12.12.2021 von SWYRL/Jürgen Winzer
Ende gut, alles gut. Die 15. Staffel von "Das Supertalent" (RTL) ist Geschichte. In einem fast vierstündigen Finalmarathon mit zehn Talent-Auftritten und fast ebenso vielen Werbeblocks siegte das zehnjährige Operntalent Elena Turcan und reiste um 50.000 Euro reicher wieder nach Hause nach Idar-Oberstein.
Augen zu und durch. Das muss die RTL-Maxime für das "Finale eins nach Bohlen" gewesen sein. Ekstatische Freude an der Quotenentwicklung kann es nicht der Grund dafür gewesen sein, dass die Finalshow zur fast vierstündigen Gala aufgebläht wurde. Vor allem die letzte Stunde war ein zähes Ringen mit dem Umschaltimpuls: Während sich die Zuschauer daheim beim Voting die Finger wundtippen sollten, wurde quälend überbrückt mit müden Witzen der Moderatoren, je zwei Werbeblocks und Schnelldurchläufen sowie einem Auftritt von Ex-DSDS-Sieger und somit RTL-Familienmitglied Ramon Roselly.
Dass Moderator Chris Tall dann am Ende auch noch sagte "Das war eine tolle Show. Wir sehen uns irgendwann wieder", war irgendwie gar kein so passendes Schlusswort. Muss das denn wirklich sein?
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Die Nacht der Kids: Elena (10) siegt vor Vitoria (17)
Es waren keine Hunde im Finale. Von daher standen die Chancen für die Kinder gar nicht schlecht. Und es wurde auch die Nacht der Youngster. Und die Jüngste von allen steckte, vielmehr: sang, alle in den Sack. Elena Turcan präsentierte ein glasklar-wundervolles "Ave Maria" und gewann die Show wirklich durchaus verdient. Damit führte erstmals seit Staffel eins (2007: Ricardo Marinello) Operngesang wieder zu höchsten Weihen.
Trotzdem schien sie sich gar nicht so richtig freuen zu können, als sie als Siegerin verkündet wurde und den Pokal am Bühnenrand (wegen der merkwürdigen Regel, dass Minderjährige nach 22 Uhr nicht mehr auf der Bühne stehen dürfen) in den Schoß gedrückt bekam. Das lag vielleicht an Vitoria Bueno. Die ist 17 und saß neben Elena, als der Cup gereicht wurde. Und Vitoria hätte den auch verdient gehabt. Sie ist Ballerina - allerdings dadurch gehandicapt, dass sie ohne Arme zur Welt kam. Da zeigte die kleine Siegerin Elena sehr großes Mitgefühl: Sie sah aus, als hätte sie den Cup gerne mit Vitoria geteilt.
Das Inclusion Dance Project verpasst knapp die Top Drei
Der Letzte im Bunde der ominösen Top Drei - die Zuschauer sollen zwar voten wie bekloppt, ein exaktes Ergebnis, wie sich ihre Stimmen auf die zehn Finalisten verteilten, bekommt aber niemand zu sehen! - war Drew Colby. Der ist Brite und Handschattenspieler. Aber sein etwas angestaubt-nostalgisch wirkendes Talent traf die Jury (die Ehrlich Brothers und Lukas Podolski trauten Colby sogar den Sieg zu, während Michael Michalsky und Chantal Janzen auf Elena Turcan setzten) und die Zuschauer wohl am rechten Fleck - am Herzen.
Dafür wurde das Inclusion Dance Project etwas überraschend nicht unter die drei Besten gewählt. Die 16-köpfige Truppe aus behinderten und nichtbehinderten Tänzern aus Italien berührte doppelt: durch Message und Leistung. Podolski: "Eure Botschaft ist fantastisch - und ihr seid es auch." Die Ehrlichs sahen das auch so: "Ihr inspiriert unglaublich viele Menschen. Ihr seid der Beweis, wie Inklusion bestens funktionieren kann."
Michalsky ätzt gegen die Ehrlichs: "Kakadu-Haare und Igel-Frisur"
Die anderen Finalteilnehmer waren mehr oder weniger auch toll, bei Karabo Morake waren es vor allem die 22 Zentimeter hohen High Heels. Bei den Light Balance Kids begeisterten die lichtleuchtenden Dance-Outfits. Chris Cross verzauberte durch sein furioses Tanzduell gegen Lichtsilhouetten auf der Projektionsleinwand. Der japanischen Zauberer Keiichi Iwasaki unterhielt mit Tricks mit kleinen Bällen und Geldscheinen. "Du bist der lustigste Zauberer der Welt", lobte Michalsky und verpasste den perfekt gestylten Gebrüdern Ehrlich eine Breitseite: "Und das ganz ohne Kakadu-Haare und Igel-Frisur."
Taktisch daneben lagen ein bisschen der kölsche Gospelchor, bei dem sich der Zauber diesmal nicht ganz so brillant entfaltete, wie auch bei dem Stück, das Klaviergenie Helena Berlinghof eigens für den Finalabend komponiert hatte. Es klang wie ihr Abschneiden: ein bisschen traurig.
Muss man Dieter B. aus T. nachtrauern?
Das gilt irgendwie auch für die ganze Show. Vor allem die Moderatoren gaben sich alle Mühe, das Event zum Hypererfolg hochzujazzen und zählten jede Standing Ovation eifrig mit. Lola Weippert und Chris Tall traten in Wiener-Opernball-Robe inklusive Fliege (bei Tall) und Brustquetscherkorsett (bei Weippert) an. Das sah ein bisschen aus wie Angela Merkel und ihr Gatte damals am grünen Hügel zu Bayreuth. Im krassen Widerspruch dazu standen die Sprüche von Weippert ("Karabo, du geile Sau!") und die teilweise dünnen Witzchen von Tall ("Sie ist so gut auf dem Klavier, sie hat sogar auch die schwarzen Tasten gespielt!").
Aber das könnte ja alles noch werden. Wenn man dem Ganzen und dem Duo eine weitere Chance geben möchte. Aber es täte gut, wenn man sich zu einer ehrlichen Manöverkritik zurückziehen würde. Nicht angebracht wäre es übrigens, wenn sich ein ausgebooteter älterer Herr in Tötsensen ob der einbrechenden Quoten beömmeln würde. Die Show befand sich auch mit Dieter Bohlen seit Jahren im Quotensinkflug.
Ramon Roselly freut sich wieder auf DSDS
Aber: Vielleicht wird alles ja gut. Dafür war Ramon Roselly ein nettes Beispiel. Der DSDS-Sieger von 2020 gab vor der Siegerverkündung gut gelaunt "Feliz Navidad" zum Besten, bekundete, dass es eine Ehre sei, in der Show aufzutreten und dass er sich auf das in Bälde anstehende DSDS freue.
Das klang vor ein paar Monaten noch ganz anders. Wer sich erinnert, wie ehrlich entrüstet und widerborstig der gute Ramon damals in der DSDS-Live-Show reagierte, als sein Mentor (und auch Produzent) Dieter Bohlen grade frisch abgesägt worden war, der kann konstatieren: Doch, es scheint, als heile die Zeit viele Wunden. Vielleicht tatsächlich alle. Weihnachten ist ja die Zeit der Hoffnung.