Eurovision Song Contest 2022
Eurovision Song Contest in Zeiten des Kriegs. Doch nur ein politisches Statment war der Triumph des Kalush Orchestra aus der Ukraine nicht - darüber sind sich hinterher viele Beobachter einig. Und Deutschland? Ach ja ... Ein insgesamt denkwürdiger ESC-Abend in Bildern.
© 2022 Getty Images/Giorgio Perottino1. Tschechische Republik: We Are Domi - "Lights Off"
Die Tschechische Republik eröffnet den ESC 2022. Der Bruder der Sängerin gewann einst Gold in Turin als Eishockeytorwart. Cool und reaktionsschnell ist auch der Elektropopschmeichler "Lights Off". ARD-Kommentator Peter Urban atmet auf: "Der Start ist schon mal geglückt."
© 2022 Getty Images/Giorgio Perottino2. Rumänien: WRS - "Llámame"
Gewöhnungsbedürftiger ist eindeutig die rüschenverzierte Performance des Rumänen WRS (in einem Wort gesprochen, gar nicht einfach!). Hier kreuzt sich spanisches Matadorenflair mit Karpatenfolklore. Eigenwillig!
© 2022 Getty Images/Giorgio Perottino3. Portugal: Maro - "Saudade, saudade"
"Saudade, saudade", gießt den portugiesischen Weltschmerz in ein angenehm schnörkelfreies Popkleinod, getragen von Sängerin Maro. Deutschlands Kommenator ist hin und weg: "Ich fand's wunderschön!"
© 2022 Getty Images/Giorgio Perottino4. Finnland: The Rasmus - "Jezebel"
Finnlands Ex-Chartsstürmer The Rasmus suchen mit neuer Gitarristin den Shortcut für den Karriere-Reboot. Der Sänger gibt den Bon Jovi im Friesennerz. Etwas plump kalkuliert, aber beweglich und eingängig.
© 2022 Getty Images/Filippo Alfero5. Schweiz: Marius Bear - "Boys Do Cry"
Marius Bear sieht in Specklederjacke deutlich halbseidener aus, als er den klassischen Tearjeker "Boys Do Cry" raspelt. Peter Urban ist dem Schweizer mit dem "weichen Herzen" jedenfalls verfallen.
© 2022 Getty Images/Giorgio Perottino6. Frankreich: Alvan & Ahez - "Fulenn"
Trommelwirbel, brennende Mülltonnen und Kajal-Exzesse, Frankreich feiert Goa-Party in Turin. Peter Urban hat sogar "keltische Riten" ausgemacht. Das macht es nicht besser verdaulich.
© 2022 Getty Images/Giorgio Perottino7. Norwegen: Subwoolfer - "Give That Wolf A Banana"
Subwoolfer drehen dem ESC-Publikum die lange Wolfsnase. Wer sich hinterm maskierten Eletropop-Mummenschanz verbirgt, bleibt ebenso rätselhaft wie die Bananenbotschaft.
© 2022 Getty Images/Giorgio Perottino8. Armenien: Rosa Linn - "Snap"
Ist Nicole zurück und singt "Ein bißchen Frieden"? Nein, die Armenierin Rosa Linn legt auch bald die weiße Gitarre ab und gestikuliert sich durch eine ausgeklügelte Papierkulisse. Im Song papierraschelt dagegen wenig, der ist überraschend solide.
© 2022 Getty Images/Giorgio Perottino9. Italien: Mahmood & Blanco - "Brividi"
Heimspiel für Mahmood & Blanco. Die Tifosi bejubeln den funkelnden Balladenauftritt der Wettanbieter-Mitfavoriten naturgemäß frenetisch. "Brividi" heißt "Gänsehaut" auf Deutsch, liest Urban vom Notizblock ab. Das passt. Auch wenn die beiden nicht jede Note treffen.
© 2022 Getty Images/Giorgio Perottino10. Spanien: Chanel - "SloMo"
"SloMo" ist ursprünglich mal Jennifer Lopez angeboten worden, zugeschlagen hat aber die spanische ESC-Starterin mit dem modebwussten Namen Chanel. Deren nicht weniger modebewusstes Outfit (oben Torrero, unten wenig) macht JLo tatsächlich Konkurrenz, mehr Vorteilhaftes schwer auszumachen. Auch wenn die Fachjuroren es später anders sehen.
