ZDF-Polittalk "Maybrit Illner"

"Wie naiv muss man sein?": Grünen-Politikerin kanzelt Macron nach Ukraine-Vorschlag ab

09.12.2022 von SWYRL

Russland bombardiert weiterhin zielgerichtet ukrainische Infrastruktur. Trotzdem warb Emanuel Macron zuletzt für Friedensgespräche mit Russland. Im ZDF-Talk "Maybrit Illner" nannte Grünen-Politikerin Marina Weisband den Vorstoß "hochgradig naiv". Doch das sahen nicht alle Talkgäste so.

Internationale Kritik an seinem Vorgehen im Angriffskrieg auf die Ukraine perlt an Wladimir Putin offenbar ab. Trotz aller Proteste hält der russische Machthaber an seinem Ziel fest, mit gezielten Angriffen die Energie-Infrastruktur in der Ukraine lahmzulegen. Ausgerechnet in dieser komplizierten Gemengelage hat Frankreichs Präsident Emmanuel Macron vergangenes Wochenende im Rahmen seines USA-Besuches Friedensgespräche mit und Sicherheitsgarantien für Russland zur Diskussion gestellt.

Am Donnerstagabend übte die Deutsch-Ukrainerin Marina Weisband von den Grünen im ZDF-Talk "Maybrit Illner" scharfe Kritik an dem Vorstoß: "Wie naiv muss man als Regierungschef sein, wenn man glaubt, es ginge Putin um die Nato und Sicherheitsinteressen?" Macron blende mit seinem "hochgradig naiven" Vorschlag die "russische imperialistische Logik" aus, so die zugeschaltete Politikerin. Nach dieser sei "die Ukraine eine abtrünnige Provinz", führte Weisband weiter aus und fügte hinzu: "Russland muss beweisen, dass es die Ukraine zerstören kann. Nur dann riskiert er nicht, dass weitere Teile von seinem Imperium abbröckeln. Und das ist Putins größte Angst!"

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Militärexperte Masala: "Putin braucht eine taktische Pause"

Ein temporärer Waffenstillstand könnte Russland sogar in die Karten spielen, befürchtete Marina Weisband angesichts der zuletzt großen Gebietsgewinne der Ukraine und der fehlenden Winterausrüstung bei der russischen Armee. Diese Pause könne den Russen helfen, "aufzurüsten, nachzurüsten, aus dem Iran neue Drohen zu bestellen. Danach wird er unweigerlich die Ukraine wieder angreifen". Weisband wünsche sich "einen echten Frieden". Das sei nur möglich durch "echte Verhandlungen", die man wiederum nur erreiche, "wenn man Fakten geschaffen hat, die Putin dazu zwingen, sich an sein Wort zu halten".

Militärexperte Carlo Masala pflichtete dieser Einschätzung bei und stellte fest: "Putin braucht eindeutig eine taktische Pause, um die Teilmobilisierten heranzuführen." Es gäbe Berichte von Doppelschichten in russischen Munitionsfabriken und darüber, "dass hinter dem Ural alte T-50-Panzer aus den Depots geholt werden". Basierend auf diesen Informationen bilanzierte Masala: "Russland bereitet sich auf eine lange militärische Auseinandersetzung vor." Entsprechend "sprachlos" habe ihn Macrons jüngster Vorstoß gemacht.

FDP-Mann Lambsdroff nennt Macrons Äußerungen "hochgradig unklug"

FDP-Mann Alexander Graf Lambsdorff schloss sich dem an: Er bezeichnete Macrons Äußerungen als "hochgradig unklug" und "völlig überflüssig". Gerade das Verhältnis des Westens mit der Ukraine könnte bei möglichen Verhandlungen mit Russland leiden. "Wir können als Westen nicht den Menschen in Kiew sagen, wir verhandeln jetzt mal mit Putin", beschrieb der 56-Jährige. "Wir sagen euch dann, was dabei herausgekommen ist, und die Ergebnisse habt ihr dann zu akzeptieren." Einziges Ziel sei ein dauerhafter Frieden, und dafür müsse Russland "seine eigene Zukunft in Europa" klar umreißen.

Martin Schirdewan von den Linken vertrat eine andere Meinung. Es sei durchaus klug von Emmanuel Macron, dass er im Januar Gespräche mit dem chinesischen Präsidenten angesetzt habe. Xi Jinping sei ein wichtiger Akteur in künftigen Friedensgesprächen mit Russland. Zudem sei es schon jetzt an der Zeit, eine künftige, europäische Friedensordnung zu diskutieren: "Wir müssen uns die Frage stellen, wie das Zusammenleben der Völker und der Nationen Europas in Zukunft funktionieren kann." Dem gab auch Philosoph Julian Nida-Rümelin recht: "Wir, die Welt insgesamt, kommen aus diesem Konflikt nur raus, wenn wir eine Perspektive haben für die Zeit danach."

Lage in der Ukraine laut Grünen-Politikerin Weisband "eine Katastrophe"

Die Menschen in der Ukraine dürfte aktuell indes die Frage nach dem Hier und Jetzt interessieren. "Die Lage am Boden sieht im Moment sehr bedrohlich aus", beschrieb Marina Weisband die Lage im Kriegsgebiet. Trotzdem würden die Menschen vor Ort weder ihren "unfassbaren Mut" noch "Widerstandskraft" verlieren. Wie prekär die Lage ist, machten Schilderungen Weisbands klar: "Ich habe Videos bekommen aus dunklen Supermärkten, wo die Leute ohne Strom einkaufen. In Hochhäusern wird das Abwasser nicht mehr abgepumpt, hygienisch eine Katastrophe."

Die jüngsten Drohnenangriffe der Ukraine auf russische Ziele gäben der Zivilbevölkerung ungeachtet der prekären Lage Hoffnung, sagte Weisband: "Hey, vielleicht schaffen wir es, die russischen Angreifer so weit zu lähmen, dass sie uns in diesem Winter nicht buchstäblich alles unter dem Hintern wegbomben!" Umgekehrt würden die Angriffe auf Russland auch dort Wirkung entfalten und Putins anvisierten "Fernsehkrieg" zunichtemachen: "Jetzt, mit der Massenmobilisierung und den Angriffen auf russischem Boden kommt der Krieg tatsächlich zu den Menschen, die ihn verursachen und anfeuern. Und das ist ganz gefährlich für Putin."

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