ZDF-Talkshow

Wegen Impf-Statistik: Desinformations-Vorwürfe gegen "Markus Lanz"

11.11.2021 von SWYRL/Jens Szameit

Markus Lanz fühlt sich von der neuen Corona-Welle kalt erwischt. In seinem ZDF-Talk wurde eine Grafik eingeblendet, die suggerierte, dass die Schutzimpfung viel wirkungsärmer sei als erhofft. Gegen das Schaubild und seine Interpretation wurden nun Desinformations-Vorwürfe laut.

"Glaube keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast", besagt ein alter Kalauer. In der Corona-Pandemie hat er unverhoffte Konjunktur bekommen. Schließlich findet sich für jede noch so abseitige Einzelmeinung irgendwo in den Weiten des Internets ein Schaubild, das den eigenen Standpunkt untermauert. Wenn auch oft nur scheinbar.

Unfreiwillig vorgeführt wurde dieses pseudowissenschaftliche Dilemma am Mittwochabend bei "Markus Lanz". Der ZDF-Talker wollte mit seiner Runde die Gründe für das katastrophale Aufflammen der Pandemie erörtern, von der man doch lange geglaubt hatte, sie sei dank des Impffortschritts weitgehend eingehegt.

"Wir alle hatten das Gefühl, wenn wir uns impfen lassen, sind wir aus dem Gröbsten raus", haderte Markus Lanz mit seiner eigenen Enttäuschung. "Jetzt erleben wir etwas, was ich mir nicht mehr erklären kann." Um seine Verzweiflung zu illustrieren, habe er sich "eine sehr, sehr interessante Grafik rausgepickt". Die wurde in der Sendung dann auch länglich eingeblendet. "Der Impfeffekt - jeweils Altersklasse 60+", war als Überschrift zu erkennen. Und darunter: "Symptomatische Corona-Fälle mit bekanntem Impfstatus in den KWs 40-43".

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Markus Lanz: "Mir geht's kalt den Rücken runter!"

Die Statistik weist für die Altersklasse der über 60-Jährigen eine Verteilung von 91 Prozent Geimpften zu nur 9 Prozent Ungeimpften aus. Jedoch stellt sich in den Bereichen "Infektionen", "Infektionen mit Hospitalisierung", "Infektionen mit intensivmedizinischer Behandlung" und "Verstorbene Infizierte" eine andere Verteilung zwischen Geimpften und Ungeimpften dar. "Das ist fast hälftig", wunderte sich Lanz, der die Braunschweiger Virologin Melanie Brinkmann bat, ihm die Grafik zu erklären.

Brinkmann erwiderte, es sei aufgrund der Erfahrungen bei anderen Impfungen zu erwarten gewesen, dass der Immunschutz bei den Älteren "vielleicht gar nicht so gut ausgebildet ist". Zudem seien die Menschen der "vulnerablen Altersgruppen" zuerst geimpft worden. "Bei denen lässt der Impfschutz jetzt langsam nach. Das sind diejenigen, bei denen wir jetzt wieder schwere Fälle sehen."

Lanz war mit den Ausführungen nicht zufrieden: "Mir geht's da kalt den Rücken runter", kommentierte der Talker die Prozent-Balken auf dem Studio-Screen. "Wenn man sich die absolut Geimpften mal anschaut, 91 Prozent, das ist signifikant! Und dann schaue ich mir unten das Verhältnis der Verstorbenen an - das Verhältnis 43 zu 57!", wandte er sich nun Hilfe suchend an den Journalisten Michael Bröcker.

"Für mich ist das ein Argument gegen die Impfpflicht"

Der gab eine Einschätzung zu Protokoll, die offenbar mehr der Gefühlslage des Moderators entsprach. "Ich will mal was Unpopuläres sagen: Für mich ist das ein Argument gegen die Impfpflicht", war seine Ad-hoc-Interpretation. "Weil wir wissen zu wenig über die Impfung. Wir haben von der Stiko Empfehlungen, die mal so sind, dann drei Wochen später wieder so." Zudem sehe man eben: "Der Impfschutz ist nicht der Impfschutz, den wir uns erhofft haben."

Beim Kurznachrichtendienst Twitter löste die Volte um die Impf-Grafik Proteste aus. Der Allgemeinmediziner Marc Hanefeld twitterte: "45% Hospitalisierte unter Geimpften Ü60 bedeuten in Wahrheit über 80% Risiko-Reduktion." Sein Vorwurf an die Redaktion der Talkshow: "Fehlende Vorbereitung sorgt für Desinformation."

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"Bei #Lanz ist das Thema Wahrscheinlichkeiten nicht so gut verstanden"

Der Software-Entwickler und Politiker Henning Tillmann formulierte einen ähnlichen Einwand: "Bei #Lanz ist das Thema Wahrscheinlichkeiten auch nicht so gut verstanden. Die Grafik auch missverständlich. Von 100 Leuten sind 9 ungeimpft. Wenn von den 100 neun auf die Intensivstation müssen, sind davon sechs ohne Impfung. Es sind aber nur drei von 91 der Geimpften!" Er ergänzte seinen eigenen Tweet: "Also zusammengefasst: 100 gesamt, 91 geimpft, 3 davon auf der Intensivstation, 9 ungeimpft, 6 davon auf der Intensivstation."

Er verstehe nicht, so Tillmann in einer weiteren Antwort auf den eigenen Tweet, warum die im ZDF-Studio anwesende Virologin Melanie Brinkmann "das nicht besser eingeordnet hat". Dies sei jedoch "keine direkte Kritik, vermutlich ging es einfach zu schnell. Aber das durfte so einfach nicht stehen bleiben. Ist aber Aufgabe der Redaktion/Moderation."

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