Jan Josef Liefers im Interview

"Angst ist kein guter Ratgeber"

30.01.2021 von SWYRL/Maximilian Haase

Jan Josef Liefers bleibt auch in Coronazeiten ein umtriebiger Mensch. Wie aufreibend das Training für seine neue Miniserie war, wie es mit seinem Honecker-Film vorangeht und was die Pandemie mit seiner Erinnerung an die DDR zu tun hat, erklärt der 56-Jährige im Interview.

Von Angst dürfe man sich nicht leiten lassen, auch in Pandemiezeiten nicht. Mehrfach hat Jan Josef Liefers diese Erkenntnis in den letzten Monaten geteilt. Am Ende, so der 56-Jährige, nähmen viele gesellschaftliche Bereiche Schaden, insbesondere die Kultur. Dass der beliebte Schauspieler selbst recht angstfrei durchs Leben geht, zeigt anekdotisch etwa das harte Training für seine neue Miniserie "Tod von Freunden" (Sonntag, 7.2., 22.15 Uhr, im ZDF, drei weitere Episoden an den folgenden Sonntagen), für die der begeisterte Sportler auch eine nicht ungefährliche Kajak-Rolle lernen musste. Von gewisser Leichtigkeit zeugt auch Liefers' Umtriebigkeit während der Krise: Zwei Filme drehte der "Tatort"-Star unter Coronabedingungen, aktuell arbeitet er als Produzent und Regisseur an einem Projekt über eine Honecker-Episode kurz nach dem Mauerfall. Die Wende hat viel mit dem Leben des gebürtigen Dresdners zu tun: Schon damals bewies der junge Liefers Angstfreiheit, als er vor Zehntausenden auf dem Alexanderplatz sprach. Wie er sich daran erinnert und was seine DDR-Erfahrung mit der Pandemie zu tun hat, erklärt Jan Josef Liefers im Interview.

teleschau: Ihre neue Miniserie "Tod von Freunden" ist ein überaus dramatisches und emotionales Stück Fernsehen. Gestaltete sich auch der Dreh entsprechend - oder wurde die Atmosphäre vor allem im Nachhinein erzeugt?

Jan Josef Liefers: Man kann wohl den einen oder anderen Eindruck im Nachhinein unterstützen oder hervorheben, aber einen entspannten Spaßdreh in ein hochemotionales Drama zu verwandeln, das würde selbst die ausgebuffteste Nachbearbeitung nicht hinkriegen! Bei so einer Art von Geschichte ging es für alle Mitwirkenden mal ans Eingemachte.

teleschau: Woran lag das vor allem?

Liefers: Es kam einiges zusammen. Zwei geradezu symbiotisch befreundete Familien und leidenschaftliche Segler geraten in einen Strudel aus Geheimnissen, Misstrauen und Beschuldigungen, weil der Sohn der einen Familie bei einem Segeltörn mit der anderen Familie ums Leben kommt. Sowohl Katharina Schüttler als auch Thure Lindhardt, Lena Marie Christensen und ich haben Kinder. So etwas spielt man dann nicht einfach mit Schwung weg. Das war schon eine anspruchsvolle Reise. Dazu kam das Kajakfahren auf offener See im Winter, die Kenterrolle, das Kajakpolo-Spiel und die besondere Erzählweise, bei der wir immer wieder scheinbar dieselbe Geschichte sehen, aber jedes Mal aus einer anderen Perspektive. Und immer erfahren wir etwas Neues über die Verstrickungen der vier Freunde und ihrer erwachsen werdenden Kinder. Natürlich auch die Witterungsbedingungen vor Ort in Dänemark auf den Ochseninseln.

teleschau: War das Kajakfahren die größte Herausforderung?

Liefers: Es ist kein normales Kajak mit Kiel, wie man es vielleicht kennt. Man muss es sich eher so vorstellen, wie in einem Wok den Eiskanal runterzufahren, wie bei Stefan Raab damals (lacht). Es war unmöglich, das Ding geradeaus zu steuern. Zudem musste ich ja noch die Kenterrolle lernen ...

teleschau: ... eine Methode, bei der man das Kajak wieder aufrichtet, indem man sich einmal um die eigene Achse dreht ...

