour das ja eigentlich nie war, ein Star im klassischen Sinne. Wer also von seinem Leben erzählen will, kann sich nicht entlanghangeln an skandalträchtigen Schlagzeilen, wie man das bei anderen Musikern von diesem Kaliber wohl täte. Klar, auch Gilmour führte ein privates Leben, hatte Freundinnen, heiratete, wurde Vater. Aber ein öffentlicher Künstler war er genauso wenig, wie Pink Floyd eine öffentliche Band waren. Keine Aufreger, kein Klatsch und Tratsch. Erst Mitte der 80-er, als sich die Bandmitglieder trennten und in schier endlosen juristischen Auseinandersetzungen gegenseitig zerfleischten, schrieb nicht mehr nur die Musikpresse über Pink Floyd.

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Barrett geht, Gilmour kommt

David Gilmour kam 1946 in Cambridge zur Welt und wuchs in der Nähe der Universitätsstadt auf. Sein Vater war Zoologe, seine Mutter arbeitete bei der BBC. Ein klassischer Bildungsbürgerhaushalt, mit Eltern, die ihren Sohn früh ermutigten, Musik zu machen. Als Gilmour elf Jahre alt war, traf er erstmals Syd Barrett und Roger Waters, die in der Nachbarschaft lebten und später Pink Floyd gründen sollten. Mit Barrett entstand eine enge Freundschaft, mit Waters nicht. Vielleicht ein Vorzeichen späterer Konflikte?

Mit Syd Barrett jedenfalls tourte Gilmour Mitte der 60-er - da hatte er bereits ein Sprachenstudium abgebrochen, aber, viel wichtiger, eine Band gegründet - durch Europa, mit Covern von Beatles-Songs. Erfolgreich war das alles nicht, aber immerhin ein Anfang. Zurück in London, stellte Barrett schließlich Pink Floyd auf die Beine, mit Roger Waters, Nick Mason und Rick Wright. Gilmour war nicht dabei, nahm stattdessen mit einer Band namens Jokers Wild ein paar längst vergessene Songs auf. Wie er dann aber doch noch zu Pink Floyd stieß, ist eine ziemlich unschöne Geschichte.

Barrett, Sänger und Kopf der Band, hatte zu viel LSD genommen, war gefangen in einem Trip, aus dem er keinen Ausweg fand. "Wir litten darunter, jemanden wie ihn in der Band zu haben, der jederzeit explodieren konnte", gab Schlagzeuger Mason vor ein paar Jahren zu. "Der Rest von uns wollte einfach weitermachen und spielen." Irgendwann wurde der einstige Kopf von Pink Floyd dann einfach nicht mehr mitgenommen zu den Auftritten der Band. Seinen Gesang und das Gitarrenspiel übernahm David Gilmour.

Vom Underground in die Fußballstadien

Das Verspielte der ersten Platte wich ernsthafterem Songwriting, für das zunächst vor allem Roger Waters verantwortlich zeichnete, bald aber auch Gilmour. Wobei die Frage, welcher der beiden nun entscheidend war für die musikalische Ausrichtung der Band, noch immer zu lebhaften Diskussionen unter Fans sorgen kann. Wenn Waters heute auf Solo-Tournee geht, wird er oft als "kreatives Genie" von Pink Floyd beworben, Gilmour hingegen als "Stimme und Gitarre" der Band. Als wäre es so einfach. Wahrscheinlich haben sich beide einfach nur hervorragend ergänzt - Waters, der intellektuelle, stets etwas missmutige Grübler, und Gilmour, die gute Seele der Band, der Mann mit der unverkennbare klaren Stimme, dem präzisen und mitreißenden Gitarrenspiel und den unglaublichen Soli.

"Ich würde nie Musik machen, die so klingt, wie es sich andere von mir erhoffen. Wenn ich Songs schreibe, ist das ein absolut egoistischer Prozess", sagte Gilmour in jenem Backstage-Raum in Oberhausen. "Die einzige Person, der meine Musik gefallen muss, bin ich." Roger Waters sieht das wohl genauso. Wenn der alte Zyniker Waters Stücke schrieb wie "Have A Cigar", die bitterböse Abrechnung mit der Musikindustrie, dann verweigerte Gilmour schon mal den Gesang, sodass ein Gastmusiker ins Studio geholt werden musste. Dass aus diesem Zusammenprallen übergroßer Egos Songs entstanden, die zu den besten in der Geschichte des Rock gehören, ist schon ein kleines Wunder.

Pink Floyd entwickelten sich jedenfalls nach dem Einstieg von Gilmour vom Geheimtipp des Londoner Undergrounds zu einer der wichtigsten Bands des 20. Jahrhunderts. Alben wie "The Dark Side Of The Moon" (1973) und "Wish You Were Here" (1975) verkauften sich viele Millionen Mal, Pink Floyd füllten große Arenen und noch größere Fußballstadien. Das ging ein paar Jahre auch ganz gut, bis Waters zunehmend das Steuer an sich riss. "Animals" (1977), das Album mit dem fliegenden Schwein auf dem Cover, mehr noch aber das Konzeptmonstrum "The Wall" (1979), tragen überdeutlich die Handschrift des schon immer sehr politischen Musikers Waters. Wobei die vielleicht besten Stücke auf "The Wall", allen voran das epische "Comfortably Numb", aus der Feder von Gilmour stammen.

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Gerichtssaal statt Konzertbühne

Die Differenzen innerhalb der Band ließen sich Anfang der 80-er nicht mehr wegdiskutieren. Waters wollte die Gruppe auflösen, Gilmour zusammen mit Mason und Wright weitermachen. Man sah sich fortan nicht mehr auf der Bühne oder im Studio, sondern vor Gericht. Am Ende siegte Gilmour, Pink Floyd lebten weiter. Fortan war klar, wer der Herr im Hause ist - "A Momentary Lapse Of Reason" (1987), das erste Album der Post-Waters-Ära, war quasi ein Soloalbum Gilmours. Und die riesigen Touren, die Waters irgendwann so gehasst hatte und die ihn zu "The Wall" inspirierten, wurden wieder ein Markenzeichen der Band. Man spielte vor dem Berliner Reichstag und vor 200.000 Zuschauern in der Lagune von Venedig. Die Musik jener Jahre, sie klingt heute sehr zeitgeistig, im Guten wie im Schlechten.

Nach einer letzten Tournee Anfang der 90-er, um "The Division Bell" (1994) zu promoten, wurde es still um Pink Floyd - und um Gilmour. Zuletzt stand die Band vereint 2005 für "Live 8" auf der Bühne, drei Jahre später starb Rick Wright. Mitte der Nullerjahre aber schien Gilmour, mittlerweile Träger des Order of the British Empire, wieder die Lust am Musikmachen zu entdecken, er tourte, veröffentlichte zwei sehr solide Soloplatten.

Zuletzt nahm der achtfache Vater, der 1994 zum zweiten Mal geheiratet hatte, den Song "Yes, I Have Ghosts" auf, zusammen mit Tochter Romany. Das Video zu dem Stück, einer Hommage an Leonard Cohen, zeigt Gilmour am Strand der griechischen Insel Hydra. Die Sonne scheint ihm ins Gesicht, er wirkt glücklich.

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