"Verschwörungswelten" auf ZDFinfo

Von "Plandemie" bis "Great Reset": Woher kommen die Verschwörungstheorien?

31.07.2022 von SWYRL/Martina Maier

Warum glauben manche, dass Kinderblutsauger aus der Unterwelt uns alle vernichten wollen? Und andere, dass die Corona-Impfung einen Chip enthält, der Menschen zu Marionetten macht? Die sehenswerte Doku-Reihe "Verschwörungswelten" hört hin und klärt auf.

Die Pandemie hat das Leben von Millionen von Menschen über Nacht auf den Kopf gestellt. Verunsicherung, Angst und sicherlich auch zu viel Zeit schufen einen idealen Nährboden für Verschwörungsmythen - den Rest erledigten die Sozialen Medien, könnte man überspitzt sagen. Jedenfalls ließen sich erstaunlich viele auf der Suche nach schnellen Erklärungen auf Verschwörungstheorien ein. Das Ergebnis? Nie haben sich Menschen so leidenschaftlich über diese zumindest zum Teil absurd erscheinenden Mythen gestritten, sich von Freunden und Familie distanziert, sogar ihre Arbeit riskiert. ZDFinfo widmet diesen "Verschwörungswelten" mit den drei Dokumentationen "Plandemie", "The Great Reset" und "QAnon" von David Moya und Erika Otto einen gleichnamigen Themenabend. Dabei kommen am Mittwoch, 3. August, ab 20.15 Uhr, nicht nur Psychologen, Ärzte und Journalisten zu Wort, sondern vor allem auch Menschen, die mit dieser Art von Weltanschauung sympathisieren.

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Kontrollverlust, Angst und zu viel Zeit

Ihr Misstrauen an den Informationen der "Mainstream-Medien" sei entzündet worden, als sie einen Berg von Leichen auf einem Lastwagen gesehen habe, von denen eine plötzlich anfing, eine Zigarette zu rauchen, erinnert sich die Schmuckherstellerin Amba im ersten Teil "Plandemie" (20.15 Uhr) betroffen. "Da dachte ich, warum will man uns täuschen?" Der Film spart leider ihre Reaktion auf die Herkunft des besagten Clips aus: Das Video stammt von Dreharbeiten zu einem Musikvideo.

Bilder, die in falschen Kontext gesetzt werden, stacheln häufig das Misstrauen der User an, erklärt Andre Wolf von der Rechercheplattform Mimikama, der in allen drei Filmen zu sehen ist. So werden im Netz immer wieder Fotos aus Filmen verwendet, um von angeblich gefangenen Kindern über blutige Rituale alles zu belegen, was der Autor belegen möchte. "Ich sehe keine Nachrichten und lese keine Zeitung. Eigentlich bin ich ein total uninformierter Mensch", sagt Ambas Mutter Ingrid inmitten ihres Kräutergärtchens. "Ich kann mir bei Youtube und Facebook alles ansehen und entscheide gefühlsmäßig, was ich glaube." Dass dort jeder Laie ungeprüft jeden Schwachsinn hochladen kann, ist der Dame nicht wichtig oder nicht bekannt.

"Die Pandemie hat ein Klima erzeugt, in dem wir Kontrollverlust hatten und Angst entstanden ist. Zugleich hatten die Menschen viel Zeit. In dieser Kombination sind viele hineingekippt in eine virtuelle Welt und haben ein Video nach dem anderen angesehen. Es hat ihre eigenen Ängste aufgegriffen und ihnen ein Gesicht gegeben", weiß die Psychologin Ulrike Schiesser, Sektenbeauftragte der Stadt Wien. Sie hat seit Pandemiebeginn einen riesigen Zulauf in ihrer Beratungsstelle. Denn nie gab es so viele Menschen, die sich um Angehörige und Freunde sorgen, die sich immer tiefer in Verschwörungstheorien verstricken und den Bezug zur Realität verlieren. "Kritik ist etwas ganz Wichtiges. Es fängt dann an, in eine Verschwörungstheorie überzugehen, wenn ich sage, hinter dem Ganzen steckt eine andere Absicht", so die Psychologin, die durch alle drei Teile hindurch wertvolle Hintergrundinformationen über die Denkweisen Mythengläubiger beisteuert.

Manipuliertes Wetter ist erst der Anfang

Der erste Teil der Reihe, "Plandemie", widmet sich vornehmlich Theorien rund um Corona und Gegenmaßnahmen sowie der Impfskepsis, aber auch verschiedenen Gurus und Sprüchen wie: "Wird das Kind geimpft, nimmt es Teil an einem Menschenexperiment" oder "AIDS gibt es gar nicht", von denen sich "Experten" viel virtuelles Stammtisch-Schulterklopfen erhoffen können. Und natürlich geht es um Bill Gates, Lieblingsopfer vieler Verschwörungstheoretiker. Sein angebliches Ziel, die Weltbevölkerung zu reduzieren, wird im Film analysiert - und siehe da, es sieht aus, als würde dem Mann da Unrecht getan.

In Teil zwei, "The Great Reset", geht es darum, dass eine geheime Weltelite die Pandemie nutzen soll, um die Menschen durch Impfungen zu kontrollieren und gegebenenfalls zu vernichten. Alles wird angeblich auf Null gestellt und neu gemacht. In dieser Theorie findet jeder, was er sucht: Die einen fürchten eine Ökodiktatur, die anderen behaupten, das Wetter sei längst manipuliert, weil es im Nachbarort nachweislich mehr regne, wieder andere sprechen von durch Impfungen implantierten Chips, mit denen man Menschen satellitengesteuert vergiften kann. All das läuft darauf hinaus, dass die Weltordnung, wie wir sie kennen, in naher Zukunft komplett umstrukturiert werde, damit die "Reichen" die komplette Macht an sich reißen können. Von alldem berichtet Inge, Obfrau der Initiative Heimat & Umwelt, die genau weiß, dass "alles noch viel schlimmer wird mit der Diktatur".

Um eine Elite geht es auch in Teil drei, "QAnon". Diese ursprünglich in den USA beheimatete Gruppierung geht von einem satanischen Unterwelt-Elitestaat ("Deep State") aus, dessen Mitglieder Kinderblut trinken und unsere Geschicke aus dem Verborgenen lenken. Donald Trump wird verehrt, denn ihm wird die Macht zugeschrieben, den Deep State zu zerstören, daher die vielen Demonstranten mit "Q"-Schildern beim Sturm auf das Capitol.

Es lohnt, sich die Zeit für "Verschwörungswelten" zu nehmen. Gut recherchierte Beiträge, Erklärungen zum Ursprung mancher Mythen sowie Hintergründe zu den Ursachen, warum sich einige Menschen lieber auf Verschwörungstheorien einlassen als auf die Inhalte der "Mainstream-Medien", jedoch ohne die Anhänger zu diffamieren oder zu belehren - ein spannendes, informatives Programm, das klar Position bezieht und den einen oder anderen Mythengläubigen vielleicht doch noch zum Grübeln bringen dürfte.

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