Liefers: Man verlagert seinen Schwerpunkt, kippt um und hängt verkehrt herum mit dem Kopf nach unten im Wasser. Da muss man die Nerven behalten. Das ist physisch sehr herausfordernd für jemanden wie mich. Ich würde sagen, dass ich gern Sport treibe - aber ich bin auch nicht mehr 20. Das dann bei diesen Temperaturen, mit diesem Seelenzustand meiner Figur Bernd, das war schon sehr speziell.

teleschau: Bereiteten Sie sich mit Trainern darauf vor?

Liefers: Klar. Es gibt in Berlin eine ganz tolle und erfolgreiche Kajaktruppe, die "Havelbrüder". Sie brachten mir das sehr nett und geduldig bei - oder versuchten es zumindest (lacht). Sie forderten mich anfangs dazu auf, einfach geradeaus zu fahren. Wie kläglich man an dieser Aufgabe scheitern kann, wenn man noch nie in so einem Ding saß! Für die Trainer war es natürlich lustig.

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"Der 'normale Zuschauer' ist durchaus mein Freund"

teleschau: War es dann vor Ort etwas Besonderes, in einem anderen Land und mit dänischen Kollegen zu drehen?

Liefers: Der Beruf ist überall auf der Welt der gleiche. Aber: Die Skandinavier sind in ihrer Filmkultur sehr offen - nicht so abgegrenzt wie bei uns vielleicht. Das fängt schon bei den Kindern an, die zum Beispiel koreanische Filme mit Untertiteln schauen, das kennen wir so gar nicht, weil es bei uns die so hoch entwickelte und sehr traditionelle Synchronkultur gibt. Die Anbindung an den Rest der Welt ist dort größer. Alle paar Jahre kommt aus Dänemark eine Produktion, bei der man denkt: Wieso ist das denn bitte jetzt nicht bei uns entstanden?

teleschau: Spielt dabei die erwähnte Weltoffenheit eine Rolle?

Liefers: Serien wie "Borgen" funktionieren international, sind aber trotzdem sehr im Lokalen verwurzelt. In Deutschland schielten einige hingegen auf die internationalen Erfolge und versuchten, die eins zu eins nachzumachen, ohne sie auf unsere Verhältnisse umzudenken. Da wohnte dann schon mal eine Krankenschwester in einer riesigen Maisonette-Wohnung, das glaubt man dann hier nicht. Aber es gibt mittlerweile sehr gut gelungene Beispiele für deutsche Serien wie "Dark", die eine sehr deutsche Geschichte erzählen, doch so gut gemacht sind, dass das auch beispielsweise ein Engländer toll findet. Und unser "Arthurs Gesetz" läuft gerade dieser Tage als "Arthurs Law" in den USA bei HBO.

teleschau: Also Lokalkolorit als Voraussetzung für internationalen Erfolg?

Liefers: Wir machen uns manchmal mit Freunden den Spaß, nur ein paar Sekunden in einen Film zu schalten, um zu erraten, wo er gedreht wurde. Englische oder französischen Produktionen kann man sofort erkennen - dieser Stallgeruch ist gut.

teleschau: Oft wird auch gesagt, dass sich deutsche Produktionen von einer eingefahrenen Erzählweise lösen müssten. Wie sehen Sie das?

Liefers: Es existiert in den Plots oft noch dieses "Alles wird gut"-Versprechen, daraus konnte sich der deutsche Film nie ganz befreien. In Deutschland merken wir auch heute manchmal noch diese 50er-Jahre-Erzählwelt vom guten Vater, der es am Ende richten wird. Oder es ist der Arzt oder der Förster - die weisen Vaterfiguren, die wir nie hatten. Da ist der deutsche Krimi, in dem am Schluss nochmal alles erklärt wird. Warum ist der Täter so geworden und was können wir in Zukunft besser machen - das muss bei uns immer alles ganz klar sein. Der Plot ist ganz wichtig, und die Figuren müssen erklären, wer sie sind und warum. Das ist jetzt etwas zugespitzt, aber in anderen Ländern gibt es ganz andere Erzählweisen.

teleschau: Würden Sie den Münster-"Tatort" und Ihre Figur des Prof. Boerne mittlerweile in die Reihe der eher klassischen hiesigen Fernsehkultur einordnen?

