Tatort: Diesmal ist es anders - So. 28.04. - ARD: 20.15 Uhr

Ballauf in Love

24.04.2024 von SWYRL/Eric Leimann

Der Kölner "Tatort: Diesmal ist es anders" beginnt als Liebesgeschichte. Kommissar Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) lebt in glücklicher Frischbeziehung mit der Chefredakteurin eines Stadtmagazins (Jenny Schily). Doch dann passiert ein Mord, der vieles ins Wanken bringt.

Wer den Kölner Kommissar Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) als einsamen Wolf abgespeichert hat, muss nun umdenken. Wie der Titel "Tatort: Diesmal ist es anders" verspricht, passiert in Folge 90 des alten "Ermittlerehepaares" Ballauf und Schenk (Dietmar Bär) etwas Ungewöhnliches: Max Ballauf ist glücklich liiert. Gefunden hat er die Journalistin Nicola Koch (Jenny Schily), Chefredakteurin und Herausgeberin des Stadtmagazins "Cologne Alive". Wie die beiden sich kennenlernten, wird nicht erzählt. Die "Tatort"-Zuschauenden werden sofort in eine achtsam offene, aber auch körperliche erstaunlich freizügige Liebesgeschichte eingeführt. Hier stellt sich nicht mehr die Frage: Gehen wir zu dir oder zu mir? Eher scheint es so, dass Max bei seiner neuen Lebensgefährtin eingezogen ist.

Den Kollegen von der Mordkommission ist der dauerlächelnde Max keine allzu große Hilfe, als der Tod eines wohl absichtlich überfahrenen Mannes untersucht wird. In der schicken Wohnung von Peer Schwarz, dem Opfer, finden sich große Mengen Bargeld - offenbar hat der arbeitslose Journalist bekannte Persönlichkeiten systematisch erpresst. Wehrte sich eine von ihnen mit drastischen Mitteln? Eine Spur führt zum ehemaligen Schlagerstar Mariella Rosanelli (Leslie Malton). Die charismatische Kölnerin singt noch ab und zu auf Charity-Events, um Geld für ihr Jugendzentrum "Kids4Care" zu sammeln. Die karitative Einrichtung ist aber längst ihr Haupt-Job und das Ein-und-Alles der Sängerin. Kann es sein, dass auch sie vom getöteten Schwarz erpresst wurde?

Auch "Cologne Alive", das Magazin von Max' Flamme Nicola, berichtet sehr regelmäßig und positiv von Mariella Rosanellis Aktivitäten. Als Max bei seinen Recherchen auf Querverbindungen stößt, kommen in ihm Verdächtigungen hoch, die seiner Beziehung nicht guttun. Sowohl er als auch Nicola spüren, dass ein dunkler Schatten über diese Liebe gefallen ist.

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Das alterslose Faszinosum der Liebe

Auch über einen Ermittler, der schon seit 1997 im Kölner Dienst ist, kann man noch etwas Neues erzählen - sagte sich Drehbuchautor Wolfgang Stauch, der 2022 für Ballauf und Schenk unter anderem die tolle Mord-unter-Schauspielern-Folge "Vier Jahre" geschrieben hat oder auch für den epochalen Stuttgarter Fall "Anne und der Tod" (2019) verantwortlich zeichnet. Stauch ist ein Krimiautor, der sich nicht mit dem Üblichen zufriedengibt. Bei ihm muss auch zwischenmenschlich etwas passieren, das seine Krimis zu etwas Besonderem macht. Hier ist es Max Ballauf, der mit 60-plus das Leben plötzlich ganz anders zu sehen scheint: als wunderschöne, freudvolle Entdeckungsreise in der Welt eines anderen Menschen. Manche nennen dieses Gefühl: verliebt sein. Regisseur Torsten C. Fischer inszeniert es in seinem elften Kölner "Tatort" mit Klasse-Kameramann Holly Fink überaus anrührend und angenehm klischeefrei, so dass man dem Spiel von Behrendt und Schily die Überzeugung abnimmt: Ja, auch reifere Menschen können ihrem Leben durch eine neue Liebe noch mal eine ganz neue Wendung geben.

Dass dazu ein Krimi konstruiert wird, der natürlich etwas mit dem neuen Lebensgefühl des Kommissars zu tun hat und dieses torpediert, ist dem Format und auch ein Stück weit den Grundregeln dramatischen Erzählens geschuldet. Der Fall, den Ballauf und Schenk gemeinsam mit ihren Helfern Jütte (Roland Riebeling), Natalie Förster (Tinka Fürst) und Dr. Roth (Joe Bausch) bearbeiten müssen, stört fast ein bisschen die Liebesgeschichte, auch wenn dieser nicht schlecht ausgedacht ist.

Zu den faszinierenden, reiferen Frauen dieses "Tatorts" zählen neben der wie immer sehr guten Jenny Schily und der ebenso starken Leslie Malton auch Max' ehemalige Liebe Lydia Rosenberg (Juliane Köhler). In diesem Film taucht sie mal wieder auf und gibt Max ein paar Lebensweisheiten mit auf den Weg. Ein kurzer, starker Auftritt in einem Krimidrama über Lebensträume, die spät in Erfüllung gehen könnten, und das alterslose Faszinosum der Liebe.

Vier gute "Tatorte" aus Köln am Stück

Doch wie ist er nun einzuordnen, der 90. "Tatort" mit Ballauf und Schenk? Für den Part der Liebesgeschichte bekommt der Krimi die Schulnote eins. Der private Erzählstrang wird ungewöhnlich, ja anrührend erzählt und gespielt. Der Kriminalfall hingegen ist "nur" ordentlich gebaut. Für einen Klasseautor wie Stauch ist es eher ein durchschnittliches Krimi-Drehbuch, aber keineswegs schwach. Betrachtet man die letzten vier Fälle von Ballauf und Schenk, muss man sagen: Die alten Recken aus Köln haben derzeit einen Lauf. Die überdrehte Finanzberater-Groteske "Pyramide" entlarvte klug die Gier des Menschen, "Des anderen Last" war eine anrührende Weihnachtsfolge über Un(menschlichkeit) im Liefer-Kapitalismus und "Abbruchkante" eine stimmungsvolle Meditation über verlassene Orte und die Macht der Vergangenheit.

Im "Tatort: Diesmal ist es anders" kommt die vielleicht berührendste Szene des Sonntagabend-Krimis ganz ohne Worte aus. Es ist eine lange innige Umarmung zwischen den alten Freunden Max Ballauf und Freddy Schenk. Manchmal ist Freundschaft der letzte, vielleicht einzige Anker im Leben, wenn die Liebe den Bach heruntergegangen ist.

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