© 2022 Getty Images/Giorgio Perottino11. Niederlande: S10 - "De Diepte"
"De Diepte" heißt auf Deutsch "Die Tiefe", und von dort unten scheint der sinistre Auftritt der niederländischen Sängerin mit kryptischen Moniker S10 auch zu kommen. Unprätentiös, aber intensiv, oder wie Peter Urban ergriffen schwoft: "Echte traurige Emotion!"
© 2022 Getty Images/Giorgio Perottino12. Ukraine: Kalush Orchestra - "Stefania"
Folklore-Flöten, Highspeed-Rap und ein Sehnsuchtsrefrain verbinden sich beim Kalush Orchestra zu etwas, das weit über diesen ESC hinausreicht. Obwohl es die Wettbewerbsregeln verbieten, steht am Ende ein Hilfsaufruf in die Welt für die Ukraine sowie für Mariupol und die Kämpfer im Asow-Stahlwerk im Speziellen.
© 2022 Getty Images/Giorgio Perottino13. Deutschland: Malik Harris - "Rockstar"
Deutschland geht direkt im Anschluss ins Rennen. Eine denkbar undankbare Startposition. Bei den Buchmachern muss Malik Harris das Feld eh von ganz hinten aufrollen. Aber von gebremster Euphorie keine Spur. Für den Zwischenrap gibt es Szenenapplaus in Turin. "Leidenschaftlicher Auftritt, Top-Kandidat", lobt Peter Urban. Das verheißt allerdings meist nichts Gutes.
© 2022 Getty Images/Giorgio Perottino14. Litauen: Monika Liu - "Sentimentai"
Litauen bringt den Topfschnitt, die Abendrobe und den Glamour von Mireille Mathieu zurück. Monika Liu hält sich auch stimmlich schadlos. Dazu noch ein brauchbarer Song wäre es jetzt gewesen.
© 2022 Getty Images/Giorgio Perottino15. Aserbaidschan: Nadir Rustamli - "Fade To Black"
Löblich: Die allermeisten Songs des Abends, informiert Peter Urban, stammen von den Interpreten selbst. Nicht so "Fade To Black", das aus einer skandinavischen Fließbandhitmaschine gefallen ist. Nadir Rustamli gibt emotional alles, aber "seiner" wird der Song für Aserbaidschan nicht.
© 2022 Getty Images/Giorgio Perottino16. Belgien: Jérémie Makiese - "Miss You"
Jérémie Makiese spielt in Belgiens zweiter Liga Fußball und singt auf der ESC-Bühne eine Liga darüber. "Miss You" streckt sich sehr beherzt nach Michael Jackson, aber in der Champions League des Pop kommt die R'n'B-Übung dann doch nicht an.
© 2022 Getty Images/Giorgio Perottino17. Griechenland: Amanda Georgiadi Tenfjord - "Die Together"
"Die Together": Der thematisch düsterste Beitrag des Abends kommt von einer Frau in weißem Kleid. Bei der Griechin Amanda Georgiadi Tenfjord klingt aber sogar die Einladung zum gemeinsamen Ableben irgendwie herzig. "Schaurig-intensiv", raunt es indes vom ARD-Kommentatorenplatz.
© 2022 Getty Images/Giorgio Perottino18. Island: Systur - "Með hækkandi sól"
Drei Schwestern, die sich synchron mit den Gitarren drehen, das kann man nur gut finden. Systur aus Island sehen aus wie Elfen, die in der Truckerkneipe gestrandet sind. Der Song ist isländisch-betörend. "Peace for Ukraine", fordern es am Ende. In einer gerechten Welt ... Sie wissen schon ...