Liefers: Der Eindruck entsteht vielleicht, weil so viele Menschen den Münster-"Tatort" immer wieder gerne sehen. Aber als wir damit anfingen, sind wir ja auch aus dem traditionellen "Tatort"-Format ausgebüxt. Und der große Erfolg war eher unerwartet, gerade deshalb. Ein gutes Beispiel für "Wer wagt, gewinnt". Und da steckt auch immer noch genug Überraschung drin und Spaß an der Arbeit. Deshalb bin ich noch immer sehr gerne voll dabei.

teleschau: Schauen Sie bei der Auswahl Ihrer anderen Rollen dennoch bewusst nach Außergewöhnlichem?

Liefers: Als jemand, der seinen Beruf auch wegen seiner Vielfalt liebt - ja! Aber es muss kein doppelter cineastischer Flickflack mit eingesprungenem, dreifachen Rittberger sein, bloß um Modernität zu erzwingen. Der "normale Zuschauer" ist durchaus mein Freund. Ich rümpfe in keiner Weise die Nase, wenn jemand fordert, mal wieder paar "normale" Filme zu zeigen.

teleschau: Aber?

Liefers: Wie ich es bei meinem besten Kumpel machen würde, so würde ich auch diesem Zuschauer gern mal etwas anderes zeigen, als das, was er kennt. Und danach suche ich aus. Dass "Tod von Freunden" eine solche Produktion werden würde, stand von vornherein fest. Trotzdem versuche ich auch bei einem solchen Projekt so zu arbeiten, dass es meiner Nachbarin, die mit Film gar nichts zu tun hat, gefallen würde. Wir machen nicht nur Fernsehen für Cineasten, die schon alles kennen.

"Die Welt ohne Corona darf nicht verloren gehen"

teleschau: Im letzten Jahr drehten Sie unter Coronabedingungen bereits zwei Filme - mal mit Anspielungen auf das Virus, mal mit vielen Tricks, um die Hürden zu überspielen. Was war Ihnen lieber?

Liefers: Corona bestimmt unser Leben seit einem Jahr. Es wird uns von morgens bis abends aus allen medialen Rohren in den Kopf gehämmert. Wenn ich diese verrückte und bedrückende Pandemiewelt nun auch noch im Film sehen müsste, hätte ich darauf bestimmt keine Lust (lacht). Die Welt ohne Corona darf nicht verloren gehen - eine Welt ohne Hygieneregeln und Gesichtsmasken. Wir müssen uns daran erinnern, dass diese Zeit noch immer eine Ausnahmesituation ist. Auch, wenn sie schon ganz schön lange dauert. Aber ich bin dafür nicht gemacht, und ich glaube, die anderen Menschen auch nicht.

teleschau: Viele Künstler leiden unter der Krise - macht Sie das besonders betroffen?

Liefers: Mein Herz und meine Empathie sind momentan bei jenen, denen es schlecht geht. Die im Krankenhaus liegen und um Luft ringen. Und bei allen, die jemanden verloren haben. Aber auch bei denen, die gerade nicht wissen, wie es je weitergehen soll - meinen Musikerkollegen etwa, oder den Leuten an den Theatern und Opernhäusern, den Kinobetreibern. Was wird sein, wenn die Theater wieder öffnen? Werden dann manche sagen: Ich war anderthalb Jahre nicht im Theater - es geht auch ganz gut ohne? Während wir versuchen den Gesundheitsschaden einzudämmen, richten wir an anderer Stelle erheblichen Schaden an. Es wäre sicher an der Zeit, auch diese Opfer zu zählen.

teleschau: Sie äußerten sich dahingehend auch in den sozialen Medien bereits kritisch - und beklagten, dass wir uns von Angst leiten ließen ...

Liefers: Angst ist kein guter Ratgeber, Angst lähmt, macht uns klein. Mir hat die Art nicht gefallen, wie Menschen dauerhaft in Angst und Schrecken versetzt wurden. Vielleicht geschah das mit dem Ziel, die Bevölkerung schnell zur Akzeptanz drastischer Maßnahmen zu bewegen. Ich wollte mich davon nicht anstecken lassen. Es fällt mir schwer, einfach nur alles so zu glauben, wie es in Zeitungen steht. Ich brauche für meine Orientierung mehr als eine Ansicht. Vielleicht ein Relikt aus meiner Erfahrung als früherer DDR-Bürger - auch wenn ich schon weiß, dass man das nicht vergleichen kann.

teleschau: 1989 hielten Sie als junger DDR-Schauspieler eine Rede auf dem Alexanderplatz. Haben Sie anlässlich der Jubiläen in den letzten beiden Jahren noch einmal neu auf ihr damaliges Ich geblickt?

Liefers: Ich sehe mich da mit gebrochener Hand auf dem Alexanderplatz die Rede halten und denke: Meine Güte, was hat man nicht schon alles erlebt (lacht). Aber ich neige nicht dazu, mich zu beweihräuchern. Es war einfach ein wichtiger Teil meines Lebens. Und ja, der hat mich auch geprägt.

"Ich weiß, woher ich komme, jeden Tag"

teleschau: Bis Dezember saßen Sie in der Bundeskommission anlässlich drei Jahrzehnten Mauerfall und Wiedervereinigung. Wie viel Ostdeutscher steckt denn noch in Ihnen?

Liefers: Wie soll man das messen? Auf jeden Fall bin ich ganz gut assimiliert (lacht). Als die Mauer aufging, war ich sehr jung und bin direkt nach Hamburg abgezischt. Für mich lief die Wiedervereinigung super. Trotzdem: Ich weiß, woher ich komme, jeden Tag. Die Arbeit in der Kommission war vor allem deshalb interessant, weil ich mit vielen Historikern und Politikern an einem Tisch sitzen konnte. Mich interessiert die Vergangenheit nur insofern, wie sie mir hilft, die Gegenwart zu erklären. Ich lernte in der Kommission den Historiker Ilko Sascha Kowalczuk kennen, der mir heute bei meinem Honecker-Holmer-Projekt beratend zur Seite steht.

teleschau: Sie planen die Verfilmung jener Episode nach der Wende, als Erich und Margot Honecker 1990 von einem Pfarrer Asyl bekamen und in dessen Pfarrhaus im Norden Berlins unterkamen.

Liefers: Erich Honecker war wahrscheinlich neben seiner Frau die meistgehasste Person der DDR, den konnte man nicht einfach in eine Erdgeschosswohnung setzen. Er war frisch operiert und seine Anwälte suchten unter Hochdruck nach einer sicheren Unterbringung. Keiner wollte ihn, auch die Kirche hat sich nicht um ihn gerissen, am Ende erbarmte sich ein Pastor. Und dann lebten die Honeckers ein paar Wochen unterm Dach im Kinderzimmer. Dass der mächtigste Mann eines Landes gestürzt wird und ausgerechnet bei jemandem unterkommt, der zu Leidtragenden dieses Regimes gehörte - das ist wohl außerordentlich ungewöhnlich. Aber es ist wirklich passiert. Als ich erstmals davon hörte, dachte ich: Das muss ein Film werden, das will ich sehen!

teleschau: Und dafür müssen Sie es nun selbst in die Hand nehmen?

Liefers: So ist es. Aber es ist ja am schönsten, die Sachen zu drehen, die man am liebsten auch selbst sehen will. Glücklicherweise fand ich Menschen, die von der Idee genauso begeistert sind wie ich. Nun wird das Pfarrhaus in Babelsberg aufgebaut - gerade in Coronazeiten finden wir hier beste Bedingungen für den Dreh und allerhöchste Kompetenz, wenn es um Dreharbeiten im Studio geht. Unter lauter Hollywoodproduktionen halten wir dort jetzt tapfer das deutsche Fähnchen hoch!

teleschau: Sie selbst spielen aber nicht mit?

Liefers: Nein, ich bin nur der Produzent und Regisseur. Das reicht erstmal (lacht).

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