© 2022 Getty Images/Giorgio Perottino19. Moldau: Zdob și Zdub & Fraţii Advahov - "Trenuleţul"
Wir wissen nicht, ob in Moldau Après-Ski ein Thema ist. Zdob și Zdub & Fraţii Advahov empfehlen sich aber für alle Zusammenkünfte, die von Alkoholgenuss und Enthemmung geprägt sind. Nüchtern ist es mit ihnen eher schwierig. Ramones-Fans ("Hey Ho, Let's Go!") müssen besonders tapfer sein.
© 2022 Getty Images/Giorgio Perottino20. Schweden: Cornelia Jakobs - "Hold Me Closer"
Schweden hat schon wieder eine Sängerin gefunden, die ab der ersten gehauchten Silbe nach Siegfavoritin klingt. Die barfüßige Cornelia Jakobs hat ihren sacht elektronisch-unterwummerten Instant-Ohrwurm bis zum Drama-Finale cool im Griff.
© 2022 Getty Images/Giorgio Perottino21. Australien: Sheldon Riley - "Not The Same"
Die weiteste Anreise hatte Sheldon Riley, und den meisten Weltschmerz hatte der Australier mit Asperger-Syndrom auch im Gepäck. Sowie die meiste Granzdezza. Am Ende ist die Selbsthehauptungsarie im Schwanengefieder dann fast ein bisschen dick aufgetragen. Aber heartfelt, keine Frage.
© 2022 Getty Images/Giorgio Perottino22. Großbritannien (UK): Sam Ryder - "Space Man"
Kopfstimmakrobatik, All-Fantasien und Hippie-Haupthaar, das aus dem David-Bowie-Gedächtniseinteiler ragt. Großbritannien beweist nach vielen ESC-Pleiten immerhin Humor. Und genau genommen hat Sam Ryder in (selbst gestoppten) 15 Minuten sogar einen herrlich abgespacten Glamrock-Knallkoren gebastelt.
© 2022 Getty Images/Giorgio Perottino23. Polen: Ochman - "River"
Augenscheinlich weniger Humor, aber ebenso schräg und kopfstimmlastig: Ochman aus Polen treibt nebst lumpengewandeten Ausdruckstänzern (gemäß Peter Urbans Interpretationshilfe "Wassergeister") dahin auf einem "River" von ESC-Stilblüten, die kein Ganzes ergeben.
© 2022 Getty Images/Giorgio Perottino24. Serbien: Konstrakta - "In corpore sano"
"Kritik am serbischen Gesundheitssystem" (Peter Urban). Selten einen ESC-Beitrag so schmackhaft gemacht bekommen! Doch der Auftritt von Konstrakta hat dann überraschend viel von einer hypermodernen Kunstinstallation. Alles hat offenkundig einen Sinn und zum Glück auch einen Groove. Aber einen sperrigen.
© 2022 Getty Images/Giorgio Perottino25. Estland: Stefan -"Hope"
Fan von Johhny Cash und Ennio Morricone und "sexiest Man von Estland". Was kann da schiefgehen? Sagen wir es so: Bei Sergio Leone würde Sänger Stefan ganz schnell im Staub liegen. Immerhin ein Final-Finale in Cinemascope im Land der Spaghettiwestern. "Grazie tutti", hat er gelernt. Aber wie stimmen die EBU-Mitgliedsstaaten ab?
© 2022 Getty Images/Giorgio PerottinoDie Jury-Wertung
Nach den Jury-Wertungen liegt Großbritannien vor Schweden und Spanien (von links: die Moderatoren Alessandro Cattelan, Laura Pausini und Mika). Und Malik Harris? Null Punkte. Deutschland bleibt auch nach dem Zuschauervoting Letzter mit 6 Punkten. Malik Harris feiert das Debakel demonstrativ ausgelassen weg.
© 2022 Getty Images/Giorgio PerottinoDas Publikums-Voting
Doch das TV-Publikum in Europa dreht die Entscheidung. Mit überragendem Vorsprung erhält der ukrainische Beitrag die meisten Zuschauerstimmen. Das United Kingdom wird Zweiter, Spanien landet warum auch immer auf Platz drei. Was bleibt hängen? "Eine starke Demonstration aus Europa für die Ukraine", meint Peter Urban. Kann man so stehen lassen.
© 2022 Getty Images/Giorgio Perottino